Idee aufzugeben, jenen Haß zu unterdrücken; damit öff- neten sich ihm allmählig auch die Augen für das tadelns- werthe Verhalten seiner Angehörigen: mit heftiger Gerech- tigkeit, in innerm Kampf entledigte er sich ihrer: von Stund an kehrte er dann zu seinen alten reformatorischen Absichten zurück; er fing an zu regieren, wie man gleich anfangs vermuthet hatte, daß er thun werde: mit gleicher Leidenschaft, wie bisher Feindseligkeiten und Krieg, trieb er nun die Reform des Staates und hauptsächlich der Kirche.
Die weltlichen Geschäfte wurden von oben bis unten andern Händen anvertraut. Die bisherigen Podestas und Governatoren verloren ihre Stellen: wie dieß geschah, war doch zuweilen auch sehr besonders. In Perugia erschien der neuernannte Governatore bei Nacht: ohne den Tag abzuwar- ten, ließ er die Anzianen zusammenrufen: in ihrer Mitte zog er seine Beglaubigung hervor und befahl ihnen, den bisherigen Governator, der mit zugegen war, unverzüglich gefangen zu nehmen. Seit undenklichen Zeiten war nun Paul IV. der erste Papst, der ohne Nepoten regierte. An ihre Stelle traten Cardinal Carpi und Camillo Orsino, die schon un- ter Paul III. so viel vermocht. Auch der Sinn der Re- gierung ward verändert. Nicht unbedeutende Summen wurden erspart und an den Steuern erlassen; es wurde ein Kasten aufgestellt, in den Jedermann seine Beschwerden werfen konnte, zu dem der Papst allein den Schlüssel hatte: täglichen Bericht erstattete der Governator; mit grö- ßerer Sorgfalt und Rücksicht, und ohne die alten Miß- bräuche ging man zu Werke.
BuchIII.Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
Idee aufzugeben, jenen Haß zu unterdruͤcken; damit oͤff- neten ſich ihm allmaͤhlig auch die Augen fuͤr das tadelns- werthe Verhalten ſeiner Angehoͤrigen: mit heftiger Gerech- tigkeit, in innerm Kampf entledigte er ſich ihrer: von Stund an kehrte er dann zu ſeinen alten reformatoriſchen Abſichten zuruͤck; er fing an zu regieren, wie man gleich anfangs vermuthet hatte, daß er thun werde: mit gleicher Leidenſchaft, wie bisher Feindſeligkeiten und Krieg, trieb er nun die Reform des Staates und hauptſaͤchlich der Kirche.
Die weltlichen Geſchaͤfte wurden von oben bis unten andern Haͤnden anvertraut. Die bisherigen Podeſtas und Governatoren verloren ihre Stellen: wie dieß geſchah, war doch zuweilen auch ſehr beſonders. In Perugia erſchien der neuernannte Governatore bei Nacht: ohne den Tag abzuwar- ten, ließ er die Anzianen zuſammenrufen: in ihrer Mitte zog er ſeine Beglaubigung hervor und befahl ihnen, den bisherigen Governator, der mit zugegen war, unverzuͤglich gefangen zu nehmen. Seit undenklichen Zeiten war nun Paul IV. der erſte Papſt, der ohne Nepoten regierte. An ihre Stelle traten Cardinal Carpi und Camillo Orſino, die ſchon un- ter Paul III. ſo viel vermocht. Auch der Sinn der Re- gierung ward veraͤndert. Nicht unbedeutende Summen wurden erſpart und an den Steuern erlaſſen; es wurde ein Kaſten aufgeſtellt, in den Jedermann ſeine Beſchwerden werfen konnte, zu dem der Papſt allein den Schluͤſſel hatte: taͤglichen Bericht erſtattete der Governator; mit groͤ- ßerer Sorgfalt und Ruͤckſicht, und ohne die alten Miß- braͤuche ging man zu Werke.
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Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
Idee aufzugeben, jenen Haß zu unterdruͤcken; damit oͤff-
neten ſich ihm allmaͤhlig auch die Augen fuͤr das tadelns-
werthe Verhalten ſeiner Angehoͤrigen: mit heftiger Gerech-
tigkeit, in innerm Kampf entledigte er ſich ihrer: von
Stund an kehrte er dann zu ſeinen alten reformatoriſchen
Abſichten zuruͤck; er fing an zu regieren, wie man gleich
anfangs vermuthet hatte, daß er thun werde: mit gleicher
Leidenſchaft, wie bisher Feindſeligkeiten und Krieg, trieb
er nun die Reform des Staates und hauptſaͤchlich der
Kirche.
Die weltlichen Geſchaͤfte wurden von oben bis unten
andern Haͤnden anvertraut. Die bisherigen Podeſtas und
Governatoren verloren ihre Stellen: wie dieß geſchah, war
doch zuweilen auch ſehr beſonders. In Perugia erſchien der
neuernannte Governatore bei Nacht: ohne den Tag abzuwar-
ten, ließ er die Anzianen zuſammenrufen: in ihrer Mitte zog
er ſeine Beglaubigung hervor und befahl ihnen, den bisherigen
Governator, der mit zugegen war, unverzuͤglich gefangen zu
nehmen. Seit undenklichen Zeiten war nun Paul IV. der
erſte Papſt, der ohne Nepoten regierte. An ihre Stelle
traten Cardinal Carpi und Camillo Orſino, die ſchon un-
ter Paul III. ſo viel vermocht. Auch der Sinn der Re-
gierung ward veraͤndert. Nicht unbedeutende Summen
wurden erſpart und an den Steuern erlaſſen; es wurde ein
Kaſten aufgeſtellt, in den Jedermann ſeine Beſchwerden
werfen konnte, zu dem der Papſt allein den Schluͤſſel
hatte: taͤglichen Bericht erſtattete der Governator; mit groͤ-
ßerer Sorgfalt und Ruͤckſicht, und ohne die alten Miß-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/328>, abgerufen am 24.11.2024.
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