Er war, wie gesagt, noch von classischer Schule: er wollte sich lateinisch so wie italienisch nicht anders als ausgesucht und elegant ausdrücken: immer mit der doppel- ten Rücksicht, auf den Inhalt und auf die Form, wählte und erwog er seine Worte; leise, mit dem langsamsten Bedacht ließ er sich vernehmen.
Oft wußte man nicht recht, wie man mit ihm stand. Man glaubte zuweilen von dem, was er sagte, eher auf das Gegentheil schließen zu dürfen. Doch wäre das nicht immer richtig gewesen. Die ihn näher kannten, hatten be- merkt, daß er dann am meisten etwas auszuführen hoffte, wenn er gar nicht davon redete, weder die Sache berührte, noch die Personen, welche sie anging 1). Denn so viel sah man wohl, daß er eine einmal gefaßte Absicht nie wieder fallen ließ. Er hoffte alles durchzusetzen, was er sich einmal vorgenommen: wenn nicht sogleich, doch ein andermal, unter veränderten Umständen, auf einem anderen Wege.
Einer solchen Sinnesweise, von so weit aussehender Berechnung, allseitiger Rücksicht und geheimnißvoller Er- wägung widerspricht es nicht, wenn neben den irdischen auch die himmlischen Gewalten in Betracht gezogen wur-
bassissimo et era longhissimo ne volea negar cosa che se gli addimandasse; mar ne anche (volea) che l'uomo che negotiava seco potesse esser securo di havere havuto da S. Sa. il si piu che il no; perche lei voleva starsi sempre in l'avantaggio di po- ter negare e concedere, per il che sempre si risolveva tardis- simamente, quando volea negare.
1) Bemerkungen des Cl. Carpi und Margarethens, che son los, sagt Mendoza, que mas platica tienen de su condicion.
BuchIII.Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
Er war, wie geſagt, noch von claſſiſcher Schule: er wollte ſich lateiniſch ſo wie italieniſch nicht anders als ausgeſucht und elegant ausdruͤcken: immer mit der doppel- ten Ruͤckſicht, auf den Inhalt und auf die Form, waͤhlte und erwog er ſeine Worte; leiſe, mit dem langſamſten Bedacht ließ er ſich vernehmen.
Oft wußte man nicht recht, wie man mit ihm ſtand. Man glaubte zuweilen von dem, was er ſagte, eher auf das Gegentheil ſchließen zu duͤrfen. Doch waͤre das nicht immer richtig geweſen. Die ihn naͤher kannten, hatten be- merkt, daß er dann am meiſten etwas auszufuͤhren hoffte, wenn er gar nicht davon redete, weder die Sache beruͤhrte, noch die Perſonen, welche ſie anging 1). Denn ſo viel ſah man wohl, daß er eine einmal gefaßte Abſicht nie wieder fallen ließ. Er hoffte alles durchzuſetzen, was er ſich einmal vorgenommen: wenn nicht ſogleich, doch ein andermal, unter veraͤnderten Umſtaͤnden, auf einem anderen Wege.
Einer ſolchen Sinnesweiſe, von ſo weit ausſehender Berechnung, allſeitiger Ruͤckſicht und geheimnißvoller Er- waͤgung widerſpricht es nicht, wenn neben den irdiſchen auch die himmliſchen Gewalten in Betracht gezogen wur-
bassissimo et era longhissimo nè volea negar cosa che se gli addimandasse; mar nè anche (volea) che l’uomo che negotiava seco potesse esser securo di havere havuto da S. Sà. il si più che il no; perchè lei voleva starsi sempre in l’avantaggio di po- ter negare e concedere, per il che sempre si risolveva tardis- simamente, quando volea negare.
1) Bemerkungen des Cl. Carpi und Margarethens, che son los, ſagt Mendoza, que mas platica tienen de su condicion.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0268"n="242"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Buch</hi><hirendition="#aq">III.</hi><hirendition="#g">Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh</hi>.</fw><lb/><p>Er war, wie geſagt, noch von claſſiſcher Schule:<lb/>
er wollte ſich lateiniſch ſo wie italieniſch nicht anders als<lb/>
ausgeſucht und elegant ausdruͤcken: immer mit der doppel-<lb/>
ten Ruͤckſicht, auf den Inhalt und auf die Form, waͤhlte<lb/>
und erwog er ſeine Worte; leiſe, mit dem langſamſten<lb/>
Bedacht ließ er ſich vernehmen.</p><lb/><p>Oft wußte man nicht recht, wie man mit ihm ſtand.<lb/>
Man glaubte zuweilen von dem, was er ſagte, eher auf<lb/>
das Gegentheil ſchließen zu duͤrfen. Doch waͤre das nicht<lb/>
immer richtig geweſen. Die ihn naͤher kannten, hatten be-<lb/>
merkt, daß er dann am meiſten etwas auszufuͤhren hoffte,<lb/>
wenn er gar nicht davon redete, weder die Sache beruͤhrte,<lb/>
noch die Perſonen, welche ſie anging <noteplace="foot"n="1)">Bemerkungen des Cl. Carpi und Margarethens, <hirendition="#aq">che son<lb/>
los,</hi>ſagt Mendoza, <hirendition="#aq">que mas platica tienen de su condicion.</hi></note>. Denn ſo viel<lb/>ſah man wohl, daß er eine einmal gefaßte Abſicht nie<lb/>
wieder fallen ließ. Er hoffte alles durchzuſetzen, was er<lb/>ſich einmal vorgenommen: wenn nicht ſogleich, doch ein<lb/>
andermal, unter veraͤnderten Umſtaͤnden, auf einem anderen<lb/>
Wege.</p><lb/><p>Einer ſolchen Sinnesweiſe, von ſo weit ausſehender<lb/>
Berechnung, allſeitiger Ruͤckſicht und geheimnißvoller Er-<lb/>
waͤgung widerſpricht es nicht, wenn neben den irdiſchen<lb/>
auch die himmliſchen Gewalten in Betracht gezogen wur-<lb/><notexml:id="note-0268"prev="#note-0267"place="foot"n="1)"><hirendition="#aq">bassissimo et era longhissimo nè volea negar cosa che se gli<lb/>
addimandasse; mar nè anche (volea) che l’uomo che negotiava<lb/>
seco potesse esser securo di havere havuto da S. S<hirendition="#sup">à.</hi> il si più<lb/>
che il no; perchè lei voleva starsi sempre in l’avantaggio di po-<lb/>
ter negare e concedere, per il che sempre si risolveva tardis-<lb/>
simamente, quando volea negare.</hi></note><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[242/0268]
Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
Er war, wie geſagt, noch von claſſiſcher Schule:
er wollte ſich lateiniſch ſo wie italieniſch nicht anders als
ausgeſucht und elegant ausdruͤcken: immer mit der doppel-
ten Ruͤckſicht, auf den Inhalt und auf die Form, waͤhlte
und erwog er ſeine Worte; leiſe, mit dem langſamſten
Bedacht ließ er ſich vernehmen.
Oft wußte man nicht recht, wie man mit ihm ſtand.
Man glaubte zuweilen von dem, was er ſagte, eher auf
das Gegentheil ſchließen zu duͤrfen. Doch waͤre das nicht
immer richtig geweſen. Die ihn naͤher kannten, hatten be-
merkt, daß er dann am meiſten etwas auszufuͤhren hoffte,
wenn er gar nicht davon redete, weder die Sache beruͤhrte,
noch die Perſonen, welche ſie anging 1). Denn ſo viel
ſah man wohl, daß er eine einmal gefaßte Abſicht nie
wieder fallen ließ. Er hoffte alles durchzuſetzen, was er
ſich einmal vorgenommen: wenn nicht ſogleich, doch ein
andermal, unter veraͤnderten Umſtaͤnden, auf einem anderen
Wege.
Einer ſolchen Sinnesweiſe, von ſo weit ausſehender
Berechnung, allſeitiger Ruͤckſicht und geheimnißvoller Er-
waͤgung widerſpricht es nicht, wenn neben den irdiſchen
auch die himmliſchen Gewalten in Betracht gezogen wur-
1)
1) Bemerkungen des Cl. Carpi und Margarethens, che son
los, ſagt Mendoza, que mas platica tienen de su condicion.
1) bassissimo et era longhissimo nè volea negar cosa che se gli
addimandasse; mar nè anche (volea) che l’uomo che negotiava
seco potesse esser securo di havere havuto da S. Sà. il si più
che il no; perchè lei voleva starsi sempre in l’avantaggio di po-
ter negare e concedere, per il che sempre si risolveva tardis-
simamente, quando volea negare.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/268>, abgerufen am 26.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.