So wie aber der Mißbrauch, den der Papst dämpfte, noch einen andern Ursprung hatte, als allein den Mangel an Aufsicht, so hing auch der Erfolg, welchen er hervor- rief, noch mit andern Schritten, die er that, zusammen.
Man sieht zuweilen Sixtus V. als den alleinigen Gründer der Ordnungen des Kirchenstaates an: man schreibt ihm Einrichtungen zu, die lange vor ihm bestanden: als einen unvergleichlichen Meister der Finanzen, einen höchst vorurtheilsfreien Staatsmann, einen Hersteller der Alter- thümer rühmt man ihn. Er hatte eine Natur, die sich dem Gedächtniß der Menschen einprägte, und fabelhaften, großartig lautenden Erzählungen Glauben verschaffte.
Ist nun dem auch nicht völlig so, wie man sagt, so bleibt seine Verwaltung doch immer sehr merkwürdig.
In einem besondern Verhältniß stand sie gegen die gregorianische. Gregor war in seinen allgemeinen Maaß- regeln streng, durchgreifend, einseitig; einzelne Fälle des Ungehorsams sah er nach. Eben dadurch, daß er auf der einen Seite die Interessen gegen sich aufregte, und doch auf der andern eine Straflosigkeit ohne Gleichen einreißen ließ, veranlaßte er die unheilvolle Entwickelung, die er er-
urbe vasta, in hoc conventu nationum, in tanta peregrinorum ad- venarumque colluvie ubi tot nobilium superbae eminent opes nemo tam tenuis tam abjectae fortunae sit, qui se nunc sentiat cujus- quam injuriae obnoxium. -- Nach Gualterius Vita Sixti V. wandte dieser den Spruch an: fugit impius, nemine persequente.
BuchIV.Staat und Hof.
Momente der Verwaltung.
So wie aber der Mißbrauch, den der Papſt daͤmpfte, noch einen andern Urſprung hatte, als allein den Mangel an Aufſicht, ſo hing auch der Erfolg, welchen er hervor- rief, noch mit andern Schritten, die er that, zuſammen.
Man ſieht zuweilen Sixtus V. als den alleinigen Gruͤnder der Ordnungen des Kirchenſtaates an: man ſchreibt ihm Einrichtungen zu, die lange vor ihm beſtanden: als einen unvergleichlichen Meiſter der Finanzen, einen hoͤchſt vorurtheilsfreien Staatsmann, einen Herſteller der Alter- thuͤmer ruͤhmt man ihn. Er hatte eine Natur, die ſich dem Gedaͤchtniß der Menſchen einpraͤgte, und fabelhaften, großartig lautenden Erzaͤhlungen Glauben verſchaffte.
Iſt nun dem auch nicht voͤllig ſo, wie man ſagt, ſo bleibt ſeine Verwaltung doch immer ſehr merkwuͤrdig.
In einem beſondern Verhaͤltniß ſtand ſie gegen die gregorianiſche. Gregor war in ſeinen allgemeinen Maaß- regeln ſtreng, durchgreifend, einſeitig; einzelne Faͤlle des Ungehorſams ſah er nach. Eben dadurch, daß er auf der einen Seite die Intereſſen gegen ſich aufregte, und doch auf der andern eine Strafloſigkeit ohne Gleichen einreißen ließ, veranlaßte er die unheilvolle Entwickelung, die er er-
urbe vasta, in hoc conventu nationum, in tanta peregrinorum ad- venarumque colluvie ubi tot nobilium superbae eminent opes nemo tam tenuis tam abjectae fortunae sit, qui se nunc sentiat cujus- quam injuriae obnoxium. — Nach Gualterius Vita Sixti V. wandte dieſer den Spruch an: fugit impius, nemine persequente.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbn="450"facs="#f0476"/><fwtype="header"place="top"><hirendition="#g">Buch</hi><hirendition="#aq">IV.</hi><hirendition="#g">Staat und Hof</hi>.</fw></div><lb/><divn="4"><head>Momente der Verwaltung.</head><lb/><p>So wie aber der Mißbrauch, den der Papſt daͤmpfte,<lb/>
noch einen andern Urſprung hatte, als allein den Mangel<lb/>
an Aufſicht, ſo hing auch der Erfolg, welchen er hervor-<lb/>
rief, noch mit andern Schritten, die er that, zuſammen.</p><lb/><p>Man ſieht zuweilen Sixtus <hirendition="#aq">V.</hi> als den alleinigen<lb/>
Gruͤnder der Ordnungen des Kirchenſtaates an: man ſchreibt<lb/>
ihm Einrichtungen zu, die lange vor ihm beſtanden: als<lb/>
einen unvergleichlichen Meiſter der Finanzen, einen hoͤchſt<lb/>
vorurtheilsfreien Staatsmann, einen Herſteller der Alter-<lb/>
thuͤmer ruͤhmt man ihn. Er hatte eine Natur, die ſich<lb/>
dem Gedaͤchtniß der Menſchen einpraͤgte, und fabelhaften,<lb/>
großartig lautenden Erzaͤhlungen Glauben verſchaffte.</p><lb/><p>Iſt nun dem auch nicht voͤllig ſo, wie man ſagt, ſo<lb/>
bleibt ſeine Verwaltung doch immer ſehr merkwuͤrdig.</p><lb/><p>In einem beſondern Verhaͤltniß ſtand ſie gegen die<lb/>
gregorianiſche. Gregor war in ſeinen allgemeinen Maaß-<lb/>
regeln ſtreng, durchgreifend, einſeitig; einzelne Faͤlle des<lb/>
Ungehorſams ſah er nach. Eben dadurch, daß er auf der<lb/>
einen Seite die Intereſſen gegen ſich aufregte, und doch<lb/>
auf der andern eine Strafloſigkeit ohne Gleichen einreißen<lb/>
ließ, veranlaßte er die unheilvolle Entwickelung, die er er-<lb/><noteplace="foot"n="2)"xml:id="note-0476"prev="#note-0475"><hirendition="#aq">urbe vasta, in hoc conventu nationum, in tanta peregrinorum ad-<lb/>
venarumque colluvie ubi tot nobilium superbae eminent opes nemo<lb/>
tam tenuis tam abjectae fortunae sit, qui se nunc sentiat cujus-<lb/>
quam injuriae obnoxium.</hi>— Nach <hirendition="#aq">Gualterius Vita Sixti V.</hi><lb/>
wandte dieſer den Spruch an: <hirendition="#aq">fugit impius, nemine persequente.</hi></note><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[450/0476]
Buch IV. Staat und Hof.
Momente der Verwaltung.
So wie aber der Mißbrauch, den der Papſt daͤmpfte,
noch einen andern Urſprung hatte, als allein den Mangel
an Aufſicht, ſo hing auch der Erfolg, welchen er hervor-
rief, noch mit andern Schritten, die er that, zuſammen.
Man ſieht zuweilen Sixtus V. als den alleinigen
Gruͤnder der Ordnungen des Kirchenſtaates an: man ſchreibt
ihm Einrichtungen zu, die lange vor ihm beſtanden: als
einen unvergleichlichen Meiſter der Finanzen, einen hoͤchſt
vorurtheilsfreien Staatsmann, einen Herſteller der Alter-
thuͤmer ruͤhmt man ihn. Er hatte eine Natur, die ſich
dem Gedaͤchtniß der Menſchen einpraͤgte, und fabelhaften,
großartig lautenden Erzaͤhlungen Glauben verſchaffte.
Iſt nun dem auch nicht voͤllig ſo, wie man ſagt, ſo
bleibt ſeine Verwaltung doch immer ſehr merkwuͤrdig.
In einem beſondern Verhaͤltniß ſtand ſie gegen die
gregorianiſche. Gregor war in ſeinen allgemeinen Maaß-
regeln ſtreng, durchgreifend, einſeitig; einzelne Faͤlle des
Ungehorſams ſah er nach. Eben dadurch, daß er auf der
einen Seite die Intereſſen gegen ſich aufregte, und doch
auf der andern eine Strafloſigkeit ohne Gleichen einreißen
ließ, veranlaßte er die unheilvolle Entwickelung, die er er-
2)
2) urbe vasta, in hoc conventu nationum, in tanta peregrinorum ad-
venarumque colluvie ubi tot nobilium superbae eminent opes nemo
tam tenuis tam abjectae fortunae sit, qui se nunc sentiat cujus-
quam injuriae obnoxium. — Nach Gualterius Vita Sixti V.
wandte dieſer den Spruch an: fugit impius, nemine persequente.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/476>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.