weihung des Sonntags und Gotteslästerungen fest. Bei den Vornehmeren sind es Geldstrafen. "Ein gemeiner Mann aber, welcher nicht bezahlen kann, soll bei dem er- sten Male einen Tag über vor den Kirchthüren stehen, die Hände auf den Rücken gebunden: beim zweiten soll er durch die Stadt gegeißelt werden: beim dritten Male wird man ihm die Zunge durchbohren und ihn auf die Ga- leeren schicken."
So ist der Styl seiner Verordnungen überhaupt: wie oft hat man ihm sagen müssen, er habe es nicht mit En- geln, sondern mit Menschen zu thun 1).
Die jetzt so dringende Rücksicht auf die weltlichen Gewalten hielt ihn hierin nicht auf: die Bulle in Coena Domini, über welche sich die Fürsten von jeher beklagt, ließ er nicht allein aufs neue verkündigen: er schärfte sie auch mit einigen besondern Zusätzen; ganz im Allgemeinen schien er darin den Regierungen das Recht abzusprechen, neue Abgaben aufzulegen.
Es versteht sich, daß auf so gewaltige Eingriffe auch Rückwirkungen erfolgten. Nicht allein, daß die Forderun- gen niemals befriedigt werden können, die ein Mensch von dieser Strenge an die Welt machen zu dürfen glaubt: es zeigte sich auch ein absichtlicher Widerstand; unzählige Miß- helligkeiten entstanden. So devot Philipp II. auch war,
1) In den Informationi Politiche XII. findet sich z. E. eine epistola a N. S. Pio V. nella quale si esorta S. S. tolerare gli Ebrei et le corteggiane, von einem gewissen Bertano, die dar- auf hinausläuft. Die Caporionen baten den Papst wenigstens um die letzte Toleranz. Der Papst antwortete, er wolle lieber Rom ver- lassen, als durch die Finger sehen.
PiusV.
weihung des Sonntags und Gotteslaͤſterungen feſt. Bei den Vornehmeren ſind es Geldſtrafen. „Ein gemeiner Mann aber, welcher nicht bezahlen kann, ſoll bei dem er- ſten Male einen Tag uͤber vor den Kirchthuͤren ſtehen, die Haͤnde auf den Ruͤcken gebunden: beim zweiten ſoll er durch die Stadt gegeißelt werden: beim dritten Male wird man ihm die Zunge durchbohren und ihn auf die Ga- leeren ſchicken.“
So iſt der Styl ſeiner Verordnungen uͤberhaupt: wie oft hat man ihm ſagen muͤſſen, er habe es nicht mit En- geln, ſondern mit Menſchen zu thun 1).
Die jetzt ſo dringende Ruͤckſicht auf die weltlichen Gewalten hielt ihn hierin nicht auf: die Bulle in Coena Domini, uͤber welche ſich die Fuͤrſten von jeher beklagt, ließ er nicht allein aufs neue verkuͤndigen: er ſchaͤrfte ſie auch mit einigen beſondern Zuſaͤtzen; ganz im Allgemeinen ſchien er darin den Regierungen das Recht abzuſprechen, neue Abgaben aufzulegen.
Es verſteht ſich, daß auf ſo gewaltige Eingriffe auch Ruͤckwirkungen erfolgten. Nicht allein, daß die Forderun- gen niemals befriedigt werden koͤnnen, die ein Menſch von dieſer Strenge an die Welt machen zu duͤrfen glaubt: es zeigte ſich auch ein abſichtlicher Widerſtand; unzaͤhlige Miß- helligkeiten entſtanden. So devot Philipp II. auch war,
1) In den Informationi Politiche XII. findet ſich z. E. eine epistola a N. S. Pio V. nella quale si esorta S. S. tolerare gli Ebrei et le corteggiane, von einem gewiſſen Bertano, die dar- auf hinauslaͤuft. Die Caporionen baten den Papſt wenigſtens um die letzte Toleranz. Der Papſt antwortete, er wolle lieber Rom ver- laſſen, als durch die Finger ſehen.
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Pius V.
weihung des Sonntags und Gotteslaͤſterungen feſt. Bei
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Mann aber, welcher nicht bezahlen kann, ſoll bei dem er-
ſten Male einen Tag uͤber vor den Kirchthuͤren ſtehen, die
Haͤnde auf den Ruͤcken gebunden: beim zweiten ſoll er
durch die Stadt gegeißelt werden: beim dritten Male
wird man ihm die Zunge durchbohren und ihn auf die Ga-
leeren ſchicken.“
So iſt der Styl ſeiner Verordnungen uͤberhaupt: wie
oft hat man ihm ſagen muͤſſen, er habe es nicht mit En-
geln, ſondern mit Menſchen zu thun 1).
Die jetzt ſo dringende Ruͤckſicht auf die weltlichen
Gewalten hielt ihn hierin nicht auf: die Bulle in Coena
Domini, uͤber welche ſich die Fuͤrſten von jeher beklagt,
ließ er nicht allein aufs neue verkuͤndigen: er ſchaͤrfte ſie
auch mit einigen beſondern Zuſaͤtzen; ganz im Allgemeinen
ſchien er darin den Regierungen das Recht abzuſprechen,
neue Abgaben aufzulegen.
Es verſteht ſich, daß auf ſo gewaltige Eingriffe auch
Ruͤckwirkungen erfolgten. Nicht allein, daß die Forderun-
gen niemals befriedigt werden koͤnnen, die ein Menſch von
dieſer Strenge an die Welt machen zu duͤrfen glaubt: es
zeigte ſich auch ein abſichtlicher Widerſtand; unzaͤhlige Miß-
helligkeiten entſtanden. So devot Philipp II. auch war,
1) In den Informationi Politiche XII. findet ſich z. E. eine
epistola a N. S. Pio V. nella quale si esorta S. S. tolerare
gli Ebrei et le corteggiane, von einem gewiſſen Bertano, die dar-
auf hinauslaͤuft. Die Caporionen baten den Papſt wenigſtens um
die letzte Toleranz. Der Papſt antwortete, er wolle lieber Rom ver-
laſſen, als durch die Finger ſehen.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/383>, abgerufen am 26.07.2024.
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