Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Buch IV. Staat und Hof. Helden. Gottfried ist mehr als Aeneas: er ist wie einHeiliger, satt der Welt und ihres vergänglichen Ruhmes. Es würde indeß ein sehr trockenes Werk gegeben haben, wenn sich der Dichter mit der Darstellung einer solchen Persönlichkeit hätte begnügen wollen. Tasso ergriff zugleich die sentimental-schwärmerische Seite der Religion, was denn sehr wohl zu dem Feenwesen stimmt, dessen bunte Fäden er in sein Gewebe einschlug. Das Gedicht ist hier und da etwas lang ausgefallen: nicht allenthalben ist der Ausdruck recht durchgearbeitet: doch ist es ein Gedicht; -- voll Phantasie und Gefühl, nationaler Gesinnung, Wahrheit des Gemüths, durch welche Tasso die Gunst und Bewunderung seiner Landsleute bis auf den heutigen Tag in hohem Grade behauptet hat. Welch ein Gegensatz aber gegen Ariost! Die Dichtkunst war früher von der Kirche abgefallen; der verjüngten Religion unterwirft sie sich wieder. Unfern von Ferrara, wo Tasso sein Poem verfaßt, Fragen wir, worauf diese beruhte, so nennt man uns Buch IV. Staat und Hof. Helden. Gottfried iſt mehr als Aeneas: er iſt wie einHeiliger, ſatt der Welt und ihres vergaͤnglichen Ruhmes. Es wuͤrde indeß ein ſehr trockenes Werk gegeben haben, wenn ſich der Dichter mit der Darſtellung einer ſolchen Perſoͤnlichkeit haͤtte begnuͤgen wollen. Taſſo ergriff zugleich die ſentimental-ſchwaͤrmeriſche Seite der Religion, was denn ſehr wohl zu dem Feenweſen ſtimmt, deſſen bunte Faͤden er in ſein Gewebe einſchlug. Das Gedicht iſt hier und da etwas lang ausgefallen: nicht allenthalben iſt der Ausdruck recht durchgearbeitet: doch iſt es ein Gedicht; — voll Phantaſie und Gefuͤhl, nationaler Geſinnung, Wahrheit des Gemuͤths, durch welche Taſſo die Gunſt und Bewunderung ſeiner Landsleute bis auf den heutigen Tag in hohem Grade behauptet hat. Welch ein Gegenſatz aber gegen Arioſt! Die Dichtkunſt war fruͤher von der Kirche abgefallen; der verjuͤngten Religion unterwirft ſie ſich wieder. Unfern von Ferrara, wo Taſſo ſein Poem verfaßt, Fragen wir, worauf dieſe beruhte, ſo nennt man uns <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0518" n="492"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">IV.</hi><hi rendition="#g">Staat und Hof</hi>.</fw><lb/> Helden. Gottfried iſt mehr als Aeneas: er iſt wie ein<lb/> Heiliger, ſatt der Welt und ihres vergaͤnglichen Ruhmes.<lb/> Es wuͤrde indeß ein ſehr trockenes Werk gegeben haben,<lb/> wenn ſich der Dichter mit der Darſtellung einer ſolchen<lb/> Perſoͤnlichkeit haͤtte begnuͤgen wollen. Taſſo ergriff zugleich<lb/> die ſentimental-ſchwaͤrmeriſche Seite der Religion, was<lb/> denn ſehr wohl zu dem Feenweſen ſtimmt, deſſen bunte<lb/> Faͤden er in ſein Gewebe einſchlug. Das Gedicht iſt hier<lb/> und da etwas lang ausgefallen: nicht allenthalben iſt der<lb/> Ausdruck recht durchgearbeitet: doch iſt es ein Gedicht;<lb/> — voll Phantaſie und Gefuͤhl, nationaler Geſinnung,<lb/> Wahrheit des Gemuͤths, durch welche Taſſo die Gunſt und<lb/> Bewunderung ſeiner Landsleute bis auf den heutigen Tag<lb/> in hohem Grade behauptet hat. Welch ein Gegenſatz aber<lb/> gegen Arioſt! Die Dichtkunſt war fruͤher von der Kirche<lb/> abgefallen; der verjuͤngten Religion unterwirft ſie ſich<lb/> wieder.</p><lb/> <p>Unfern von Ferrara, wo Taſſo ſein Poem verfaßt,<lb/> in Bologna, erhob ſich gleich nachher die Schule der Ca-<lb/> racci, deren Emporkommen eine allgemeine Umwandlung<lb/> in der Malerei bezeichnet.</p><lb/> <p>Fragen wir, worauf dieſe beruhte, ſo nennt man uns<lb/> die anatomiſchen Studien der bologneſiſchen Academie, ihre<lb/> eklektiſche Nachahmung, die Gelehrſamkeit ihrer Kunſtma-<lb/> nier. Und gewiß iſt der Eifer, mit welchem ſie auf ihre<lb/> Weiſe den Erſcheinungen der Natur beizukommen trachte-<lb/> ten, ein großes Verdienſt. Nicht minder wichtig aber<lb/> ſcheint mir zu ſeyn, welche Aufgaben ſie waͤhlten, wie ſie<lb/> dieſelben geiſtig angriffen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [492/0518]
Buch IV. Staat und Hof.
Helden. Gottfried iſt mehr als Aeneas: er iſt wie ein
Heiliger, ſatt der Welt und ihres vergaͤnglichen Ruhmes.
Es wuͤrde indeß ein ſehr trockenes Werk gegeben haben,
wenn ſich der Dichter mit der Darſtellung einer ſolchen
Perſoͤnlichkeit haͤtte begnuͤgen wollen. Taſſo ergriff zugleich
die ſentimental-ſchwaͤrmeriſche Seite der Religion, was
denn ſehr wohl zu dem Feenweſen ſtimmt, deſſen bunte
Faͤden er in ſein Gewebe einſchlug. Das Gedicht iſt hier
und da etwas lang ausgefallen: nicht allenthalben iſt der
Ausdruck recht durchgearbeitet: doch iſt es ein Gedicht;
— voll Phantaſie und Gefuͤhl, nationaler Geſinnung,
Wahrheit des Gemuͤths, durch welche Taſſo die Gunſt und
Bewunderung ſeiner Landsleute bis auf den heutigen Tag
in hohem Grade behauptet hat. Welch ein Gegenſatz aber
gegen Arioſt! Die Dichtkunſt war fruͤher von der Kirche
abgefallen; der verjuͤngten Religion unterwirft ſie ſich
wieder.
Unfern von Ferrara, wo Taſſo ſein Poem verfaßt,
in Bologna, erhob ſich gleich nachher die Schule der Ca-
racci, deren Emporkommen eine allgemeine Umwandlung
in der Malerei bezeichnet.
Fragen wir, worauf dieſe beruhte, ſo nennt man uns
die anatomiſchen Studien der bologneſiſchen Academie, ihre
eklektiſche Nachahmung, die Gelehrſamkeit ihrer Kunſtma-
nier. Und gewiß iſt der Eifer, mit welchem ſie auf ihre
Weiſe den Erſcheinungen der Natur beizukommen trachte-
ten, ein großes Verdienſt. Nicht minder wichtig aber
ſcheint mir zu ſeyn, welche Aufgaben ſie waͤhlten, wie ſie
dieſelben geiſtig angriffen.
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