auch selber noch seine Augen weiden. Er stellte 600 Ar- beiter an: auch die Nacht ließ er nicht feiern: im 22sten Monate wurde man fertig. Nur erlebte er nicht, daß das bleierne Dach gelegt wurde.
Aber auch in Werken dieser Art setzte er seiner Ge- waltsamkeit keine Grenzen. Die Ueberbleibsel des päpstli- chen Patriarchiums bei dem Lateran, die noch keineswegs geringfügig und ausnehmend merkwürdig waren, ließ er ohne Erbarmen niederreißen, um an der Stelle derselben seinen Lateranpallast zu errichten, an sich unnütz und ganz in der einförmigen Regelmäßigkeit moderner Architectur.
Wie so ganz hatte sich das Verhältniß geändert, in welchem man zu dem Alterthum stand. Man wetteiferte früher und auch jetzt mit demselben: aber damals suchte man es in der Form zu erreichen, jetzt bemühte man sich, in massenhaften Unternehmungen ihm gleich zu kommen oder es zu überbieten. In dem geringsten Denkmal ver- ehrte man früher eine Spur des antiken Geistes: diese Spuren hätte man jetzt lieber vertilgt. Man folgte einer Idee, die man allein gelten ließ, neben der man keine an- dere anerkannte. Es ist die nemliche, die sich in der Kirche die Herrschaft erworben, die den Staat zu einem Organ der Kirche gemacht hat. Diese Idee des modernen Katho- licismus durchdringt in den verschiedensten Richtungen alle Adern des Lebens.
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Sixtus V. Bauunternehmungen.
auch ſelber noch ſeine Augen weiden. Er ſtellte 600 Ar- beiter an: auch die Nacht ließ er nicht feiern: im 22ſten Monate wurde man fertig. Nur erlebte er nicht, daß das bleierne Dach gelegt wurde.
Aber auch in Werken dieſer Art ſetzte er ſeiner Ge- waltſamkeit keine Grenzen. Die Ueberbleibſel des paͤpſtli- chen Patriarchiums bei dem Lateran, die noch keineswegs geringfuͤgig und ausnehmend merkwuͤrdig waren, ließ er ohne Erbarmen niederreißen, um an der Stelle derſelben ſeinen Lateranpallaſt zu errichten, an ſich unnuͤtz und ganz in der einfoͤrmigen Regelmaͤßigkeit moderner Architectur.
Wie ſo ganz hatte ſich das Verhaͤltniß geaͤndert, in welchem man zu dem Alterthum ſtand. Man wetteiferte fruͤher und auch jetzt mit demſelben: aber damals ſuchte man es in der Form zu erreichen, jetzt bemuͤhte man ſich, in maſſenhaften Unternehmungen ihm gleich zu kommen oder es zu uͤberbieten. In dem geringſten Denkmal ver- ehrte man fruͤher eine Spur des antiken Geiſtes: dieſe Spuren haͤtte man jetzt lieber vertilgt. Man folgte einer Idee, die man allein gelten ließ, neben der man keine an- dere anerkannte. Es iſt die nemliche, die ſich in der Kirche die Herrſchaft erworben, die den Staat zu einem Organ der Kirche gemacht hat. Dieſe Idee des modernen Katho- licismus durchdringt in den verſchiedenſten Richtungen alle Adern des Lebens.
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Sixtus V. Bauunternehmungen.
auch ſelber noch ſeine Augen weiden. Er ſtellte 600 Ar-
beiter an: auch die Nacht ließ er nicht feiern: im 22ſten
Monate wurde man fertig. Nur erlebte er nicht, daß das
bleierne Dach gelegt wurde.
Aber auch in Werken dieſer Art ſetzte er ſeiner Ge-
waltſamkeit keine Grenzen. Die Ueberbleibſel des paͤpſtli-
chen Patriarchiums bei dem Lateran, die noch keineswegs
geringfuͤgig und ausnehmend merkwuͤrdig waren, ließ er ohne
Erbarmen niederreißen, um an der Stelle derſelben ſeinen
Lateranpallaſt zu errichten, an ſich unnuͤtz und ganz in der
einfoͤrmigen Regelmaͤßigkeit moderner Architectur.
Wie ſo ganz hatte ſich das Verhaͤltniß geaͤndert, in
welchem man zu dem Alterthum ſtand. Man wetteiferte
fruͤher und auch jetzt mit demſelben: aber damals ſuchte
man es in der Form zu erreichen, jetzt bemuͤhte man ſich,
in maſſenhaften Unternehmungen ihm gleich zu kommen
oder es zu uͤberbieten. In dem geringſten Denkmal ver-
ehrte man fruͤher eine Spur des antiken Geiſtes: dieſe
Spuren haͤtte man jetzt lieber vertilgt. Man folgte einer
Idee, die man allein gelten ließ, neben der man keine an-
dere anerkannte. Es iſt die nemliche, die ſich in der Kirche
die Herrſchaft erworben, die den Staat zu einem Organ
der Kirche gemacht hat. Dieſe Idee des modernen Katho-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/507>, abgerufen am 23.11.2024.
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