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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch IV. Staat und Hof.
dem Papst und seinem Kammercommissär, sie wieder ein-
zulösen. So bemächtigten sie sich des Schlosses Sitiano,
indem sie die Pfandsumme von 14000 Sc. niederlegten, eine
Summe, die den damaligen Werth bei weitem nicht er-
reichte.

Der Papst that sich auf diese Unternehmungen viel zu
gut. Er glaubte einen Anspruch mehr auf die Gnade des
Himmels zu erwerben, sobald es ihm gelang, die Ein-
künfte der Kirche nur um 10 Sc. zu vermehren, voraus-
gesetzt, ohne neue Auflagen. Er berechnete mit Genug-
thuung, daß man den Ertrag des Kirchenstaats in Kurzem
auf gerichtlichem Wege um 100000 Sc. vermehrt habe.
Wie viel mehr werde man hierdurch zu Unternehmungen gegen
Ketzer und Ungläubige fähig. An dem Hofe stimmte man
ihm großentheils bei. "Dieser Papst heißt der Wachsame":
(es ist dieß die Bedeutung von Gregorius) sagte der Car-
dinal von Como: "er will wachen und das Seine wieder-
erwerben" 1).

In dem Lande dagegen, unter der Aristokratie, mach-
ten diese Maaßregeln einen andern Eindruck.

Viele große Familien fanden sich plötzlich aus einem
Besitz vertrieben, den sie für höchst rechtmäßig gehalten.
Andere sahen sich bedroht. Täglich durchsuchte man in
Rom alte Papiere und fand alle Tage einen neuen Anspruch

1) Disp. 21 Ott. 1581. "Sono molti anni, che la chiesa
non ha havuto pontefice di questo nome Gregorio, che secundo
la sua etimologia greca vuol dire vigilante: questo che e Gre-
gorio e vigilante, vuol vigilare e ricuperare il suo e li par di
far un gran servitio, quando ricupera alcuna cosa, benche mi-
nima.

Buch IV. Staat und Hof.
dem Papſt und ſeinem Kammercommiſſaͤr, ſie wieder ein-
zuloͤſen. So bemaͤchtigten ſie ſich des Schloſſes Sitiano,
indem ſie die Pfandſumme von 14000 Sc. niederlegten, eine
Summe, die den damaligen Werth bei weitem nicht er-
reichte.

Der Papſt that ſich auf dieſe Unternehmungen viel zu
gut. Er glaubte einen Anſpruch mehr auf die Gnade des
Himmels zu erwerben, ſobald es ihm gelang, die Ein-
kuͤnfte der Kirche nur um 10 Sc. zu vermehren, voraus-
geſetzt, ohne neue Auflagen. Er berechnete mit Genug-
thuung, daß man den Ertrag des Kirchenſtaats in Kurzem
auf gerichtlichem Wege um 100000 Sc. vermehrt habe.
Wie viel mehr werde man hierdurch zu Unternehmungen gegen
Ketzer und Unglaͤubige faͤhig. An dem Hofe ſtimmte man
ihm großentheils bei. „Dieſer Papſt heißt der Wachſame“:
(es iſt dieß die Bedeutung von Gregorius) ſagte der Car-
dinal von Como: „er will wachen und das Seine wieder-
erwerben“ 1).

In dem Lande dagegen, unter der Ariſtokratie, mach-
ten dieſe Maaßregeln einen andern Eindruck.

Viele große Familien fanden ſich ploͤtzlich aus einem
Beſitz vertrieben, den ſie fuͤr hoͤchſt rechtmaͤßig gehalten.
Andere ſahen ſich bedroht. Taͤglich durchſuchte man in
Rom alte Papiere und fand alle Tage einen neuen Anſpruch

1) Disp. 21 Ott. 1581. „Sono molti anni, che la chiesa
non ha havuto pontefice di questo nome Gregorio, che secundo
la sua etimologia greca vuol dire vigilante: questo che è Gre-
gorio è vigilante, vuol vigilare e ricuperare il suo e li par di
far un gran servitio, quando ricupera alcuna cosa, benchè mi-
nima.
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[430/0456] Buch IV. Staat und Hof. dem Papſt und ſeinem Kammercommiſſaͤr, ſie wieder ein- zuloͤſen. So bemaͤchtigten ſie ſich des Schloſſes Sitiano, indem ſie die Pfandſumme von 14000 Sc. niederlegten, eine Summe, die den damaligen Werth bei weitem nicht er- reichte. Der Papſt that ſich auf dieſe Unternehmungen viel zu gut. Er glaubte einen Anſpruch mehr auf die Gnade des Himmels zu erwerben, ſobald es ihm gelang, die Ein- kuͤnfte der Kirche nur um 10 Sc. zu vermehren, voraus- geſetzt, ohne neue Auflagen. Er berechnete mit Genug- thuung, daß man den Ertrag des Kirchenſtaats in Kurzem auf gerichtlichem Wege um 100000 Sc. vermehrt habe. Wie viel mehr werde man hierdurch zu Unternehmungen gegen Ketzer und Unglaͤubige faͤhig. An dem Hofe ſtimmte man ihm großentheils bei. „Dieſer Papſt heißt der Wachſame“: (es iſt dieß die Bedeutung von Gregorius) ſagte der Car- dinal von Como: „er will wachen und das Seine wieder- erwerben“ 1). In dem Lande dagegen, unter der Ariſtokratie, mach- ten dieſe Maaßregeln einen andern Eindruck. Viele große Familien fanden ſich ploͤtzlich aus einem Beſitz vertrieben, den ſie fuͤr hoͤchſt rechtmaͤßig gehalten. Andere ſahen ſich bedroht. Taͤglich durchſuchte man in Rom alte Papiere und fand alle Tage einen neuen Anſpruch 1) Disp. 21 Ott. 1581. „Sono molti anni, che la chiesa non ha havuto pontefice di questo nome Gregorio, che secundo la sua etimologia greca vuol dire vigilante: questo che è Gre- gorio è vigilante, vuol vigilare e ricuperare il suo e li par di far un gran servitio, quando ricupera alcuna cosa, benchè mi- nima.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/456>, abgerufen am 25.11.2024.