Von allen politischen Unternehmungen ist es vielleicht die schwerste, eine Linie zu verlassen, auf der man sich bis- her bewegt, Erfolge rückgängig zu machen, die man selber hervorgerufen.
Und wie viel kam dießmal darauf an! Die Italie- ner fühlten ganz, daß es eine Entscheidung auf Jahrhun- derte galt. Es hatte sich in der Nation ein großes Ge- meingefühl hervorgethan. Ich glaube wohl, daß die li- terarisch-künstlerische Ausbildung, so weit hervorragend über alles, was andere Nationen leisteten, dazu das Meiste beitrug. Auch zeigte sich die Hoffart und Habgier der Spanier, der Anführer so gut wie der Gemeinen, wahr- haft unerträglich. Es war eine Mischung von Verachtung und Ingrimm, mit der man diese fremdgeborenen halbbarba- rischen Herrscher im Lande sah. Noch lagen die Dinge so, daß man sich ihrer vielleicht entledigen konnte. Aber man mußte sich nicht verbergen: wenn man es nicht mit allen nationalen Kräften unternahm, wenn man unterlag, so war man auf immer verloren.
Ich wünschte wohl, die Entwickelung dieser Periode, in ihrer Fülle, den ganzen Kampf der aufgeregten Kräfte ausführlich darstellen zu können. Hier dürfen wir nur einige Hauptmomente desselben begleiten.
Man begann damit, und es schien überaus wohl aus- gesonnen, daß man im Jahre 1525 den besten General des Kaisers, der allerdings sehr mißvergnügt war, an sich zu ziehen suchte. Was brauchte man weiter, wenn man, wie man hoffte, dem Kaiser mit dem General die Armee entzog, durch die er Italien beherrschte. Man ließ es an
Kap. III.Politiſch-kirchliche Verwickelungen.
Von allen politiſchen Unternehmungen iſt es vielleicht die ſchwerſte, eine Linie zu verlaſſen, auf der man ſich bis- her bewegt, Erfolge ruͤckgaͤngig zu machen, die man ſelber hervorgerufen.
Und wie viel kam dießmal darauf an! Die Italie- ner fuͤhlten ganz, daß es eine Entſcheidung auf Jahrhun- derte galt. Es hatte ſich in der Nation ein großes Ge- meingefuͤhl hervorgethan. Ich glaube wohl, daß die li- terariſch-kuͤnſtleriſche Ausbildung, ſo weit hervorragend uͤber alles, was andere Nationen leiſteten, dazu das Meiſte beitrug. Auch zeigte ſich die Hoffart und Habgier der Spanier, der Anfuͤhrer ſo gut wie der Gemeinen, wahr- haft unertraͤglich. Es war eine Miſchung von Verachtung und Ingrimm, mit der man dieſe fremdgeborenen halbbarba- riſchen Herrſcher im Lande ſah. Noch lagen die Dinge ſo, daß man ſich ihrer vielleicht entledigen konnte. Aber man mußte ſich nicht verbergen: wenn man es nicht mit allen nationalen Kraͤften unternahm, wenn man unterlag, ſo war man auf immer verloren.
Ich wuͤnſchte wohl, die Entwickelung dieſer Periode, in ihrer Fuͤlle, den ganzen Kampf der aufgeregten Kraͤfte ausfuͤhrlich darſtellen zu koͤnnen. Hier duͤrfen wir nur einige Hauptmomente deſſelben begleiten.
Man begann damit, und es ſchien uͤberaus wohl aus- geſonnen, daß man im Jahre 1525 den beſten General des Kaiſers, der allerdings ſehr mißvergnuͤgt war, an ſich zu ziehen ſuchte. Was brauchte man weiter, wenn man, wie man hoffte, dem Kaiſer mit dem General die Armee entzog, durch die er Italien beherrſchte. Man ließ es an
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Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen.
Von allen politiſchen Unternehmungen iſt es vielleicht
die ſchwerſte, eine Linie zu verlaſſen, auf der man ſich bis-
her bewegt, Erfolge ruͤckgaͤngig zu machen, die man ſelber
hervorgerufen.
Und wie viel kam dießmal darauf an! Die Italie-
ner fuͤhlten ganz, daß es eine Entſcheidung auf Jahrhun-
derte galt. Es hatte ſich in der Nation ein großes Ge-
meingefuͤhl hervorgethan. Ich glaube wohl, daß die li-
terariſch-kuͤnſtleriſche Ausbildung, ſo weit hervorragend
uͤber alles, was andere Nationen leiſteten, dazu das Meiſte
beitrug. Auch zeigte ſich die Hoffart und Habgier der
Spanier, der Anfuͤhrer ſo gut wie der Gemeinen, wahr-
haft unertraͤglich. Es war eine Miſchung von Verachtung
und Ingrimm, mit der man dieſe fremdgeborenen halbbarba-
riſchen Herrſcher im Lande ſah. Noch lagen die Dinge ſo,
daß man ſich ihrer vielleicht entledigen konnte. Aber man
mußte ſich nicht verbergen: wenn man es nicht mit allen
nationalen Kraͤften unternahm, wenn man unterlag, ſo war
man auf immer verloren.
Ich wuͤnſchte wohl, die Entwickelung dieſer Periode,
in ihrer Fuͤlle, den ganzen Kampf der aufgeregten Kraͤfte
ausfuͤhrlich darſtellen zu koͤnnen. Hier duͤrfen wir nur
einige Hauptmomente deſſelben begleiten.
Man begann damit, und es ſchien uͤberaus wohl aus-
geſonnen, daß man im Jahre 1525 den beſten General
des Kaiſers, der allerdings ſehr mißvergnuͤgt war, an ſich
zu ziehen ſuchte. Was brauchte man weiter, wenn man,
wie man hoffte, dem Kaiſer mit dem General die Armee
entzog, durch die er Italien beherrſchte. Man ließ es an
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/128>, abgerufen am 12.12.2024.
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