nach Neapel. Unter großem Zulauf dieses devoten Volks vollzog Orfino seine Visitation in der Hauptstadt, und in einem großen Theile des Königreichs.
Zwar hatte der Papst in Neapel, wie in Mailand nicht selten Streitigkeiten mit den königlichen Behörden. Der König beschwerte sich über die Bulle in Coena Domini: der Papst wollte von dem Exequatur regium nichts wissen; jenem thaten die geistlichen Behörden zu viel, diesem die königlichen zu wenig; zwischen den Vicekönigen und den Erzbischöfen gab es unaufhörliche Reibungen. Am Hofe von Madrid war man wie gesagt oft von Herzen mißver- gnügt, und der Beichtvater des Königs beklagte sich laut. Indessen kam es doch zu keinem Ausbruch eines Mißver- ständnisses. Beide Fürsten maßen immer den Behörden, den Räthen des Andern die vornehmste Schuld bei. Sie selber blieben persönlich in vertraulichem Verhältniß. Als Philipp II. einmal krank war, erhob Pius V. seine Hände und bat Gott, denselben von seiner Krankheit zu befreien; der alte Mann betete, Gott möge ihm einige Jahre abnehmen und sie dem König zulegen, an dessen Le- ben mehr gelegen sey, als an dem seinigen.
Auch wurde Spanien sonst völlig in dem Sinne der kirchlichen Restauration regiert. Der König war einen Augenblick zweifelhaft gewesen, ob er die tridentinischen Beschlüsse ohne weiteres anerkennen solle oder nicht; und we- nigstens hätte er die päpstliche Macht in dem Rechte, Zu- geständnisse im Widerspruch mit denselben zu machen, gern beschränken mögen: -- allein der geistliche Character seiner Monarchie stand jedem Versuch dieser Art entgegen; er sah
PiusV.
nach Neapel. Unter großem Zulauf dieſes devoten Volks vollzog Orfino ſeine Viſitation in der Hauptſtadt, und in einem großen Theile des Koͤnigreichs.
Zwar hatte der Papſt in Neapel, wie in Mailand nicht ſelten Streitigkeiten mit den koͤniglichen Behoͤrden. Der Koͤnig beſchwerte ſich uͤber die Bulle in Coena Domini: der Papſt wollte von dem Exequatur regium nichts wiſſen; jenem thaten die geiſtlichen Behoͤrden zu viel, dieſem die koͤniglichen zu wenig; zwiſchen den Vicekoͤnigen und den Erzbiſchoͤfen gab es unaufhoͤrliche Reibungen. Am Hofe von Madrid war man wie geſagt oft von Herzen mißver- gnuͤgt, und der Beichtvater des Koͤnigs beklagte ſich laut. Indeſſen kam es doch zu keinem Ausbruch eines Mißver- ſtaͤndniſſes. Beide Fuͤrſten maßen immer den Behoͤrden, den Raͤthen des Andern die vornehmſte Schuld bei. Sie ſelber blieben perſoͤnlich in vertraulichem Verhaͤltniß. Als Philipp II. einmal krank war, erhob Pius V. ſeine Haͤnde und bat Gott, denſelben von ſeiner Krankheit zu befreien; der alte Mann betete, Gott moͤge ihm einige Jahre abnehmen und ſie dem Koͤnig zulegen, an deſſen Le- ben mehr gelegen ſey, als an dem ſeinigen.
Auch wurde Spanien ſonſt voͤllig in dem Sinne der kirchlichen Reſtauration regiert. Der Koͤnig war einen Augenblick zweifelhaft geweſen, ob er die tridentiniſchen Beſchluͤſſe ohne weiteres anerkennen ſolle oder nicht; und we- nigſtens haͤtte er die paͤpſtliche Macht in dem Rechte, Zu- geſtaͤndniſſe im Widerſpruch mit denſelben zu machen, gern beſchraͤnken moͤgen: — allein der geiſtliche Character ſeiner Monarchie ſtand jedem Verſuch dieſer Art entgegen; er ſah
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Pius V.
nach Neapel. Unter großem Zulauf dieſes devoten Volks
vollzog Orfino ſeine Viſitation in der Hauptſtadt, und
in einem großen Theile des Koͤnigreichs.
Zwar hatte der Papſt in Neapel, wie in Mailand
nicht ſelten Streitigkeiten mit den koͤniglichen Behoͤrden.
Der Koͤnig beſchwerte ſich uͤber die Bulle in Coena Domini:
der Papſt wollte von dem Exequatur regium nichts wiſſen;
jenem thaten die geiſtlichen Behoͤrden zu viel, dieſem die
koͤniglichen zu wenig; zwiſchen den Vicekoͤnigen und den
Erzbiſchoͤfen gab es unaufhoͤrliche Reibungen. Am Hofe
von Madrid war man wie geſagt oft von Herzen mißver-
gnuͤgt, und der Beichtvater des Koͤnigs beklagte ſich laut.
Indeſſen kam es doch zu keinem Ausbruch eines Mißver-
ſtaͤndniſſes. Beide Fuͤrſten maßen immer den Behoͤrden,
den Raͤthen des Andern die vornehmſte Schuld bei. Sie
ſelber blieben perſoͤnlich in vertraulichem Verhaͤltniß. Als
Philipp II. einmal krank war, erhob Pius V. ſeine
Haͤnde und bat Gott, denſelben von ſeiner Krankheit zu
befreien; der alte Mann betete, Gott moͤge ihm einige
Jahre abnehmen und ſie dem Koͤnig zulegen, an deſſen Le-
ben mehr gelegen ſey, als an dem ſeinigen.
Auch wurde Spanien ſonſt voͤllig in dem Sinne der
kirchlichen Reſtauration regiert. Der Koͤnig war einen
Augenblick zweifelhaft geweſen, ob er die tridentiniſchen
Beſchluͤſſe ohne weiteres anerkennen ſolle oder nicht; und we-
nigſtens haͤtte er die paͤpſtliche Macht in dem Rechte, Zu-
geſtaͤndniſſe im Widerſpruch mit denſelben zu machen, gern
beſchraͤnken moͤgen: — allein der geiſtliche Character ſeiner
Monarchie ſtand jedem Verſuch dieſer Art entgegen; er ſah
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/393>, abgerufen am 24.11.2024.
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