Noch einmal hatten die antiken Religionen ihre poli- tische Richtung geltend gemacht. Die Summe aller jener Autonomien, welche einst die Welt erfüllt, ihr Gesammt- inhalt war einem Einzigen zu Theil geworden; es gab nur noch eine einzige Gewalt, die von sich selber abhängig zu seyn schien; an diese schlossen sie sich an: sie widmeten dem Imperator göttliche Verehrung 1). Man richtete ihm Tempel auf, opferte ihm auf Altären, schwur bei seinem Namen, und feierte ihm Feste; seine Bildnisse gewährten ein Asyl. Die Verehrung, die dem Genius des Impera- tors gewidmet wurde, war vielleicht die einzige allgemeine die es in dem Reiche gab. Alle Götzendienste bequemten sich ihr: sie war eine Stütze derselben.
Gegen das Christenthum aber trat sie, wie man leicht einsieht, in den schärfsten Gegensatz, der sich denken läßt.
Der Imperator faßte die Religion in dem weltlich- sten Bezuge, -- an die Erde und ihre Güter gebunden: ihm seyen dieselben übergeben, sagt Celsus, was man habe, komme von ihm. Das Christenthum faßte sie in der Fülle des Geistes und der überirdischen Wahrheit.
Der Imperator vereinigte Staat und Religion; das Christenthum trennte vor allem das was Gottes, von dem was des Kaisers ist.
Indem man dem Imperator opferte, bekannte man sich zur tiefsten Knechtschaft. Eben darin, worin bei der
1)Eckhel: Doctrina numorum veterum P. II, vol. VIII. p. 456; er führt eine Stelle des Tertullian an (apol. c. 28), aus der sich zu ergeben scheint, daß die Verehrung des Cäsars zuweilen auch die lebhafteste war.
Das Chriſtenthum in dem roͤm. Reiche.
Noch einmal hatten die antiken Religionen ihre poli- tiſche Richtung geltend gemacht. Die Summe aller jener Autonomien, welche einſt die Welt erfuͤllt, ihr Geſammt- inhalt war einem Einzigen zu Theil geworden; es gab nur noch eine einzige Gewalt, die von ſich ſelber abhaͤngig zu ſeyn ſchien; an dieſe ſchloſſen ſie ſich an: ſie widmeten dem Imperator goͤttliche Verehrung 1). Man richtete ihm Tempel auf, opferte ihm auf Altaͤren, ſchwur bei ſeinem Namen, und feierte ihm Feſte; ſeine Bildniſſe gewaͤhrten ein Aſyl. Die Verehrung, die dem Genius des Impera- tors gewidmet wurde, war vielleicht die einzige allgemeine die es in dem Reiche gab. Alle Goͤtzendienſte bequemten ſich ihr: ſie war eine Stuͤtze derſelben.
Gegen das Chriſtenthum aber trat ſie, wie man leicht einſieht, in den ſchaͤrfſten Gegenſatz, der ſich denken laͤßt.
Der Imperator faßte die Religion in dem weltlich- ſten Bezuge, — an die Erde und ihre Guͤter gebunden: ihm ſeyen dieſelben uͤbergeben, ſagt Celſus, was man habe, komme von ihm. Das Chriſtenthum faßte ſie in der Fuͤlle des Geiſtes und der uͤberirdiſchen Wahrheit.
Der Imperator vereinigte Staat und Religion; das Chriſtenthum trennte vor allem das was Gottes, von dem was des Kaiſers iſt.
Indem man dem Imperator opferte, bekannte man ſich zur tiefſten Knechtſchaft. Eben darin, worin bei der
1)Eckhel: Doctrina numorum veterum P. II, vol. VIII. p. 456; er fuͤhrt eine Stelle des Tertullian an (apol. c. 28), aus der ſich zu ergeben ſcheint, daß die Verehrung des Caͤſars zuweilen auch die lebhafteſte war.
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Das Chriſtenthum in dem roͤm. Reiche.
Noch einmal hatten die antiken Religionen ihre poli-
tiſche Richtung geltend gemacht. Die Summe aller jener
Autonomien, welche einſt die Welt erfuͤllt, ihr Geſammt-
inhalt war einem Einzigen zu Theil geworden; es gab nur
noch eine einzige Gewalt, die von ſich ſelber abhaͤngig zu
ſeyn ſchien; an dieſe ſchloſſen ſie ſich an: ſie widmeten
dem Imperator goͤttliche Verehrung 1). Man richtete ihm
Tempel auf, opferte ihm auf Altaͤren, ſchwur bei ſeinem
Namen, und feierte ihm Feſte; ſeine Bildniſſe gewaͤhrten
ein Aſyl. Die Verehrung, die dem Genius des Impera-
tors gewidmet wurde, war vielleicht die einzige allgemeine
die es in dem Reiche gab. Alle Goͤtzendienſte bequemten
ſich ihr: ſie war eine Stuͤtze derſelben.
Gegen das Chriſtenthum aber trat ſie, wie man leicht
einſieht, in den ſchaͤrfſten Gegenſatz, der ſich denken laͤßt.
Der Imperator faßte die Religion in dem weltlich-
ſten Bezuge, — an die Erde und ihre Guͤter gebunden:
ihm ſeyen dieſelben uͤbergeben, ſagt Celſus, was man habe,
komme von ihm. Das Chriſtenthum faßte ſie in der Fuͤlle
des Geiſtes und der uͤberirdiſchen Wahrheit.
Der Imperator vereinigte Staat und Religion; das
Chriſtenthum trennte vor allem das was Gottes, von dem
was des Kaiſers iſt.
Indem man dem Imperator opferte, bekannte man
ſich zur tiefſten Knechtſchaft. Eben darin, worin bei der
1) Eckhel: Doctrina numorum veterum P. II, vol. VIII.
p. 456; er fuͤhrt eine Stelle des Tertullian an (apol. c. 28), aus
der ſich zu ergeben ſcheint, daß die Verehrung des Caͤſars zuweilen
auch die lebhafteſte war.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/33>, abgerufen am 23.11.2024.
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