Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Buch II. Regeneration des Katholicismus. keit an 1): die eine uns inwohnend, inhärirend, durchwelche wir aus Sündern Kinder Gottes werden, auch sie Gnade und unverdient; thätig in Werken, sichtbar in Tu- genden, aber allein nicht fähig, uns zur Glorie Gottes einzuführen: die andere die Gerechtigkeit und das Ver- dienst Christi, uns beigemessen, imputirt, welche alle Män- gel ersetze, vollständig, seligmachend. Eben so hatte Con- tarini gelehrt. Wenn die Frage sey, sagt dieser, auf welche von jenen Gerechtigkeiten wir bauen sollen, die inwoh- nende, oder die in Christo beigemessene, so sey die Ant- wort eines Frommen, daß wir uns nur auf die letzte zu verlassen haben. Unsere Gerechtigkeit sey eben erst ange- fangen, unvollkommen, voller Mängel; Christi Gerechtig- keit dagegen wahrhaft, vollkommen, in den Augen Got- tes durchaus und allein wohlgefällig; um ihretwillen al- lein könne man glauben, vor Gott gerechtfertigt zu wer- den 2). Jedoch auch in solch einer Modification -- sie ließ, 1) Parere dato a 13 di Luglio 1544. Excerpirt von Palla- vicini VIII, XI. 4. 2) Contareni tractatus de justificatione. Nur muß man nicht
an die Venez. Ausg. von 1589, wie es auch mir zuerst ging, gera- then: da sucht man diese Stelle vergebens. Noch 1571 hatte die Sorbonne den Tractat, wie er war, gebilligt; in der Pariser Ausgabe von diesem Jahre findet er sich unverstümmelt; 1589 da- gegen ließ ihn der Generalinquisitor von Venedig, Fra Marco Me- dici nicht mehr passiren: er begnügte sich nicht, die Stellen wegzu- lassen: sie wurden dem recipirten Dogma gemäß umgeschmolzen. Man erstaunt, wenn man im Quirini Epp. Poli III, CCXIII, auf die Collation stößt. Man muß sich dieser unverantwortlichen Ge- waltsamkeiten erinnern, um sich einen so bittern Haß, wie ihn Paul Sarpi hegte, zu erklären. Buch II. Regeneration des Katholicismus. keit an 1): die eine uns inwohnend, inhaͤrirend, durchwelche wir aus Suͤndern Kinder Gottes werden, auch ſie Gnade und unverdient; thaͤtig in Werken, ſichtbar in Tu- genden, aber allein nicht faͤhig, uns zur Glorie Gottes einzufuͤhren: die andere die Gerechtigkeit und das Ver- dienſt Chriſti, uns beigemeſſen, imputirt, welche alle Maͤn- gel erſetze, vollſtaͤndig, ſeligmachend. Eben ſo hatte Con- tarini gelehrt. Wenn die Frage ſey, ſagt dieſer, auf welche von jenen Gerechtigkeiten wir bauen ſollen, die inwoh- nende, oder die in Chriſto beigemeſſene, ſo ſey die Ant- wort eines Frommen, daß wir uns nur auf die letzte zu verlaſſen haben. Unſere Gerechtigkeit ſey eben erſt ange- fangen, unvollkommen, voller Maͤngel; Chriſti Gerechtig- keit dagegen wahrhaft, vollkommen, in den Augen Got- tes durchaus und allein wohlgefaͤllig; um ihretwillen al- lein koͤnne man glauben, vor Gott gerechtfertigt zu wer- den 2). Jedoch auch in ſolch einer Modification — ſie ließ, 1) Parere dato a 13 di Luglio 1544. Excerpirt von Palla- vicini VIII, XI. 4. 2) Contareni tractatus de justificatione. Nur muß man nicht
an die Venez. Ausg. von 1589, wie es auch mir zuerſt ging, gera- then: da ſucht man dieſe Stelle vergebens. Noch 1571 hatte die Sorbonne den Tractat, wie er war, gebilligt; in der Pariſer Ausgabe von dieſem Jahre findet er ſich unverſtuͤmmelt; 1589 da- gegen ließ ihn der Generalinquiſitor von Venedig, Fra Marco Me- dici nicht mehr paſſiren: er begnuͤgte ſich nicht, die Stellen wegzu- laſſen: ſie wurden dem recipirten Dogma gemaͤß umgeſchmolzen. Man erſtaunt, wenn man im Quirini Epp. Poli III, CCXIII, auf die Collation ſtoͤßt. Man muß ſich dieſer unverantwortlichen Ge- waltſamkeiten erinnern, um ſich einen ſo bittern Haß, wie ihn Paul Sarpi hegte, zu erklaͤren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0226" n="200"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Regeneration des Katholicismus</hi>.</fw><lb/> keit an <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Parere dato a 13 di Luglio</hi> 1544. Excerpirt von Palla-<lb/> vicini <hi rendition="#aq">VIII, XI.</hi> 4.</note>: die eine uns inwohnend, inhaͤrirend, durch<lb/> welche wir aus Suͤndern Kinder Gottes werden, auch ſie<lb/> Gnade und unverdient; thaͤtig in Werken, ſichtbar in Tu-<lb/> genden, aber allein nicht faͤhig, uns zur Glorie Gottes<lb/> einzufuͤhren: die andere die Gerechtigkeit und das Ver-<lb/> dienſt Chriſti, uns beigemeſſen, imputirt, welche alle Maͤn-<lb/> gel erſetze, vollſtaͤndig, ſeligmachend. Eben ſo hatte Con-<lb/> tarini gelehrt. Wenn die Frage ſey, ſagt dieſer, auf welche<lb/> von jenen Gerechtigkeiten wir bauen ſollen, die inwoh-<lb/> nende, oder die in Chriſto beigemeſſene, ſo ſey die Ant-<lb/> wort eines Frommen, daß wir uns nur auf die letzte zu<lb/> verlaſſen haben. Unſere Gerechtigkeit ſey eben erſt ange-<lb/> fangen, unvollkommen, voller Maͤngel; Chriſti Gerechtig-<lb/> keit dagegen wahrhaft, vollkommen, in den Augen Got-<lb/> tes durchaus und allein wohlgefaͤllig; um ihretwillen al-<lb/> lein koͤnne man glauben, vor Gott gerechtfertigt zu wer-<lb/> den <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Contareni tractatus de justificatione.</hi> Nur muß man nicht<lb/> an die Venez. Ausg. von 1589, wie es auch mir zuerſt ging, gera-<lb/> then: da ſucht man dieſe Stelle vergebens. Noch 1571 hatte die<lb/> Sorbonne den Tractat, wie er war, gebilligt; in der Pariſer<lb/> Ausgabe von dieſem Jahre findet er ſich unverſtuͤmmelt; 1589 da-<lb/> gegen ließ ihn der Generalinquiſitor von Venedig, Fra Marco Me-<lb/> dici nicht mehr paſſiren: er begnuͤgte ſich nicht, die Stellen wegzu-<lb/> laſſen: ſie wurden dem recipirten Dogma gemaͤß umgeſchmolzen.<lb/> Man erſtaunt, wenn man im <hi rendition="#aq">Quirini Epp. Poli III, CCXIII,</hi> auf<lb/> die Collation ſtoͤßt. Man muß ſich dieſer unverantwortlichen Ge-<lb/> waltſamkeiten erinnern, um ſich einen ſo bittern Haß, wie ihn Paul<lb/> Sarpi hegte, zu erklaͤren.</note>.</p><lb/> <p>Jedoch auch in ſolch einer Modification — ſie ließ,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [200/0226]
Buch II. Regeneration des Katholicismus.
keit an 1): die eine uns inwohnend, inhaͤrirend, durch
welche wir aus Suͤndern Kinder Gottes werden, auch ſie
Gnade und unverdient; thaͤtig in Werken, ſichtbar in Tu-
genden, aber allein nicht faͤhig, uns zur Glorie Gottes
einzufuͤhren: die andere die Gerechtigkeit und das Ver-
dienſt Chriſti, uns beigemeſſen, imputirt, welche alle Maͤn-
gel erſetze, vollſtaͤndig, ſeligmachend. Eben ſo hatte Con-
tarini gelehrt. Wenn die Frage ſey, ſagt dieſer, auf welche
von jenen Gerechtigkeiten wir bauen ſollen, die inwoh-
nende, oder die in Chriſto beigemeſſene, ſo ſey die Ant-
wort eines Frommen, daß wir uns nur auf die letzte zu
verlaſſen haben. Unſere Gerechtigkeit ſey eben erſt ange-
fangen, unvollkommen, voller Maͤngel; Chriſti Gerechtig-
keit dagegen wahrhaft, vollkommen, in den Augen Got-
tes durchaus und allein wohlgefaͤllig; um ihretwillen al-
lein koͤnne man glauben, vor Gott gerechtfertigt zu wer-
den 2).
Jedoch auch in ſolch einer Modification — ſie ließ,
1) Parere dato a 13 di Luglio 1544. Excerpirt von Palla-
vicini VIII, XI. 4.
2) Contareni tractatus de justificatione. Nur muß man nicht
an die Venez. Ausg. von 1589, wie es auch mir zuerſt ging, gera-
then: da ſucht man dieſe Stelle vergebens. Noch 1571 hatte die
Sorbonne den Tractat, wie er war, gebilligt; in der Pariſer
Ausgabe von dieſem Jahre findet er ſich unverſtuͤmmelt; 1589 da-
gegen ließ ihn der Generalinquiſitor von Venedig, Fra Marco Me-
dici nicht mehr paſſiren: er begnuͤgte ſich nicht, die Stellen wegzu-
laſſen: ſie wurden dem recipirten Dogma gemaͤß umgeſchmolzen.
Man erſtaunt, wenn man im Quirini Epp. Poli III, CCXIII, auf
die Collation ſtoͤßt. Man muß ſich dieſer unverantwortlichen Ge-
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