Wende dich nicht zu der Ohnmacht des Willens, welche das Böse wählt, zu der Knechtschaft, die der Sünde dient. Dann wirst du mächtig, dann frei werden; dann wird in dir das Leben der christlichen Republik enthalten seyn" 1).
Ein Versuch, wie wir sehen, ein rationelles Papstthum zu gründen. Um so merkwürdiger, weil es von derselben Lehre über die Justification und den freien Willen ausgeht, die dem protestantischen Abfall zur Grundlage gedient hat. Wir vermuthen dieß nicht allein, weil Contarini diese Mei- nungen hegte, er sagt es ausdrücklich. Er führt aus, daß der Mensch zum Bösen neige: dieß komme von der Ohn- macht des Willens her, welcher, sobald er sich zu dem Bösen wende, mehr im Leiden als im Thun begriffen sey; nur durch Christi Gnade werde er frei. Er erkennt demnach wohl die päpstliche Gewalt an, doch fordert er von ihr die Richtung auf Gott und das allgemeine Beste.
Contarini legte seine Schriften dem Papste vor. Im November 1538 fuhr er mit ihm an einem heitern Tage nach Ostia. "Da auf dem Wege," schreibt er an Poole, "hat mich dieser unser gute Alte bei Seite genommen und mit mir allein über die Reform der Compositionen gere- det. Er sagte, den kleinen Aufsatz, den ich darüber ge- schrieben, habe er bei sich und in den Morgenstunden habe er ihn gelesen. Ich hatte bereits alle Hoffnung aufgege-
1)G. Contarini Cardinalis ad Paulum III. P. M. de po- testate pontificis in compositionibus. Gedruckt bei Roccaberti Bibliotheca Pontificia Maxima Tom. XIII. In meinen Händen ist noch ein Tractatus de compositionibus datarii Revmi D. Gas- paris Contareni, 1536, von dem ich nicht finden kann, daß er ir- gendwo gedruckt sey.
BuchII.Regeneration des Katholicismus.
Wende dich nicht zu der Ohnmacht des Willens, welche das Boͤſe waͤhlt, zu der Knechtſchaft, die der Suͤnde dient. Dann wirſt du maͤchtig, dann frei werden; dann wird in dir das Leben der chriſtlichen Republik enthalten ſeyn“ 1).
Ein Verſuch, wie wir ſehen, ein rationelles Papſtthum zu gruͤnden. Um ſo merkwuͤrdiger, weil es von derſelben Lehre uͤber die Juſtification und den freien Willen ausgeht, die dem proteſtantiſchen Abfall zur Grundlage gedient hat. Wir vermuthen dieß nicht allein, weil Contarini dieſe Mei- nungen hegte, er ſagt es ausdruͤcklich. Er fuͤhrt aus, daß der Menſch zum Boͤſen neige: dieß komme von der Ohn- macht des Willens her, welcher, ſobald er ſich zu dem Boͤſen wende, mehr im Leiden als im Thun begriffen ſey; nur durch Chriſti Gnade werde er frei. Er erkennt demnach wohl die paͤpſtliche Gewalt an, doch fordert er von ihr die Richtung auf Gott und das allgemeine Beſte.
Contarini legte ſeine Schriften dem Papſte vor. Im November 1538 fuhr er mit ihm an einem heitern Tage nach Oſtia. „Da auf dem Wege,“ ſchreibt er an Poole, „hat mich dieſer unſer gute Alte bei Seite genommen und mit mir allein uͤber die Reform der Compoſitionen gere- det. Er ſagte, den kleinen Aufſatz, den ich daruͤber ge- ſchrieben, habe er bei ſich und in den Morgenſtunden habe er ihn geleſen. Ich hatte bereits alle Hoffnung aufgege-
1)G. Contarini Cardinalis ad Paulum III. P. M. de po- testate pontificis in compositionibus. Gedruckt bei Roccaberti Bibliotheca Pontificia Maxima Tom. XIII. In meinen Haͤnden iſt noch ein Tractatus de compositionibus datarii Revmi D. Gas- paris Contareni, 1536, von dem ich nicht finden kann, daß er ir- gendwo gedruckt ſey.
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Buch II. Regeneration des Katholicismus.
Wende dich nicht zu der Ohnmacht des Willens, welche
das Boͤſe waͤhlt, zu der Knechtſchaft, die der Suͤnde dient.
Dann wirſt du maͤchtig, dann frei werden; dann wird in
dir das Leben der chriſtlichen Republik enthalten ſeyn“ 1).
Ein Verſuch, wie wir ſehen, ein rationelles Papſtthum
zu gruͤnden. Um ſo merkwuͤrdiger, weil es von derſelben
Lehre uͤber die Juſtification und den freien Willen ausgeht,
die dem proteſtantiſchen Abfall zur Grundlage gedient hat.
Wir vermuthen dieß nicht allein, weil Contarini dieſe Mei-
nungen hegte, er ſagt es ausdruͤcklich. Er fuͤhrt aus, daß
der Menſch zum Boͤſen neige: dieß komme von der Ohn-
macht des Willens her, welcher, ſobald er ſich zu dem Boͤſen
wende, mehr im Leiden als im Thun begriffen ſey; nur
durch Chriſti Gnade werde er frei. Er erkennt demnach
wohl die paͤpſtliche Gewalt an, doch fordert er von ihr die
Richtung auf Gott und das allgemeine Beſte.
Contarini legte ſeine Schriften dem Papſte vor. Im
November 1538 fuhr er mit ihm an einem heitern Tage
nach Oſtia. „Da auf dem Wege,“ ſchreibt er an Poole,
„hat mich dieſer unſer gute Alte bei Seite genommen und
mit mir allein uͤber die Reform der Compoſitionen gere-
det. Er ſagte, den kleinen Aufſatz, den ich daruͤber ge-
ſchrieben, habe er bei ſich und in den Morgenſtunden habe
er ihn geleſen. Ich hatte bereits alle Hoffnung aufgege-
1) G. Contarini Cardinalis ad Paulum III. P. M. de po-
testate pontificis in compositionibus. Gedruckt bei Roccaberti
Bibliotheca Pontificia Maxima Tom. XIII. In meinen Haͤnden
iſt noch ein Tractatus de compositionibus datarii Revmi D. Gas-
paris Contareni, 1536, von dem ich nicht finden kann, daß er ir-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/174>, abgerufen am 26.07.2024.
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