In der That kam Morone -- der ohnehin schon lange das Vertrauen des Hauses Oestreich genoß -- über diese empfindlichsten Stellen glücklich hinweg: er beschwichtigte die ungünstigen persönlichen Eindrücke, die der Kaiser empfangen, und machte sich nun daran, über diejenigen Streitpunkte, welche die großen Zerwürfnisse in Trient veranlaßt hatten, eine wechselseitige Uebereinkunft zu ver- suchen. In den wesentlichen Dingen nachzugeben, die Au- torität des Papstes schwächen zu lassen, war nicht seine Meinung: "es kam darauf an," sagt er selbst, "solche Bestimmungen zu treffen, daß der Kaiser glauben konnte, Genugthuung empfangen zu haben, ohne daß man doch der Autorität des Papstes oder der Legaten zu nahe getre- ten wäre" 1).
Der erste von diesen Punkten war die ausschließende Initiative der Legaten, von der man immer behauptet, sie laufe den Freiheiten eines Conciliums entgegen. Morone bemerkte, daß es nicht im Interesse des Fürsten sey, allen Prälaten die Initiative zu gewähren. Es konnte ihm nicht sehr schwer werden, den Kaiser davon zu überzeugen. Es war leicht zu sehen, daß die Bischöfe im Besitze dieses Rechtes gar bald auch Vorschläge in einem den bisherigen Ansprü- chen und Rechten des Staates entgegenlaufenden Sinne machen würden. Augenscheinlich war, welche Verwirrung aus einem solchen Zugeständniß entstehen mußte. Den-
1)Fu necessario trovare temperamento tale, che paresse all' imperatore, di essere in alcun modo satisfatto et insieme non si pregiudicasse all' autorita del papa ne de' legati, ma re- stasse il concilio nel suo possesso.
PiusIV.Spaͤtere Sitzungen d. Concil. v. Trient.
In der That kam Morone — der ohnehin ſchon lange das Vertrauen des Hauſes Oeſtreich genoß — uͤber dieſe empfindlichſten Stellen gluͤcklich hinweg: er beſchwichtigte die unguͤnſtigen perſoͤnlichen Eindruͤcke, die der Kaiſer empfangen, und machte ſich nun daran, uͤber diejenigen Streitpunkte, welche die großen Zerwuͤrfniſſe in Trient veranlaßt hatten, eine wechſelſeitige Uebereinkunft zu ver- ſuchen. In den weſentlichen Dingen nachzugeben, die Au- toritaͤt des Papſtes ſchwaͤchen zu laſſen, war nicht ſeine Meinung: „es kam darauf an,“ ſagt er ſelbſt, „ſolche Beſtimmungen zu treffen, daß der Kaiſer glauben konnte, Genugthuung empfangen zu haben, ohne daß man doch der Autoritaͤt des Papſtes oder der Legaten zu nahe getre- ten waͤre“ 1).
Der erſte von dieſen Punkten war die ausſchließende Initiative der Legaten, von der man immer behauptet, ſie laufe den Freiheiten eines Conciliums entgegen. Morone bemerkte, daß es nicht im Intereſſe des Fuͤrſten ſey, allen Praͤlaten die Initiative zu gewaͤhren. Es konnte ihm nicht ſehr ſchwer werden, den Kaiſer davon zu uͤberzeugen. Es war leicht zu ſehen, daß die Biſchoͤfe im Beſitze dieſes Rechtes gar bald auch Vorſchlaͤge in einem den bisherigen Anſpruͤ- chen und Rechten des Staates entgegenlaufenden Sinne machen wuͤrden. Augenſcheinlich war, welche Verwirrung aus einem ſolchen Zugeſtaͤndniß entſtehen mußte. Den-
1)Fu necessario trovare temperamento tale, che paresse all’ imperatore, di essere in alcun modo satisfatto et insieme non si pregiudicasse all’ autorità del papa ne de’ legati, ma re- stasse il concilio nel suo possesso.
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Pius IV. Spaͤtere Sitzungen d. Concil. v. Trient.
In der That kam Morone — der ohnehin ſchon lange
das Vertrauen des Hauſes Oeſtreich genoß — uͤber dieſe
empfindlichſten Stellen gluͤcklich hinweg: er beſchwichtigte
die unguͤnſtigen perſoͤnlichen Eindruͤcke, die der Kaiſer
empfangen, und machte ſich nun daran, uͤber diejenigen
Streitpunkte, welche die großen Zerwuͤrfniſſe in Trient
veranlaßt hatten, eine wechſelſeitige Uebereinkunft zu ver-
ſuchen. In den weſentlichen Dingen nachzugeben, die Au-
toritaͤt des Papſtes ſchwaͤchen zu laſſen, war nicht ſeine
Meinung: „es kam darauf an,“ ſagt er ſelbſt, „ſolche
Beſtimmungen zu treffen, daß der Kaiſer glauben konnte,
Genugthuung empfangen zu haben, ohne daß man doch
der Autoritaͤt des Papſtes oder der Legaten zu nahe getre-
ten waͤre“ 1).
Der erſte von dieſen Punkten war die ausſchließende
Initiative der Legaten, von der man immer behauptet, ſie
laufe den Freiheiten eines Conciliums entgegen. Morone
bemerkte, daß es nicht im Intereſſe des Fuͤrſten ſey, allen
Praͤlaten die Initiative zu gewaͤhren. Es konnte ihm nicht
ſehr ſchwer werden, den Kaiſer davon zu uͤberzeugen. Es war
leicht zu ſehen, daß die Biſchoͤfe im Beſitze dieſes Rechtes
gar bald auch Vorſchlaͤge in einem den bisherigen Anſpruͤ-
chen und Rechten des Staates entgegenlaufenden Sinne
machen wuͤrden. Augenſcheinlich war, welche Verwirrung
aus einem ſolchen Zugeſtaͤndniß entſtehen mußte. Den-
1) Fu necessario trovare temperamento tale, che paresse
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/361>, abgerufen am 24.11.2024.
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