Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Regeneration des Katholicismus.
mit einander den Kampf zu bestehen. Christus sey ein
König, der seinen Entschluß verkündige, alle Länder der
Ungläubigen zu unterwerfen. Wer ihm die Heeresfolge
leisten wolle, müsse sich jedoch eben so nähren und kleiden,
wie er: dieselben Mühseligkeiten und Nachtwachen ertra-
gen, wie er: nach diesem Maaße werde er des Sieges und
der Belohnungen theilhaftig werden. Vor ihm, der Jung-
frau und dem ganzen himmlischen Hofe werde dann ein
Jeder erklären, daß er dem Herrn so treu wie möglich
nachfolgen, alles Ungemach mit ihm theilen, und ihm in
wahrer, geistiger und leiblicher Armuth dienen wolle 1).

So phantastische Vorstellungen mochten es seyn, die
in ihm den Uebergang von weltlicher zu geistlicher Ritter-
schaft vermittelten. Denn eine solche, aber deren Ideal durch-
aus die Thaten und Entbehrungen der Heiligen ausmach-
ten, war es, was er beabsichtigte. Er riß sich los von
seinem väterlichen Hause und seinen Verwandten und stieg
den Berg von Monserrat hinan: nicht in Zerknirschung
über seine Sünden, noch von eigentlich religiösem Bedürfniß
angetrieben, sondern wie er selber gesagt hat, nur in dem
Verlangen, so große Thaten zu vollbringen, wie diejeni-
gen, durch welche die Heiligen so berühmt geworden: eben
so schwere Bußübungen zu übernehmen, oder noch schwe-
rere: und in Jerusalem Gott zu dienen. Vor einem Ma-
rienbilde hing er Waffen und Wehr auf: eine andere Nacht-
wache, als die ritterliche, aber mit ausdrücklicher Erinne-

1) Exercitia spiritualia: secunda hebdomada. Contempla-
tio regni Jesu Christi ex similitudine regis terreni subditos suos
evocantis ad bellum
u. a. St.

Buch II. Regeneration des Katholicismus.
mit einander den Kampf zu beſtehen. Chriſtus ſey ein
Koͤnig, der ſeinen Entſchluß verkuͤndige, alle Laͤnder der
Unglaͤubigen zu unterwerfen. Wer ihm die Heeresfolge
leiſten wolle, muͤſſe ſich jedoch eben ſo naͤhren und kleiden,
wie er: dieſelben Muͤhſeligkeiten und Nachtwachen ertra-
gen, wie er: nach dieſem Maaße werde er des Sieges und
der Belohnungen theilhaftig werden. Vor ihm, der Jung-
frau und dem ganzen himmliſchen Hofe werde dann ein
Jeder erklaͤren, daß er dem Herrn ſo treu wie moͤglich
nachfolgen, alles Ungemach mit ihm theilen, und ihm in
wahrer, geiſtiger und leiblicher Armuth dienen wolle 1).

So phantaſtiſche Vorſtellungen mochten es ſeyn, die
in ihm den Uebergang von weltlicher zu geiſtlicher Ritter-
ſchaft vermittelten. Denn eine ſolche, aber deren Ideal durch-
aus die Thaten und Entbehrungen der Heiligen ausmach-
ten, war es, was er beabſichtigte. Er riß ſich los von
ſeinem vaͤterlichen Hauſe und ſeinen Verwandten und ſtieg
den Berg von Monſerrat hinan: nicht in Zerknirſchung
uͤber ſeine Suͤnden, noch von eigentlich religioͤſem Beduͤrfniß
angetrieben, ſondern wie er ſelber geſagt hat, nur in dem
Verlangen, ſo große Thaten zu vollbringen, wie diejeni-
gen, durch welche die Heiligen ſo beruͤhmt geworden: eben
ſo ſchwere Bußuͤbungen zu uͤbernehmen, oder noch ſchwe-
rere: und in Jeruſalem Gott zu dienen. Vor einem Ma-
rienbilde hing er Waffen und Wehr auf: eine andere Nacht-
wache, als die ritterliche, aber mit ausdruͤcklicher Erinne-

1) Exercitia spiritualia: secunda hebdomada. Contempla-
tio regni Jesu Christi ex similitudine regis terreni subditos suos
evocantis ad bellum
u. a. St.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0206" n="180"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Regeneration des Katholicismus</hi>.</fw><lb/>
mit einander den Kampf zu be&#x017F;tehen. Chri&#x017F;tus &#x017F;ey ein<lb/>
Ko&#x0364;nig, der &#x017F;einen Ent&#x017F;chluß verku&#x0364;ndige, alle La&#x0364;nder der<lb/>
Ungla&#x0364;ubigen zu unterwerfen. Wer ihm die Heeresfolge<lb/>
lei&#x017F;ten wolle, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich jedoch eben &#x017F;o na&#x0364;hren und kleiden,<lb/>
wie er: die&#x017F;elben Mu&#x0364;h&#x017F;eligkeiten und Nachtwachen ertra-<lb/>
gen, wie er: nach die&#x017F;em Maaße werde er des Sieges und<lb/>
der Belohnungen theilhaftig werden. Vor ihm, der Jung-<lb/>
frau und dem ganzen himmli&#x017F;chen Hofe werde dann ein<lb/>
Jeder erkla&#x0364;ren, daß er dem Herrn &#x017F;o treu wie mo&#x0364;glich<lb/>
nachfolgen, alles Ungemach mit ihm theilen, und ihm in<lb/>
wahrer, gei&#x017F;tiger und leiblicher Armuth dienen wolle <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Exercitia spiritualia: secunda hebdomada. Contempla-<lb/>
tio regni Jesu Christi ex similitudine regis terreni subditos suos<lb/>
evocantis ad bellum</hi> u. a. St.</note>.</p><lb/>
          <p>So phanta&#x017F;ti&#x017F;che Vor&#x017F;tellungen mochten es &#x017F;eyn, die<lb/>
in ihm den Uebergang von weltlicher zu gei&#x017F;tlicher Ritter-<lb/>
&#x017F;chaft vermittelten. Denn eine &#x017F;olche, aber deren Ideal durch-<lb/>
aus die Thaten und Entbehrungen der Heiligen ausmach-<lb/>
ten, war es, was er beab&#x017F;ichtigte. Er riß &#x017F;ich los von<lb/>
&#x017F;einem va&#x0364;terlichen Hau&#x017F;e und &#x017F;einen Verwandten und &#x017F;tieg<lb/>
den Berg von Mon&#x017F;errat hinan: nicht in Zerknir&#x017F;chung<lb/>
u&#x0364;ber &#x017F;eine Su&#x0364;nden, noch von eigentlich religio&#x0364;&#x017F;em Bedu&#x0364;rfniß<lb/>
angetrieben, &#x017F;ondern wie er &#x017F;elber ge&#x017F;agt hat, nur in dem<lb/>
Verlangen, &#x017F;o große Thaten zu vollbringen, wie diejeni-<lb/>
gen, durch welche die Heiligen &#x017F;o beru&#x0364;hmt geworden: eben<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chwere Bußu&#x0364;bungen zu u&#x0364;bernehmen, oder noch &#x017F;chwe-<lb/>
rere: und in Jeru&#x017F;alem Gott zu dienen. Vor einem Ma-<lb/>
rienbilde hing er Waffen und Wehr auf: eine andere Nacht-<lb/>
wache, als die ritterliche, aber mit ausdru&#x0364;cklicher Erinne-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0206] Buch II. Regeneration des Katholicismus. mit einander den Kampf zu beſtehen. Chriſtus ſey ein Koͤnig, der ſeinen Entſchluß verkuͤndige, alle Laͤnder der Unglaͤubigen zu unterwerfen. Wer ihm die Heeresfolge leiſten wolle, muͤſſe ſich jedoch eben ſo naͤhren und kleiden, wie er: dieſelben Muͤhſeligkeiten und Nachtwachen ertra- gen, wie er: nach dieſem Maaße werde er des Sieges und der Belohnungen theilhaftig werden. Vor ihm, der Jung- frau und dem ganzen himmliſchen Hofe werde dann ein Jeder erklaͤren, daß er dem Herrn ſo treu wie moͤglich nachfolgen, alles Ungemach mit ihm theilen, und ihm in wahrer, geiſtiger und leiblicher Armuth dienen wolle 1). So phantaſtiſche Vorſtellungen mochten es ſeyn, die in ihm den Uebergang von weltlicher zu geiſtlicher Ritter- ſchaft vermittelten. Denn eine ſolche, aber deren Ideal durch- aus die Thaten und Entbehrungen der Heiligen ausmach- ten, war es, was er beabſichtigte. Er riß ſich los von ſeinem vaͤterlichen Hauſe und ſeinen Verwandten und ſtieg den Berg von Monſerrat hinan: nicht in Zerknirſchung uͤber ſeine Suͤnden, noch von eigentlich religioͤſem Beduͤrfniß angetrieben, ſondern wie er ſelber geſagt hat, nur in dem Verlangen, ſo große Thaten zu vollbringen, wie diejeni- gen, durch welche die Heiligen ſo beruͤhmt geworden: eben ſo ſchwere Bußuͤbungen zu uͤbernehmen, oder noch ſchwe- rere: und in Jeruſalem Gott zu dienen. Vor einem Ma- rienbilde hing er Waffen und Wehr auf: eine andere Nacht- wache, als die ritterliche, aber mit ausdruͤcklicher Erinne- 1) Exercitia spiritualia: secunda hebdomada. Contempla- tio regni Jesu Christi ex similitudine regis terreni subditos suos evocantis ad bellum u. a. St.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/206
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/206>, abgerufen am 25.11.2024.