Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Versuche einer Aussöhnung m. d. Protestanten.
Pregadi, den Senat seiner Vaterstadt, aufgenommen ward,
wagte er eine Zeitlang nicht zu sprechen: er hätte es ge-
wünscht, er hätte etwas zu sagen gehabt; doch konnte er
sich das Herz nicht fassen; als er es endlich über sich ge-
wann, sprach er, zwar weder sehr anmuthig, noch witzig,
noch heftig und lebhaft, aber so einfach und gründlich, daß
er sich das größte Ansehn verschaffte.

In die bewegtesten Zeiten war er gefallen. Er er-
lebte, wie seine Vaterstadt ihr Gebiet verlor, und trug
selbst dazu bei, daß sie es wiedererwarb. Bei der ersten
Ankunft Carls V. in Deutschland ward er als Gesandter
an ihn geschickt; hier nahm er den Anfang der Kirchen-
trennung wahr. Sie trafen in Spanien ein, als das
Schiff Vittoria von der ersten Weltumseglung zurückkam 1):
das Räthsel, daß es einen Tag später eintraf, als es nach
seinem Tagebuche hätte geschehen sollen, wußte er, so viel
ich finde, zuerst zu lösen. Den Papst, zu dem er nach
der Eroberung von Rom abgeordnet wurde, half er mit
dem Kaiser versöhnen. Von seiner treffenden, eindringen-
den Ansicht der Welt und seiner wohlverstandenen Vater-
landsliebe, ist das Büchelchen über die venezianische Ver-
fassung -- ein sehr unterrichtendes und wohlgefaßtes Werk-
chen -- und sind die Relazionen über seine Gesandtschaf-
ten, welche sich hier und da handschriftlich finden, helle
Zeugnisse 2).


1) Beccatello Vita del C. Contarini (Epp. Poli III.) p.
CIII.
Es giebt auch eine besondere Ausgabe, die aber nur aus
dem Bande der Briefe herausgenommen ist und dieselben Seiten-
zahlen hat.
2) Die erste ist von 1525, die andre von 1530. Vornehmlich

Verſuche einer Ausſoͤhnung m. d. Proteſtanten.
Pregadi, den Senat ſeiner Vaterſtadt, aufgenommen ward,
wagte er eine Zeitlang nicht zu ſprechen: er haͤtte es ge-
wuͤnſcht, er haͤtte etwas zu ſagen gehabt; doch konnte er
ſich das Herz nicht faſſen; als er es endlich uͤber ſich ge-
wann, ſprach er, zwar weder ſehr anmuthig, noch witzig,
noch heftig und lebhaft, aber ſo einfach und gruͤndlich, daß
er ſich das groͤßte Anſehn verſchaffte.

In die bewegteſten Zeiten war er gefallen. Er er-
lebte, wie ſeine Vaterſtadt ihr Gebiet verlor, und trug
ſelbſt dazu bei, daß ſie es wiedererwarb. Bei der erſten
Ankunft Carls V. in Deutſchland ward er als Geſandter
an ihn geſchickt; hier nahm er den Anfang der Kirchen-
trennung wahr. Sie trafen in Spanien ein, als das
Schiff Vittoria von der erſten Weltumſeglung zuruͤckkam 1):
das Raͤthſel, daß es einen Tag ſpaͤter eintraf, als es nach
ſeinem Tagebuche haͤtte geſchehen ſollen, wußte er, ſo viel
ich finde, zuerſt zu loͤſen. Den Papſt, zu dem er nach
der Eroberung von Rom abgeordnet wurde, half er mit
dem Kaiſer verſoͤhnen. Von ſeiner treffenden, eindringen-
den Anſicht der Welt und ſeiner wohlverſtandenen Vater-
landsliebe, iſt das Buͤchelchen uͤber die venezianiſche Ver-
faſſung — ein ſehr unterrichtendes und wohlgefaßtes Werk-
chen — und ſind die Relazionen uͤber ſeine Geſandtſchaf-
ten, welche ſich hier und da handſchriftlich finden, helle
Zeugniſſe 2).


1) Beccatello Vita del C. Contarini (Epp. Poli III.) p.
CIII.
Es giebt auch eine beſondere Ausgabe, die aber nur aus
dem Bande der Briefe herausgenommen iſt und dieſelben Seiten-
zahlen hat.
2) Die erſte iſt von 1525, die andre von 1530. Vornehmlich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0179" n="153"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ver&#x017F;uche einer Aus&#x017F;o&#x0364;hnung m. d. Prote&#x017F;tanten</hi>.</fw><lb/>
Pregadi, den Senat &#x017F;einer Vater&#x017F;tadt, aufgenommen ward,<lb/>
wagte er eine Zeitlang nicht zu &#x017F;prechen: er ha&#x0364;tte es ge-<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;cht, er ha&#x0364;tte etwas zu &#x017F;agen gehabt; doch konnte er<lb/>
&#x017F;ich das Herz nicht fa&#x017F;&#x017F;en; als er es endlich u&#x0364;ber &#x017F;ich ge-<lb/>
wann, &#x017F;prach er, zwar weder &#x017F;ehr anmuthig, noch witzig,<lb/>
noch heftig und lebhaft, aber &#x017F;o einfach und gru&#x0364;ndlich, daß<lb/>
er &#x017F;ich das gro&#x0364;ßte An&#x017F;ehn ver&#x017F;chaffte.</p><lb/>
          <p>In die bewegte&#x017F;ten Zeiten war er gefallen. Er er-<lb/>
lebte, wie &#x017F;eine Vater&#x017F;tadt ihr Gebiet verlor, und trug<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t dazu bei, daß &#x017F;ie es wiedererwarb. Bei der er&#x017F;ten<lb/>
Ankunft Carls <hi rendition="#aq">V.</hi> in Deut&#x017F;chland ward er als Ge&#x017F;andter<lb/>
an ihn ge&#x017F;chickt; hier nahm er den Anfang der Kirchen-<lb/>
trennung wahr. Sie trafen in Spanien ein, als das<lb/>
Schiff Vittoria von der er&#x017F;ten Weltum&#x017F;eglung zuru&#x0364;ckkam <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Beccatello Vita del C. Contarini (Epp. Poli III.) p.<lb/>
CIII.</hi> Es giebt auch eine be&#x017F;ondere Ausgabe, die aber nur aus<lb/>
dem Bande der Briefe herausgenommen i&#x017F;t und die&#x017F;elben Seiten-<lb/>
zahlen hat.</note>:<lb/>
das Ra&#x0364;th&#x017F;el, daß es einen Tag &#x017F;pa&#x0364;ter eintraf, als es nach<lb/>
&#x017F;einem Tagebuche ha&#x0364;tte ge&#x017F;chehen &#x017F;ollen, wußte er, &#x017F;o viel<lb/>
ich finde, zuer&#x017F;t zu lo&#x0364;&#x017F;en. Den Pap&#x017F;t, zu dem er nach<lb/>
der Eroberung von Rom abgeordnet wurde, half er mit<lb/>
dem Kai&#x017F;er ver&#x017F;o&#x0364;hnen. Von &#x017F;einer treffenden, eindringen-<lb/>
den An&#x017F;icht der Welt und &#x017F;einer wohlver&#x017F;tandenen Vater-<lb/>
landsliebe, i&#x017F;t das Bu&#x0364;chelchen u&#x0364;ber die veneziani&#x017F;che Ver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ung &#x2014; ein &#x017F;ehr unterrichtendes und wohlgefaßtes Werk-<lb/>
chen &#x2014; und &#x017F;ind die Relazionen u&#x0364;ber &#x017F;eine Ge&#x017F;andt&#x017F;chaf-<lb/>
ten, welche &#x017F;ich hier und da hand&#x017F;chriftlich finden, helle<lb/>
Zeugni&#x017F;&#x017F;e <note xml:id="note-0179" next="#note-0180" place="foot" n="2)">Die er&#x017F;te i&#x017F;t von 1525, die andre von 1530. Vornehmlich</note>.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0179] Verſuche einer Ausſoͤhnung m. d. Proteſtanten. Pregadi, den Senat ſeiner Vaterſtadt, aufgenommen ward, wagte er eine Zeitlang nicht zu ſprechen: er haͤtte es ge- wuͤnſcht, er haͤtte etwas zu ſagen gehabt; doch konnte er ſich das Herz nicht faſſen; als er es endlich uͤber ſich ge- wann, ſprach er, zwar weder ſehr anmuthig, noch witzig, noch heftig und lebhaft, aber ſo einfach und gruͤndlich, daß er ſich das groͤßte Anſehn verſchaffte. In die bewegteſten Zeiten war er gefallen. Er er- lebte, wie ſeine Vaterſtadt ihr Gebiet verlor, und trug ſelbſt dazu bei, daß ſie es wiedererwarb. Bei der erſten Ankunft Carls V. in Deutſchland ward er als Geſandter an ihn geſchickt; hier nahm er den Anfang der Kirchen- trennung wahr. Sie trafen in Spanien ein, als das Schiff Vittoria von der erſten Weltumſeglung zuruͤckkam 1): das Raͤthſel, daß es einen Tag ſpaͤter eintraf, als es nach ſeinem Tagebuche haͤtte geſchehen ſollen, wußte er, ſo viel ich finde, zuerſt zu loͤſen. Den Papſt, zu dem er nach der Eroberung von Rom abgeordnet wurde, half er mit dem Kaiſer verſoͤhnen. Von ſeiner treffenden, eindringen- den Anſicht der Welt und ſeiner wohlverſtandenen Vater- landsliebe, iſt das Buͤchelchen uͤber die venezianiſche Ver- faſſung — ein ſehr unterrichtendes und wohlgefaßtes Werk- chen — und ſind die Relazionen uͤber ſeine Geſandtſchaf- ten, welche ſich hier und da handſchriftlich finden, helle Zeugniſſe 2). 1) Beccatello Vita del C. Contarini (Epp. Poli III.) p. CIII. Es giebt auch eine beſondere Ausgabe, die aber nur aus dem Bande der Briefe herausgenommen iſt und dieſelben Seiten- zahlen hat. 2) Die erſte iſt von 1525, die andre von 1530. Vornehmlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/179
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/179>, abgerufen am 27.11.2024.