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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch III. Die Päpste um d. Mitte d. 16. Jahrh.

Da fragte sich nur, welche Stellung er in den allge-
meinen Weltbewegungen einnehmen würde.

Nicht so leicht sind die großen Richtungen, die eine
Gewalt genommen hat, zu ändern; sie haben sich mit ih-
rem Wesen allmählig verschmolzen.

Mußte es der Natur der Sache nach immer ein
Wunsch der Päpste bleiben, sich der spanischen Uebermacht
zu entledigen, so war jetzt ein Moment, in dem dieß noch
einmal möglich zu werden schien. Jener Krieg, den wir
aus den farnesischen Bewegungen hervorgehen sehen, war
der unglücklichste, den Carl V. geführt; in den Nieder-
landen war er bedrängt, Deutschland war von ihm abge-
fallen; Italien nicht mehr getreu; auch auf die Estes und
Gonzagas konnte er nicht mehr trauen: er selbst war le-
bensmüde und krank. Ich weiß nicht, ob ein anderer
Papst, in so fern er nicht gradezu der kaiserlichen Partei
angehörte, den Lockungen widerstanden haben würde, die
hierin lagen.

Für Paul IV. waren sie besonders stark. Er hatte
Italien noch in der Freiheit des funfzehnten Jahrhunderts
gesehen (er war 1476 geboren): seine Seele hing an die-
ser Erinnerung. Einem wohlgestimmten Instrumente von
vier Saiten verglich er das damalige Italien. Neapel,
Mailand, Kirche und Venedig nannte er die vier Saiten;
er verwünschte das Andenken Alfonso's und Ludwigs des
Mohren "unselige und verlorene Seelen," wie er sagte,
deren Entzweiung diese Harmonie zerstörte 1). Daß nun
seitdem die Spanier Herren geworden, hatte er noch immer

1) Infelici quelle anime di Alfonso d'Aragona e Ludovico
Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.

Da fragte ſich nur, welche Stellung er in den allge-
meinen Weltbewegungen einnehmen wuͤrde.

Nicht ſo leicht ſind die großen Richtungen, die eine
Gewalt genommen hat, zu aͤndern; ſie haben ſich mit ih-
rem Weſen allmaͤhlig verſchmolzen.

Mußte es der Natur der Sache nach immer ein
Wunſch der Paͤpſte bleiben, ſich der ſpaniſchen Uebermacht
zu entledigen, ſo war jetzt ein Moment, in dem dieß noch
einmal moͤglich zu werden ſchien. Jener Krieg, den wir
aus den farneſiſchen Bewegungen hervorgehen ſehen, war
der ungluͤcklichſte, den Carl V. gefuͤhrt; in den Nieder-
landen war er bedraͤngt, Deutſchland war von ihm abge-
fallen; Italien nicht mehr getreu; auch auf die Eſtes und
Gonzagas konnte er nicht mehr trauen: er ſelbſt war le-
bensmuͤde und krank. Ich weiß nicht, ob ein anderer
Papſt, in ſo fern er nicht gradezu der kaiſerlichen Partei
angehoͤrte, den Lockungen widerſtanden haben wuͤrde, die
hierin lagen.

Fuͤr Paul IV. waren ſie beſonders ſtark. Er hatte
Italien noch in der Freiheit des funfzehnten Jahrhunderts
geſehen (er war 1476 geboren): ſeine Seele hing an die-
ſer Erinnerung. Einem wohlgeſtimmten Inſtrumente von
vier Saiten verglich er das damalige Italien. Neapel,
Mailand, Kirche und Venedig nannte er die vier Saiten;
er verwuͤnſchte das Andenken Alfonſo’s und Ludwigs des
Mohren „unſelige und verlorene Seelen,“ wie er ſagte,
deren Entzweiung dieſe Harmonie zerſtoͤrte 1). Daß nun
ſeitdem die Spanier Herren geworden, hatte er noch immer

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[282/0308] Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh. Da fragte ſich nur, welche Stellung er in den allge- meinen Weltbewegungen einnehmen wuͤrde. Nicht ſo leicht ſind die großen Richtungen, die eine Gewalt genommen hat, zu aͤndern; ſie haben ſich mit ih- rem Weſen allmaͤhlig verſchmolzen. Mußte es der Natur der Sache nach immer ein Wunſch der Paͤpſte bleiben, ſich der ſpaniſchen Uebermacht zu entledigen, ſo war jetzt ein Moment, in dem dieß noch einmal moͤglich zu werden ſchien. Jener Krieg, den wir aus den farneſiſchen Bewegungen hervorgehen ſehen, war der ungluͤcklichſte, den Carl V. gefuͤhrt; in den Nieder- landen war er bedraͤngt, Deutſchland war von ihm abge- fallen; Italien nicht mehr getreu; auch auf die Eſtes und Gonzagas konnte er nicht mehr trauen: er ſelbſt war le- bensmuͤde und krank. Ich weiß nicht, ob ein anderer Papſt, in ſo fern er nicht gradezu der kaiſerlichen Partei angehoͤrte, den Lockungen widerſtanden haben wuͤrde, die hierin lagen. Fuͤr Paul IV. waren ſie beſonders ſtark. Er hatte Italien noch in der Freiheit des funfzehnten Jahrhunderts geſehen (er war 1476 geboren): ſeine Seele hing an die- ſer Erinnerung. Einem wohlgeſtimmten Inſtrumente von vier Saiten verglich er das damalige Italien. Neapel, Mailand, Kirche und Venedig nannte er die vier Saiten; er verwuͤnſchte das Andenken Alfonſo’s und Ludwigs des Mohren „unſelige und verlorene Seelen,“ wie er ſagte, deren Entzweiung dieſe Harmonie zerſtoͤrte 1). Daß nun ſeitdem die Spanier Herren geworden, hatte er noch immer 1) Infelici quelle anime di Alfonso d’Aragona e Ludovico

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/308>, abgerufen am 23.11.2024.