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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch III. Die Päpste um d. Mitte d. 16. Jahrh.
kern, die Borromeo, der noch jung war, nicht verschmähte,
ging man doch sehr bald auch in diesen Stunden der Muße
zu kirchlichen Fragen über 1). Tadelte man etwas an
ihm, so war es nicht sein guter Wille, sein Fleiß: son-
dern nur etwa sein Talent; oder seine Diener klagten, daß
sie die reichlichen Gunstbezeugungen entbehren müßten, wie
sie von früheren Nepoten ausgegangen.

Und so ersetzten die Eigenschaften des Neffen, was die
Strenggesinnten an dem Oheim hätten vermissen können.
Auf jeden Fall blieb man ganz auf dem eingeschlagenen
Wege: geistliche und weltliche Geschäfte wurden mit Eifer
und nach den Rücksichten der Kirche vollzogen, die Re-
formen fortgesetzt. Der Papst ermahnte öffentlich die Bi-
schöfe zur Residenz, und Einige sah man unverzüglich ihm
den Fuß küssen und sich beurlauben. In den einmal zur
Herrschaft gekommenen allgemeinen Ideen liegt eine nöthi-
gende Gewalt. Die ernsten Tendenzen kirchlicher Gesin-
nung hatten in Rom das Uebergewicht bekommen und lie-
ßen selbst in dem Papste keine Abweichung weiter zu.

War nun aber die weltlichere Richtung dieses Pap-
stes der Restauration eines strengen geistlichen Wesens nicht
nachtheilig, so dürfen wir hinzufügen, daß sie auf einer
andern Seite zur Beilegung der in der katholischen Welt
aufgeregten Entzweiungen sogar unendlich viel beitragen
mußte.

Paul IV. hatte gemeint, es sey mit die Bestimmung
eines Papstes, Kaiser und Könige zu unterwerfen: deshalb

1) Es sind die Noctes vaticanae, deren Glussianus erwähnt:
Vita Caroli Borromei I, IV, 22.

Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
kern, die Borromeo, der noch jung war, nicht verſchmaͤhte,
ging man doch ſehr bald auch in dieſen Stunden der Muße
zu kirchlichen Fragen uͤber 1). Tadelte man etwas an
ihm, ſo war es nicht ſein guter Wille, ſein Fleiß: ſon-
dern nur etwa ſein Talent; oder ſeine Diener klagten, daß
ſie die reichlichen Gunſtbezeugungen entbehren muͤßten, wie
ſie von fruͤheren Nepoten ausgegangen.

Und ſo erſetzten die Eigenſchaften des Neffen, was die
Strenggeſinnten an dem Oheim haͤtten vermiſſen koͤnnen.
Auf jeden Fall blieb man ganz auf dem eingeſchlagenen
Wege: geiſtliche und weltliche Geſchaͤfte wurden mit Eifer
und nach den Ruͤckſichten der Kirche vollzogen, die Re-
formen fortgeſetzt. Der Papſt ermahnte oͤffentlich die Bi-
ſchoͤfe zur Reſidenz, und Einige ſah man unverzuͤglich ihm
den Fuß kuͤſſen und ſich beurlauben. In den einmal zur
Herrſchaft gekommenen allgemeinen Ideen liegt eine noͤthi-
gende Gewalt. Die ernſten Tendenzen kirchlicher Geſin-
nung hatten in Rom das Uebergewicht bekommen und lie-
ßen ſelbſt in dem Papſte keine Abweichung weiter zu.

War nun aber die weltlichere Richtung dieſes Pap-
ſtes der Reſtauration eines ſtrengen geiſtlichen Weſens nicht
nachtheilig, ſo duͤrfen wir hinzufuͤgen, daß ſie auf einer
andern Seite zur Beilegung der in der katholiſchen Welt
aufgeregten Entzweiungen ſogar unendlich viel beitragen
mußte.

Paul IV. hatte gemeint, es ſey mit die Beſtimmung
eines Papſtes, Kaiſer und Koͤnige zu unterwerfen: deshalb

1) Es ſind die Noctes vaticanae, deren Glussianus erwaͤhnt:
Vita Caroli Borromei I, IV, 22.
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[322/0348] Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh. kern, die Borromeo, der noch jung war, nicht verſchmaͤhte, ging man doch ſehr bald auch in dieſen Stunden der Muße zu kirchlichen Fragen uͤber 1). Tadelte man etwas an ihm, ſo war es nicht ſein guter Wille, ſein Fleiß: ſon- dern nur etwa ſein Talent; oder ſeine Diener klagten, daß ſie die reichlichen Gunſtbezeugungen entbehren muͤßten, wie ſie von fruͤheren Nepoten ausgegangen. Und ſo erſetzten die Eigenſchaften des Neffen, was die Strenggeſinnten an dem Oheim haͤtten vermiſſen koͤnnen. Auf jeden Fall blieb man ganz auf dem eingeſchlagenen Wege: geiſtliche und weltliche Geſchaͤfte wurden mit Eifer und nach den Ruͤckſichten der Kirche vollzogen, die Re- formen fortgeſetzt. Der Papſt ermahnte oͤffentlich die Bi- ſchoͤfe zur Reſidenz, und Einige ſah man unverzuͤglich ihm den Fuß kuͤſſen und ſich beurlauben. In den einmal zur Herrſchaft gekommenen allgemeinen Ideen liegt eine noͤthi- gende Gewalt. Die ernſten Tendenzen kirchlicher Geſin- nung hatten in Rom das Uebergewicht bekommen und lie- ßen ſelbſt in dem Papſte keine Abweichung weiter zu. War nun aber die weltlichere Richtung dieſes Pap- ſtes der Reſtauration eines ſtrengen geiſtlichen Weſens nicht nachtheilig, ſo duͤrfen wir hinzufuͤgen, daß ſie auf einer andern Seite zur Beilegung der in der katholiſchen Welt aufgeregten Entzweiungen ſogar unendlich viel beitragen mußte. Paul IV. hatte gemeint, es ſey mit die Beſtimmung eines Papſtes, Kaiſer und Koͤnige zu unterwerfen: deshalb 1) Es ſind die Noctes vaticanae, deren Glussianus erwaͤhnt: Vita Caroli Borromei I, IV, 22.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/348>, abgerufen am 24.11.2024.