auf. Jeden Schritt, der in Rom zu seinem Nachtheile geschah, erwiederte er mit einer Maaßregel gegen die Curie; immer förmlicher sagte er sich von derselben los. Als jene endlich im Jahre 1534 ihre definitive Sentenz erge- hen ließ, bedachte auch er sich nicht weiter, und sprach die vollständige Trennung seines Reiches von dem Papste aus. So schwach waren bereits die Bande, welche den römi- schen Stuhl und die verschiedenen Landeskirchen verknüpf- ten, daß es nichts als den Entschluß eines Fürsten be- durfte, um sein Reich von demselben loszureißen.
Diese Ereignisse erfüllten das letzte Lebensjahr Cle- mens VII. Sie waren ihm um so bitterer, da er nicht ohne alle Schuld daran war, und seine Unfälle in einem qualvollen Zusammenhange mit seinen persönlichen Eigen- schaften standen. Und immer gefährlicher entwickelte sich der Gang der Dinge. Schon drohte Franz I. Italien aufs neue anzufallen; er behauptete hierzu zwar nicht die schrift- liche, aber doch eine mündliche Genehmigung des Papstes erhalten zu haben. Der Kaiser wollte sich nicht länger mit Ausflüchten abweisen lassen, und drang immer nach- drücklicher auf die Einberufung des Conciliums. Häus- liche Mißhelligkeiten kamen hinzu: nachdem es so viele Mühe gekostet, Florenz zu unterwerfen, mußte der Papst erleben, daß die beiden Neffen, die er hatte, sich über die Herrschaft in dieser Stadt entzweiten und in wilde Feind- schaft geriethen: die Gedanken, die er sich hierüber machte, die Furcht vor den kommenden Dingen: -- Schmerz und geheime Qual, sagt Soriano, führten ihn zum Tode 1).
1)Soriano. L'imperatore non cessava di sollecitar il con-
Kap. III.Politiſch-kirchliche Verwickelungen.
auf. Jeden Schritt, der in Rom zu ſeinem Nachtheile geſchah, erwiederte er mit einer Maaßregel gegen die Curie; immer foͤrmlicher ſagte er ſich von derſelben los. Als jene endlich im Jahre 1534 ihre definitive Sentenz erge- hen ließ, bedachte auch er ſich nicht weiter, und ſprach die vollſtaͤndige Trennung ſeines Reiches von dem Papſte aus. So ſchwach waren bereits die Bande, welche den roͤmi- ſchen Stuhl und die verſchiedenen Landeskirchen verknuͤpf- ten, daß es nichts als den Entſchluß eines Fuͤrſten be- durfte, um ſein Reich von demſelben loszureißen.
Dieſe Ereigniſſe erfuͤllten das letzte Lebensjahr Cle- mens VII. Sie waren ihm um ſo bitterer, da er nicht ohne alle Schuld daran war, und ſeine Unfaͤlle in einem qualvollen Zuſammenhange mit ſeinen perſoͤnlichen Eigen- ſchaften ſtanden. Und immer gefaͤhrlicher entwickelte ſich der Gang der Dinge. Schon drohte Franz I. Italien aufs neue anzufallen; er behauptete hierzu zwar nicht die ſchrift- liche, aber doch eine muͤndliche Genehmigung des Papſtes erhalten zu haben. Der Kaiſer wollte ſich nicht laͤnger mit Ausfluͤchten abweiſen laſſen, und drang immer nach- druͤcklicher auf die Einberufung des Conciliums. Haͤus- liche Mißhelligkeiten kamen hinzu: nachdem es ſo viele Muͤhe gekoſtet, Florenz zu unterwerfen, mußte der Papſt erleben, daß die beiden Neffen, die er hatte, ſich uͤber die Herrſchaft in dieſer Stadt entzweiten und in wilde Feind- ſchaft geriethen: die Gedanken, die er ſich hieruͤber machte, die Furcht vor den kommenden Dingen: — Schmerz und geheime Qual, ſagt Soriano, fuͤhrten ihn zum Tode 1).
1)Soriano. L’imperatore non cessava di sollecitar il con-
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Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen.
auf. Jeden Schritt, der in Rom zu ſeinem Nachtheile
geſchah, erwiederte er mit einer Maaßregel gegen die Curie;
immer foͤrmlicher ſagte er ſich von derſelben los. Als
jene endlich im Jahre 1534 ihre definitive Sentenz erge-
hen ließ, bedachte auch er ſich nicht weiter, und ſprach die
vollſtaͤndige Trennung ſeines Reiches von dem Papſte aus.
So ſchwach waren bereits die Bande, welche den roͤmi-
ſchen Stuhl und die verſchiedenen Landeskirchen verknuͤpf-
ten, daß es nichts als den Entſchluß eines Fuͤrſten be-
durfte, um ſein Reich von demſelben loszureißen.
Dieſe Ereigniſſe erfuͤllten das letzte Lebensjahr Cle-
mens VII. Sie waren ihm um ſo bitterer, da er nicht
ohne alle Schuld daran war, und ſeine Unfaͤlle in einem
qualvollen Zuſammenhange mit ſeinen perſoͤnlichen Eigen-
ſchaften ſtanden. Und immer gefaͤhrlicher entwickelte ſich
der Gang der Dinge. Schon drohte Franz I. Italien aufs
neue anzufallen; er behauptete hierzu zwar nicht die ſchrift-
liche, aber doch eine muͤndliche Genehmigung des Papſtes
erhalten zu haben. Der Kaiſer wollte ſich nicht laͤnger
mit Ausfluͤchten abweiſen laſſen, und drang immer nach-
druͤcklicher auf die Einberufung des Conciliums. Haͤus-
liche Mißhelligkeiten kamen hinzu: nachdem es ſo viele
Muͤhe gekoſtet, Florenz zu unterwerfen, mußte der Papſt
erleben, daß die beiden Neffen, die er hatte, ſich uͤber die
Herrſchaft in dieſer Stadt entzweiten und in wilde Feind-
ſchaft geriethen: die Gedanken, die er ſich hieruͤber machte,
die Furcht vor den kommenden Dingen: — Schmerz und
geheime Qual, ſagt Soriano, fuͤhrten ihn zum Tode 1).
1) Soriano. L’imperatore non cessava di sollecitar il con-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/152>, abgerufen am 26.07.2024.
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