theile. Da nun die Stadt sich zugleich neuen Auflagen entzog, und ein Castell, auf das sie Anspruch hatte, mit Gewalt einnahm, so kam es zu offenen Mißhelligkeiten. Man bemerke, wie damals noch Regierungen zuweilen ihr Recht geltend machten. Die päpstlichen Beamten ließen das Vieh aus der anconitanischen Feldmark wegtreiben, um zu dem Betrag ihrer Auflage zu gelangen: man nannte das Repressalien.
Indessen war Clemens VII. hiermit nicht zufrieden. Er erwartete nur einen günstigen Augenblick, um sich zum wirklichen Herrn von Ancona zu machen. Nicht ohne Hin- terlist suchte er ihn herbeizuführen.
Indem er eine Festung in Ancona anzulegen befahl, gab er vor, er thue das allein deshalb, weil die türkische Macht, nach ihren Erfolgen in Aegypten und Rhodus in so großer Aufnahme auf dem ganzen Mittelmeer, sich in Kurzem ohne Zweifel auch auf Italien werfe. Welch eine Gefahr sey es denn, wenn Ancona, wo ohnedieß stets eine Anzahl türkischer Fahrzeuge liege, durch keinerlei Werke geschützt werde. Er schickte Antonio Sangallo, die Fe- stung anzulegen. Die Arbeiten gingen auf das rascheste vorwärts: bald nahm eine kleine Mannschaft daselbst Platz. Eben dieß war der Moment, den der Papst erwartete. Als man so weit war, im September 1532, erschien eines Tages der Governator der Mark, Monsignor Bernardino della Barba, zwar ein Priester, aber von kriegerischer Ge- sinnung, mit einem stattlichen Heer, das ihm die Eifer- sucht der Nachbarn zusammengebracht, in dem Gebiete von Ancona, nahm ein Thor ein, rückte sofort auf den Markt-
BuchIV.Staat und Hof.
theile. Da nun die Stadt ſich zugleich neuen Auflagen entzog, und ein Caſtell, auf das ſie Anſpruch hatte, mit Gewalt einnahm, ſo kam es zu offenen Mißhelligkeiten. Man bemerke, wie damals noch Regierungen zuweilen ihr Recht geltend machten. Die paͤpſtlichen Beamten ließen das Vieh aus der anconitaniſchen Feldmark wegtreiben, um zu dem Betrag ihrer Auflage zu gelangen: man nannte das Repreſſalien.
Indeſſen war Clemens VII. hiermit nicht zufrieden. Er erwartete nur einen guͤnſtigen Augenblick, um ſich zum wirklichen Herrn von Ancona zu machen. Nicht ohne Hin- terliſt ſuchte er ihn herbeizufuͤhren.
Indem er eine Feſtung in Ancona anzulegen befahl, gab er vor, er thue das allein deshalb, weil die tuͤrkiſche Macht, nach ihren Erfolgen in Aegypten und Rhodus in ſo großer Aufnahme auf dem ganzen Mittelmeer, ſich in Kurzem ohne Zweifel auch auf Italien werfe. Welch eine Gefahr ſey es denn, wenn Ancona, wo ohnedieß ſtets eine Anzahl tuͤrkiſcher Fahrzeuge liege, durch keinerlei Werke geſchuͤtzt werde. Er ſchickte Antonio Sangallo, die Fe- ſtung anzulegen. Die Arbeiten gingen auf das raſcheſte vorwaͤrts: bald nahm eine kleine Mannſchaft daſelbſt Platz. Eben dieß war der Moment, den der Papſt erwartete. Als man ſo weit war, im September 1532, erſchien eines Tages der Governator der Mark, Monſignor Bernardino della Barba, zwar ein Prieſter, aber von kriegeriſcher Ge- ſinnung, mit einem ſtattlichen Heer, das ihm die Eifer- ſucht der Nachbarn zuſammengebracht, in dem Gebiete von Ancona, nahm ein Thor ein, ruͤckte ſofort auf den Markt-
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Buch IV. Staat und Hof.
theile. Da nun die Stadt ſich zugleich neuen Auflagen
entzog, und ein Caſtell, auf das ſie Anſpruch hatte, mit
Gewalt einnahm, ſo kam es zu offenen Mißhelligkeiten.
Man bemerke, wie damals noch Regierungen zuweilen ihr
Recht geltend machten. Die paͤpſtlichen Beamten ließen
das Vieh aus der anconitaniſchen Feldmark wegtreiben,
um zu dem Betrag ihrer Auflage zu gelangen: man nannte
das Repreſſalien.
Indeſſen war Clemens VII. hiermit nicht zufrieden.
Er erwartete nur einen guͤnſtigen Augenblick, um ſich zum
wirklichen Herrn von Ancona zu machen. Nicht ohne Hin-
terliſt ſuchte er ihn herbeizufuͤhren.
Indem er eine Feſtung in Ancona anzulegen befahl,
gab er vor, er thue das allein deshalb, weil die tuͤrkiſche
Macht, nach ihren Erfolgen in Aegypten und Rhodus in
ſo großer Aufnahme auf dem ganzen Mittelmeer, ſich in
Kurzem ohne Zweifel auch auf Italien werfe. Welch eine
Gefahr ſey es denn, wenn Ancona, wo ohnedieß ſtets eine
Anzahl tuͤrkiſcher Fahrzeuge liege, durch keinerlei Werke
geſchuͤtzt werde. Er ſchickte Antonio Sangallo, die Fe-
ſtung anzulegen. Die Arbeiten gingen auf das raſcheſte
vorwaͤrts: bald nahm eine kleine Mannſchaft daſelbſt Platz.
Eben dieß war der Moment, den der Papſt erwartete.
Als man ſo weit war, im September 1532, erſchien eines
Tages der Governator der Mark, Monſignor Bernardino
della Barba, zwar ein Prieſter, aber von kriegeriſcher Ge-
ſinnung, mit einem ſtattlichen Heer, das ihm die Eifer-
ſucht der Nachbarn zuſammengebracht, in dem Gebiete von
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/422>, abgerufen am 24.11.2024.
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