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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Sixtus V. Bauunternehmungen.

Von diesem Geist war Sixtus V. himmelweit ent-
fernt. Für die Schönheit der Ueberreste des Alterthums
hatte dieser Franciscaner keinen Sinn. Das Septizonium
des Severus, ein höchst merkwürdiges Werk, das sich
durch alle Stürme so vieler Jahrhunderte bis auf ihn er-
halten, fand keine Gnade vor seinen Augen. Er zerstörte
es von Grund aus und brachte einige Säulen davon nach
St. Peter 1). Er war eben so heftig im Zerstören als
eifrig im Bauen. Jedermann fürchtete, er werde auch darin
kein Maaß finden. Man höre, was der Cardinal von
Santa Severina erzählt: es würde unglaublich scheinen, wenn

Lettere di Castiglione Padova 1796 p. 149. Von einem Entwurfe
zu einem planmäßigen Aufgraben der alten Stadt kann ich in die-
sem Briefe doch nichts finden. Offenbar scheint mir, daß es eine
Vorrede zu einer Beschreibung von Rom mit einem Plane ist; auf
diese Beschreibung und diesen Plan wird fortwährend hingewiesen:
höchst wahrscheinlich bleibt es, daß Raphael selbst es ist, dessen Ar-
beiten mit dieser Vorrede eingeleitet werden sollten. Es ergiebt sich
das besonders aus den zusammentreffenden Ausdrücken in dem be-
kannten Epigramm auf Raphaels Tod und in diesem Briefe. Z. B.
"vedendo quasi il cadavero di quella nobil patria eosi misera-
mente lacerato;" -- "urbis laceram ferro igni annisque cada-
ver Advitam revocas:"
-- Es bezeichnet das wohl eine Wiederher-
stellung, aber nur in der Idee, in einer Beschreibung. Diese Mei-
nung hebt die bisher geäußerten Ansichten im Wesentlichen nicht
auf, sondern bestimmt sie nur näher. Wir können annehmen, daß
die Arbeit, mit der sich Raphael in der letzten Zeit seines Lebens
beschäftigte, schon ziemlich weit vorgerückt war, da bereits eine De-
dication dazu in seinem Namen verfaßt wurde. Welch einen Na-
men mehr gäbe das unter den Astygraphen! Die Papiere und der
Plan mögen in die Hände des Fulvius gekommen seyn, der an den
Untersuchungen wahrscheinlich großen Antheil hatte.
1) Gualterius: Praecipue Severi Septizonii quod incredibili
Romanorum dolori demoliendum curavit columnis marmoribus-
que usus est passimque per urbem caveae videbantur unde lapi-
des omnis generis effodiebantur.
Sixtus V. Bauunternehmungen.

Von dieſem Geiſt war Sixtus V. himmelweit ent-
fernt. Fuͤr die Schoͤnheit der Ueberreſte des Alterthums
hatte dieſer Franciscaner keinen Sinn. Das Septizonium
des Severus, ein hoͤchſt merkwuͤrdiges Werk, das ſich
durch alle Stuͤrme ſo vieler Jahrhunderte bis auf ihn er-
halten, fand keine Gnade vor ſeinen Augen. Er zerſtoͤrte
es von Grund aus und brachte einige Saͤulen davon nach
St. Peter 1). Er war eben ſo heftig im Zerſtoͤren als
eifrig im Bauen. Jedermann fuͤrchtete, er werde auch darin
kein Maaß finden. Man hoͤre, was der Cardinal von
Santa Severina erzaͤhlt: es wuͤrde unglaublich ſcheinen, wenn

Lettere di Castiglione Padova 1796 p. 149. Von einem Entwurfe
zu einem planmaͤßigen Aufgraben der alten Stadt kann ich in die-
ſem Briefe doch nichts finden. Offenbar ſcheint mir, daß es eine
Vorrede zu einer Beſchreibung von Rom mit einem Plane iſt; auf
dieſe Beſchreibung und dieſen Plan wird fortwaͤhrend hingewieſen:
hoͤchſt wahrſcheinlich bleibt es, daß Raphael ſelbſt es iſt, deſſen Ar-
beiten mit dieſer Vorrede eingeleitet werden ſollten. Es ergiebt ſich
das beſonders aus den zuſammentreffenden Ausdruͤcken in dem be-
kannten Epigramm auf Raphaels Tod und in dieſem Briefe. Z. B.
„vedendo quasi il cadavero di quella nobil patria eosi misera-
mente lacerato;“ — „urbis laceram ferro igni annisque cada-
ver Advitam revocas:“
— Es bezeichnet das wohl eine Wiederher-
ſtellung, aber nur in der Idee, in einer Beſchreibung. Dieſe Mei-
nung hebt die bisher geaͤußerten Anſichten im Weſentlichen nicht
auf, ſondern beſtimmt ſie nur naͤher. Wir koͤnnen annehmen, daß
die Arbeit, mit der ſich Raphael in der letzten Zeit ſeines Lebens
beſchaͤftigte, ſchon ziemlich weit vorgeruͤckt war, da bereits eine De-
dication dazu in ſeinem Namen verfaßt wurde. Welch einen Na-
men mehr gaͤbe das unter den Aſtygraphen! Die Papiere und der
Plan moͤgen in die Haͤnde des Fulvius gekommen ſeyn, der an den
Unterſuchungen wahrſcheinlich großen Antheil hatte.
1) Gualterius: Praecipue Severi Septizonii quod incredibili
Romanorum dolori demoliendum curavit columnis marmoribus-
que usus est passimque per urbem caveae videbantur unde lapi-
des omnis generis effodiebantur.
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[475/0501] Sixtus V. Bauunternehmungen. Von dieſem Geiſt war Sixtus V. himmelweit ent- fernt. Fuͤr die Schoͤnheit der Ueberreſte des Alterthums hatte dieſer Franciscaner keinen Sinn. Das Septizonium des Severus, ein hoͤchſt merkwuͤrdiges Werk, das ſich durch alle Stuͤrme ſo vieler Jahrhunderte bis auf ihn er- halten, fand keine Gnade vor ſeinen Augen. Er zerſtoͤrte es von Grund aus und brachte einige Saͤulen davon nach St. Peter 1). Er war eben ſo heftig im Zerſtoͤren als eifrig im Bauen. Jedermann fuͤrchtete, er werde auch darin kein Maaß finden. Man hoͤre, was der Cardinal von Santa Severina erzaͤhlt: es wuͤrde unglaublich ſcheinen, wenn 2) 1) Gualterius: Praecipue Severi Septizonii quod incredibili Romanorum dolori demoliendum curavit columnis marmoribus- que usus est passimque per urbem caveae videbantur unde lapi- des omnis generis effodiebantur. 2) Lettere di Castiglione Padova 1796 p. 149. Von einem Entwurfe zu einem planmaͤßigen Aufgraben der alten Stadt kann ich in die- ſem Briefe doch nichts finden. Offenbar ſcheint mir, daß es eine Vorrede zu einer Beſchreibung von Rom mit einem Plane iſt; auf dieſe Beſchreibung und dieſen Plan wird fortwaͤhrend hingewieſen: hoͤchſt wahrſcheinlich bleibt es, daß Raphael ſelbſt es iſt, deſſen Ar- beiten mit dieſer Vorrede eingeleitet werden ſollten. Es ergiebt ſich das beſonders aus den zuſammentreffenden Ausdruͤcken in dem be- kannten Epigramm auf Raphaels Tod und in dieſem Briefe. Z. B. „vedendo quasi il cadavero di quella nobil patria eosi misera- mente lacerato;“ — „urbis laceram ferro igni annisque cada- ver Advitam revocas:“ — Es bezeichnet das wohl eine Wiederher- ſtellung, aber nur in der Idee, in einer Beſchreibung. Dieſe Mei- nung hebt die bisher geaͤußerten Anſichten im Weſentlichen nicht auf, ſondern beſtimmt ſie nur naͤher. Wir koͤnnen annehmen, daß die Arbeit, mit der ſich Raphael in der letzten Zeit ſeines Lebens beſchaͤftigte, ſchon ziemlich weit vorgeruͤckt war, da bereits eine De- dication dazu in ſeinem Namen verfaßt wurde. Welch einen Na- men mehr gaͤbe das unter den Aſtygraphen! Die Papiere und der Plan moͤgen in die Haͤnde des Fulvius gekommen ſeyn, der an den Unterſuchungen wahrſcheinlich großen Antheil hatte.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/501>, abgerufen am 22.11.2024.