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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Analogien des Protestantismus in Italien.
nach gelehrten Sachen, nach ciceronianischem Latein. Tie-
fer verlor man sich bei dem gelehrten und verständigen Gre-
gorio Cortese, Abt von San Giorgio Maggiore bei
Venedig. In die Gebüsche und Lauben von S. Giorgio
verlegt Bruccioli einige seiner Gespräche. Unfern Treviso
hatte Luigi Priuli seine Villa genannt Treville 1). Er ist
einer der rein ausgebildeten venezianischen Charactere, wie
wir ihnen noch heute dann und wann begegnen, voll ru-
higer Empfänglichkeit für wahre und große Gefühle und
uneigennütziger Freundschaft. Hier beschäftigte man sich
hauptsächlich mit geistlichen Studien und Gesprächen. Da
war der Benedictiner Marco von Padua, ein Mann von
tieferer Frömmigkeit, der es wahrscheinlich ist, an dessen
Brüsten Poole Nahrung gesogen zu haben behauptet. Als
das Haupt von allen mochte Gaspar Contarini anzusehen
seyn, von welchem Poole sagt: es sey ihm nichts unbe-
kannt, was der menschliche Geist durch eigene Forschung
entdeckt, oder was die göttliche Gnade ihm mitgetheilt
habe, und dazu füge er den Schmuck der Tugend.

Fragen wir nun, in welchen Ueberzeugungen diese
Männer sich berührten, so ist das hauptsächlich dieselbe
Lehre von der Rechtfertigung, welche in Luther der ganzen
protestantischen Bewegung ihren Ursprung gegeben hatte.
Contarini schrieb einen eigenen Tractat darüber, den Poole
nicht genug zu rühmen weiß. "Du hast," sagt er ihm,
"diesen Edelstein hervorgezogen, den die Kirche in halber
Verborgenheit bewahrte." Poole selber findet, daß die

1) Epistolae Reginaldi Poli ed. Quirini Tom. II. Diatriba
ad epistolas Schelhornii CLXXXIII.

Analogien des Proteſtantismus in Italien.
nach gelehrten Sachen, nach ciceronianiſchem Latein. Tie-
fer verlor man ſich bei dem gelehrten und verſtaͤndigen Gre-
gorio Corteſe, Abt von San Giorgio Maggiore bei
Venedig. In die Gebuͤſche und Lauben von S. Giorgio
verlegt Bruccioli einige ſeiner Geſpraͤche. Unfern Treviſo
hatte Luigi Priuli ſeine Villa genannt Treville 1). Er iſt
einer der rein ausgebildeten venezianiſchen Charactere, wie
wir ihnen noch heute dann und wann begegnen, voll ru-
higer Empfaͤnglichkeit fuͤr wahre und große Gefuͤhle und
uneigennuͤtziger Freundſchaft. Hier beſchaͤftigte man ſich
hauptſaͤchlich mit geiſtlichen Studien und Geſpraͤchen. Da
war der Benedictiner Marco von Padua, ein Mann von
tieferer Froͤmmigkeit, der es wahrſcheinlich iſt, an deſſen
Bruͤſten Poole Nahrung geſogen zu haben behauptet. Als
das Haupt von allen mochte Gaspar Contarini anzuſehen
ſeyn, von welchem Poole ſagt: es ſey ihm nichts unbe-
kannt, was der menſchliche Geiſt durch eigene Forſchung
entdeckt, oder was die goͤttliche Gnade ihm mitgetheilt
habe, und dazu fuͤge er den Schmuck der Tugend.

Fragen wir nun, in welchen Ueberzeugungen dieſe
Maͤnner ſich beruͤhrten, ſo iſt das hauptſaͤchlich dieſelbe
Lehre von der Rechtfertigung, welche in Luther der ganzen
proteſtantiſchen Bewegung ihren Urſprung gegeben hatte.
Contarini ſchrieb einen eigenen Tractat daruͤber, den Poole
nicht genug zu ruͤhmen weiß. „Du haſt,“ ſagt er ihm,
„dieſen Edelſtein hervorgezogen, den die Kirche in halber
Verborgenheit bewahrte.“ Poole ſelber findet, daß die

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[135/0161] Analogien des Proteſtantismus in Italien. nach gelehrten Sachen, nach ciceronianiſchem Latein. Tie- fer verlor man ſich bei dem gelehrten und verſtaͤndigen Gre- gorio Corteſe, Abt von San Giorgio Maggiore bei Venedig. In die Gebuͤſche und Lauben von S. Giorgio verlegt Bruccioli einige ſeiner Geſpraͤche. Unfern Treviſo hatte Luigi Priuli ſeine Villa genannt Treville 1). Er iſt einer der rein ausgebildeten venezianiſchen Charactere, wie wir ihnen noch heute dann und wann begegnen, voll ru- higer Empfaͤnglichkeit fuͤr wahre und große Gefuͤhle und uneigennuͤtziger Freundſchaft. Hier beſchaͤftigte man ſich hauptſaͤchlich mit geiſtlichen Studien und Geſpraͤchen. Da war der Benedictiner Marco von Padua, ein Mann von tieferer Froͤmmigkeit, der es wahrſcheinlich iſt, an deſſen Bruͤſten Poole Nahrung geſogen zu haben behauptet. Als das Haupt von allen mochte Gaspar Contarini anzuſehen ſeyn, von welchem Poole ſagt: es ſey ihm nichts unbe- kannt, was der menſchliche Geiſt durch eigene Forſchung entdeckt, oder was die goͤttliche Gnade ihm mitgetheilt habe, und dazu fuͤge er den Schmuck der Tugend. Fragen wir nun, in welchen Ueberzeugungen dieſe Maͤnner ſich beruͤhrten, ſo iſt das hauptſaͤchlich dieſelbe Lehre von der Rechtfertigung, welche in Luther der ganzen proteſtantiſchen Bewegung ihren Urſprung gegeben hatte. Contarini ſchrieb einen eigenen Tractat daruͤber, den Poole nicht genug zu ruͤhmen weiß. „Du haſt,“ ſagt er ihm, „dieſen Edelſtein hervorgezogen, den die Kirche in halber Verborgenheit bewahrte.“ Poole ſelber findet, daß die 1) Epistolae Reginaldi Poli ed. Quirini Tom. II. Diatriba ad epistolas Schelhornii CLXXXIII.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/161>, abgerufen am 04.12.2024.