Entzückungen, und glaubten wie er, das Geheimniß -- sie erwähnten noch besonders das der Dreieinigkeit -- in unmit- telbarer Erleuchtung anzuschauen. Wie Loyola und später seine Anhänger machten sie die Generalbeichte zur Bedin- gung der Absolution, und drangen vor allem auf das innere Gebet. In der That möchte ich nicht behaupten, daß Loyola ganz ohne Berührung mit diesen Meinungen geblie- ben wäre. Allein daß er der Secte angehört hätte, ist auch nicht zu sagen. Er unterschied sich von ihr haupt- sächlich dadurch, daß, während sie durch die Forderungen des Geistes über alle gemeinen Pflichten erhaben zu seyn glaubte, er dagegen -- ein alter Soldat wie er war -- den Gehorsam für die oberste aller Tugenden erklärte. Seine ganze Begeisterung und innere Ueberzeugung unterwarf er alle Mal der Kirche und ihren Gewalten.
Indessen hatten diese Anfechtungen und Hindernisse einen für sein Leben entscheidenden Erfolg. In dem Zu- stande, in dem er damals war, ohne Gelehrsamkeit und gründlichere Theologie, ohne politischen Rückhalt, hätte sein Daseyn spurlos vorübergehen müssen. Glück genug, wenn ihm innerhalb Spaniens ein paar Bekehrungen gelungen wären. Allein indem man ihm in Alcala und in Sala- manca auferlegte, erst vier Jahre Theologie zu studiren, ehe er namentlich über gewisse schwerere Dogmen wie- der zu lehren versuche, nöthigte man ihn, einen Weg ein- zuschlagen, auf dem sich allmählig für seinen Trieb religiö- ser Thätigkeit ein ungeahnetes Feld eröffnete.
Er begab sich nach der damals berühmtesten hohen Schule der Welt, nach Paris.
BuchII.Regeneration des Katholicismus.
Entzuͤckungen, und glaubten wie er, das Geheimniß — ſie erwaͤhnten noch beſonders das der Dreieinigkeit — in unmit- telbarer Erleuchtung anzuſchauen. Wie Loyola und ſpaͤter ſeine Anhaͤnger machten ſie die Generalbeichte zur Bedin- gung der Abſolution, und drangen vor allem auf das innere Gebet. In der That moͤchte ich nicht behaupten, daß Loyola ganz ohne Beruͤhrung mit dieſen Meinungen geblie- ben waͤre. Allein daß er der Secte angehoͤrt haͤtte, iſt auch nicht zu ſagen. Er unterſchied ſich von ihr haupt- ſaͤchlich dadurch, daß, waͤhrend ſie durch die Forderungen des Geiſtes uͤber alle gemeinen Pflichten erhaben zu ſeyn glaubte, er dagegen — ein alter Soldat wie er war — den Gehorſam fuͤr die oberſte aller Tugenden erklaͤrte. Seine ganze Begeiſterung und innere Ueberzeugung unterwarf er alle Mal der Kirche und ihren Gewalten.
Indeſſen hatten dieſe Anfechtungen und Hinderniſſe einen fuͤr ſein Leben entſcheidenden Erfolg. In dem Zu- ſtande, in dem er damals war, ohne Gelehrſamkeit und gruͤndlichere Theologie, ohne politiſchen Ruͤckhalt, haͤtte ſein Daſeyn ſpurlos voruͤbergehen muͤſſen. Gluͤck genug, wenn ihm innerhalb Spaniens ein paar Bekehrungen gelungen waͤren. Allein indem man ihm in Alcala und in Sala- manca auferlegte, erſt vier Jahre Theologie zu ſtudiren, ehe er namentlich uͤber gewiſſe ſchwerere Dogmen wie- der zu lehren verſuche, noͤthigte man ihn, einen Weg ein- zuſchlagen, auf dem ſich allmaͤhlig fuͤr ſeinen Trieb religioͤ- ſer Thaͤtigkeit ein ungeahnetes Feld eroͤffnete.
Er begab ſich nach der damals beruͤhmteſten hohen Schule der Welt, nach Paris.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0212"n="186"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Buch</hi><hirendition="#aq">II.</hi><hirendition="#g">Regeneration des Katholicismus</hi>.</fw><lb/>
Entzuͤckungen, und glaubten wie er, das Geheimniß —ſie<lb/>
erwaͤhnten noch beſonders das der Dreieinigkeit — in unmit-<lb/>
telbarer Erleuchtung anzuſchauen. Wie Loyola und ſpaͤter<lb/>ſeine Anhaͤnger machten ſie die Generalbeichte zur Bedin-<lb/>
gung der Abſolution, und drangen vor allem auf das innere<lb/>
Gebet. In der That moͤchte ich nicht behaupten, daß<lb/>
Loyola ganz ohne Beruͤhrung mit dieſen Meinungen geblie-<lb/>
ben waͤre. Allein daß er der Secte angehoͤrt haͤtte, iſt<lb/>
auch nicht zu ſagen. Er unterſchied ſich von ihr haupt-<lb/>ſaͤchlich dadurch, daß, waͤhrend ſie durch die Forderungen<lb/>
des Geiſtes uͤber alle gemeinen Pflichten erhaben zu ſeyn<lb/>
glaubte, er dagegen — ein alter Soldat wie er war —<lb/>
den Gehorſam fuͤr die oberſte aller Tugenden erklaͤrte. Seine<lb/>
ganze Begeiſterung und innere Ueberzeugung unterwarf er<lb/>
alle Mal der Kirche und ihren Gewalten.</p><lb/><p>Indeſſen hatten dieſe Anfechtungen und Hinderniſſe<lb/>
einen fuͤr ſein Leben entſcheidenden Erfolg. In dem Zu-<lb/>ſtande, in dem er damals war, ohne Gelehrſamkeit und<lb/>
gruͤndlichere Theologie, ohne politiſchen Ruͤckhalt, haͤtte ſein<lb/>
Daſeyn ſpurlos voruͤbergehen muͤſſen. Gluͤck genug, wenn<lb/>
ihm innerhalb Spaniens ein paar Bekehrungen gelungen<lb/>
waͤren. Allein indem man ihm in Alcala und in Sala-<lb/>
manca auferlegte, erſt vier Jahre Theologie zu ſtudiren,<lb/>
ehe er namentlich uͤber gewiſſe ſchwerere Dogmen wie-<lb/>
der zu lehren verſuche, noͤthigte man ihn, einen Weg ein-<lb/>
zuſchlagen, auf dem ſich allmaͤhlig fuͤr ſeinen Trieb religioͤ-<lb/>ſer Thaͤtigkeit ein ungeahnetes Feld eroͤffnete.</p><lb/><p>Er begab ſich nach der damals beruͤhmteſten hohen<lb/>
Schule der Welt, nach Paris.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[186/0212]
Buch II. Regeneration des Katholicismus.
Entzuͤckungen, und glaubten wie er, das Geheimniß — ſie
erwaͤhnten noch beſonders das der Dreieinigkeit — in unmit-
telbarer Erleuchtung anzuſchauen. Wie Loyola und ſpaͤter
ſeine Anhaͤnger machten ſie die Generalbeichte zur Bedin-
gung der Abſolution, und drangen vor allem auf das innere
Gebet. In der That moͤchte ich nicht behaupten, daß
Loyola ganz ohne Beruͤhrung mit dieſen Meinungen geblie-
ben waͤre. Allein daß er der Secte angehoͤrt haͤtte, iſt
auch nicht zu ſagen. Er unterſchied ſich von ihr haupt-
ſaͤchlich dadurch, daß, waͤhrend ſie durch die Forderungen
des Geiſtes uͤber alle gemeinen Pflichten erhaben zu ſeyn
glaubte, er dagegen — ein alter Soldat wie er war —
den Gehorſam fuͤr die oberſte aller Tugenden erklaͤrte. Seine
ganze Begeiſterung und innere Ueberzeugung unterwarf er
alle Mal der Kirche und ihren Gewalten.
Indeſſen hatten dieſe Anfechtungen und Hinderniſſe
einen fuͤr ſein Leben entſcheidenden Erfolg. In dem Zu-
ſtande, in dem er damals war, ohne Gelehrſamkeit und
gruͤndlichere Theologie, ohne politiſchen Ruͤckhalt, haͤtte ſein
Daſeyn ſpurlos voruͤbergehen muͤſſen. Gluͤck genug, wenn
ihm innerhalb Spaniens ein paar Bekehrungen gelungen
waͤren. Allein indem man ihm in Alcala und in Sala-
manca auferlegte, erſt vier Jahre Theologie zu ſtudiren,
ehe er namentlich uͤber gewiſſe ſchwerere Dogmen wie-
der zu lehren verſuche, noͤthigte man ihn, einen Weg ein-
zuſchlagen, auf dem ſich allmaͤhlig fuͤr ſeinen Trieb religioͤ-
ſer Thaͤtigkeit ein ungeahnetes Feld eroͤffnete.
Er begab ſich nach der damals beruͤhmteſten hohen
Schule der Welt, nach Paris.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/212>, abgerufen am 26.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.