kommen seyen: nur unter den Trümmern sehe man noch ein paar Alte, ein paar Kinder stehen.
Bald waren auch diese nicht mehr, und es trat eine Verwandelung ohne Gleichen ein.
Aus den Catacomben stieg die Verehrung der Märty- rer hervor; an den Stellen, wo die olympischen Götter angebetet worden, aus den nämlichen Säulen, die deren Tempel getragen, erhoben sich Heiligthümer, zum Gedächt- niß derjenigen, die diesen Dienst verschmähet und darüber den Tod gefunden hatten. Der Cultus, den man in Ein- öden und Gefängnissen begonnen, nahm die Welt ein. Man verwundert sich zuweilen, daß gerade ein weltliches Ge- bäude der Heiden, die Basilika, zu einem christlichen um- gewandelt worden. Es hat dieß doch etwas sehr Bezeich- nendes. Die Apsis der Basilika enthielt ein Augusteum 1) die Bilder eben jener Cäsaren, denen man göttliche Ehre erwies. An die Stelle derselben trat, wie wir es in so vielen Basiliken noch heute sehen, das Bild Christi und der Apostel; an die Stelle der Weltherrscher, die selber als Götter betrachtet wurden, trat der Menschensohn, Gottes- sohn. Die localen Gottheiten wichen, verschwanden. An allen Landstraßen, auf der steilen Höhe des Gebirgs, in den Pässen durch die Thalschluchten, auf den Dächern der Häuser, in der Mosaik der Fußböden sah man das Kreuz. Es war ein entscheidender vollständiger Sieg. Wie man auf den Münzen Constantins das Labarum mit dem Mono- gramm Christi über dem besiegten Drachen erblickt, so er-
1) Ich nehme diese Notiz aus E. Q. Visconti: zum Museo Pio-Clementino. VII, p. 100. (Ausg. v. 1807.)
Das Chriſtenthum in dem roͤm. Reiche.
kommen ſeyen: nur unter den Truͤmmern ſehe man noch ein paar Alte, ein paar Kinder ſtehen.
Bald waren auch dieſe nicht mehr, und es trat eine Verwandelung ohne Gleichen ein.
Aus den Catacomben ſtieg die Verehrung der Maͤrty- rer hervor; an den Stellen, wo die olympiſchen Goͤtter angebetet worden, aus den naͤmlichen Saͤulen, die deren Tempel getragen, erhoben ſich Heiligthuͤmer, zum Gedaͤcht- niß derjenigen, die dieſen Dienſt verſchmaͤhet und daruͤber den Tod gefunden hatten. Der Cultus, den man in Ein- oͤden und Gefaͤngniſſen begonnen, nahm die Welt ein. Man verwundert ſich zuweilen, daß gerade ein weltliches Ge- baͤude der Heiden, die Baſilika, zu einem chriſtlichen um- gewandelt worden. Es hat dieß doch etwas ſehr Bezeich- nendes. Die Apſis der Baſilika enthielt ein Auguſteum 1) die Bilder eben jener Caͤſaren, denen man goͤttliche Ehre erwies. An die Stelle derſelben trat, wie wir es in ſo vielen Baſiliken noch heute ſehen, das Bild Chriſti und der Apoſtel; an die Stelle der Weltherrſcher, die ſelber als Goͤtter betrachtet wurden, trat der Menſchenſohn, Gottes- ſohn. Die localen Gottheiten wichen, verſchwanden. An allen Landſtraßen, auf der ſteilen Hoͤhe des Gebirgs, in den Paͤſſen durch die Thalſchluchten, auf den Daͤchern der Haͤuſer, in der Moſaik der Fußboͤden ſah man das Kreuz. Es war ein entſcheidender vollſtaͤndiger Sieg. Wie man auf den Muͤnzen Conſtantins das Labarum mit dem Mono- gramm Chriſti uͤber dem beſiegten Drachen erblickt, ſo er-
1) Ich nehme dieſe Notiz aus E. Q. Visconti: zum Museo Pio-Clementino. VII, p. 100. (Ausg. v. 1807.)
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Das Chriſtenthum in dem roͤm. Reiche.
kommen ſeyen: nur unter den Truͤmmern ſehe man noch
ein paar Alte, ein paar Kinder ſtehen.
Bald waren auch dieſe nicht mehr, und es trat eine
Verwandelung ohne Gleichen ein.
Aus den Catacomben ſtieg die Verehrung der Maͤrty-
rer hervor; an den Stellen, wo die olympiſchen Goͤtter
angebetet worden, aus den naͤmlichen Saͤulen, die deren
Tempel getragen, erhoben ſich Heiligthuͤmer, zum Gedaͤcht-
niß derjenigen, die dieſen Dienſt verſchmaͤhet und daruͤber
den Tod gefunden hatten. Der Cultus, den man in Ein-
oͤden und Gefaͤngniſſen begonnen, nahm die Welt ein. Man
verwundert ſich zuweilen, daß gerade ein weltliches Ge-
baͤude der Heiden, die Baſilika, zu einem chriſtlichen um-
gewandelt worden. Es hat dieß doch etwas ſehr Bezeich-
nendes. Die Apſis der Baſilika enthielt ein Auguſteum 1)
die Bilder eben jener Caͤſaren, denen man goͤttliche Ehre
erwies. An die Stelle derſelben trat, wie wir es in ſo
vielen Baſiliken noch heute ſehen, das Bild Chriſti und
der Apoſtel; an die Stelle der Weltherrſcher, die ſelber als
Goͤtter betrachtet wurden, trat der Menſchenſohn, Gottes-
ſohn. Die localen Gottheiten wichen, verſchwanden. An
allen Landſtraßen, auf der ſteilen Hoͤhe des Gebirgs, in
den Paͤſſen durch die Thalſchluchten, auf den Daͤchern der
Haͤuſer, in der Moſaik der Fußboͤden ſah man das Kreuz.
Es war ein entſcheidender vollſtaͤndiger Sieg. Wie man
auf den Muͤnzen Conſtantins das Labarum mit dem Mono-
gramm Chriſti uͤber dem beſiegten Drachen erblickt, ſo er-
1) Ich nehme dieſe Notiz aus E. Q. Visconti: zum Museo
Pio-Clementino. VII, p. 100. (Ausg. v. 1807.)
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/35>, abgerufen am 31.01.2025.
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