Tage vorübergehn, die für Segnatura und Consistorium be- stimmt waren: niemals aber den Donnerstag, an welchem sich die Congregation der Inquisition vor ihm versammelte. Auf das schärfste wollte er diese gehandhabt wissen. Er un- terwarf ihr noch neue Verbrechen: er gab ihr das grausame Recht, auch zur Ermittelung der Mitschuldigen die Tortur anzuwenden: bei ihm galt kein Ansehn der Person: die vor- nehmsten Barone zog er vor dieß Gericht; Cardinäle, wie Morone und Foscherari, die früherhin selbst waren gebraucht worden, um den Inhalt bedeutender Bücher, z. B. der geistlichen Uebungen des Ignatius zu prüfen, ließ er jetzt, weil ihm Zweifel an ihrer eigenen Rechtgläubigkeit auf- gestiegen, ins Gefängniß werfen. Das Fest San Dome- nico richtete er zu Ehren dieses großen Inquisitors ein.
Und so bekam die geistlich-strenge, restauratorische Richtung des Papstthums das Uebergewicht.
Paul IV. schien fast vergessen zu haben, daß er je eine andere gehegt; das Andenken an die verflossenen Zei- ten war in ihm erloschen. Er lebte und webte in seinen Reformen, in seiner Inquisition, gab Gesetze, nahm gefan- gen, excommunicirte, und hielt Auto da Fe's. Endlich, wie ihn eine Krankheit, keine andere, als die auch ei- nem Jüngern den Tod hätte bringen können, niederwirft, beruft er die Cardinäle noch einmal, empfiehlt seine Seele ihrem Gebet, ihrer Sorgfalt den heiligen Stuhl und die Inquisition: noch einmal will er sich zusammennehmen und aufrichten. Da versagen ihm die Kräfte, er sinkt hin und stirbt (18. Aug. 1559).
Darin wenigstens sind diese entschiedenen, leidenschaft-
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PaulIV.
Tage voruͤbergehn, die fuͤr Segnatura und Conſiſtorium be- ſtimmt waren: niemals aber den Donnerſtag, an welchem ſich die Congregation der Inquiſition vor ihm verſammelte. Auf das ſchaͤrfſte wollte er dieſe gehandhabt wiſſen. Er un- terwarf ihr noch neue Verbrechen: er gab ihr das grauſame Recht, auch zur Ermittelung der Mitſchuldigen die Tortur anzuwenden: bei ihm galt kein Anſehn der Perſon: die vor- nehmſten Barone zog er vor dieß Gericht; Cardinaͤle, wie Morone und Foscherari, die fruͤherhin ſelbſt waren gebraucht worden, um den Inhalt bedeutender Buͤcher, z. B. der geiſtlichen Uebungen des Ignatius zu pruͤfen, ließ er jetzt, weil ihm Zweifel an ihrer eigenen Rechtglaͤubigkeit auf- geſtiegen, ins Gefaͤngniß werfen. Das Feſt San Dome- nico richtete er zu Ehren dieſes großen Inquiſitors ein.
Und ſo bekam die geiſtlich-ſtrenge, reſtauratoriſche Richtung des Papſtthums das Uebergewicht.
Paul IV. ſchien faſt vergeſſen zu haben, daß er je eine andere gehegt; das Andenken an die verfloſſenen Zei- ten war in ihm erloſchen. Er lebte und webte in ſeinen Reformen, in ſeiner Inquiſition, gab Geſetze, nahm gefan- gen, excommunicirte, und hielt Auto da Fe’s. Endlich, wie ihn eine Krankheit, keine andere, als die auch ei- nem Juͤngern den Tod haͤtte bringen koͤnnen, niederwirft, beruft er die Cardinaͤle noch einmal, empfiehlt ſeine Seele ihrem Gebet, ihrer Sorgfalt den heiligen Stuhl und die Inquiſition: noch einmal will er ſich zuſammennehmen und aufrichten. Da verſagen ihm die Kraͤfte, er ſinkt hin und ſtirbt (18. Aug. 1559).
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Paul IV.
Tage voruͤbergehn, die fuͤr Segnatura und Conſiſtorium be-
ſtimmt waren: niemals aber den Donnerſtag, an welchem
ſich die Congregation der Inquiſition vor ihm verſammelte.
Auf das ſchaͤrfſte wollte er dieſe gehandhabt wiſſen. Er un-
terwarf ihr noch neue Verbrechen: er gab ihr das grauſame
Recht, auch zur Ermittelung der Mitſchuldigen die Tortur
anzuwenden: bei ihm galt kein Anſehn der Perſon: die vor-
nehmſten Barone zog er vor dieß Gericht; Cardinaͤle, wie
Morone und Foscherari, die fruͤherhin ſelbſt waren gebraucht
worden, um den Inhalt bedeutender Buͤcher, z. B. der
geiſtlichen Uebungen des Ignatius zu pruͤfen, ließ er jetzt,
weil ihm Zweifel an ihrer eigenen Rechtglaͤubigkeit auf-
geſtiegen, ins Gefaͤngniß werfen. Das Feſt San Dome-
nico richtete er zu Ehren dieſes großen Inquiſitors ein.
Und ſo bekam die geiſtlich-ſtrenge, reſtauratoriſche
Richtung des Papſtthums das Uebergewicht.
Paul IV. ſchien faſt vergeſſen zu haben, daß er je
eine andere gehegt; das Andenken an die verfloſſenen Zei-
ten war in ihm erloſchen. Er lebte und webte in ſeinen
Reformen, in ſeiner Inquiſition, gab Geſetze, nahm gefan-
gen, excommunicirte, und hielt Auto da Fe’s. Endlich,
wie ihn eine Krankheit, keine andere, als die auch ei-
nem Juͤngern den Tod haͤtte bringen koͤnnen, niederwirft,
beruft er die Cardinaͤle noch einmal, empfiehlt ſeine Seele
ihrem Gebet, ihrer Sorgfalt den heiligen Stuhl und die
Inquiſition: noch einmal will er ſich zuſammennehmen und
aufrichten. Da verſagen ihm die Kraͤfte, er ſinkt hin und
ſtirbt (18. Aug. 1559).
Darin wenigſtens ſind dieſe entſchiedenen, leidenſchaft-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/331>, abgerufen am 26.07.2024.
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