Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
Kap. III. Politisch-kirchliche Verwickelungen.

Wenigstens ist es nicht allein der Persönlichkeit Adrians
zuzuschreiben, wenn seine Zeiten unfruchtbar an Erfolgen
blieben. Das Papstthum war von großen weltbeherrschen-
den Nothwendigkeiten umgeben, die auch einem, in den
Geschäften desselben gewandteren, der Personen und der Mit-
tel kundigeren Manne unendlich viel zu schaffen machen
konnten.

Unter allen Cardinälen gab es Keinen, der für die
Verwaltung des Papstthums geeigneter, dieser Last mehr
gewachsen zu seyn geschienen hätte, als Julius Medici.
Unter Leo hatte er schon den größten Theil der Geschäfte,
das ganze Detail in Händen gehabt. Selbst unter Adrian
hatte er einen gewissen Einfluß behauptet 1). Dießmal
ließ er sich die höchste Würde nicht wieder entgehen. Er
nannte sich Clemens VII.

Mit vieler Sorgfalt vermied der neue Papst die Ue-
belstände, die unter seinen beiden Vorgängern hervorgetre-
ten waren: die Unzuverlässigkeiten, Vergeudungen und an-
stößigen Gewohnheiten Leo's, so wie den Widerstreit in
den sich Adrian mit den Richtungen seines Hofes einge-
lassen hatte; es ging alles vernünftig her; wenigstens an
ihm selber nahm man nichts als Unbescholtenheit und Mä-
ßigung wahr 2); die pontificalen Ceremonien wurden sorg-
fältig vollzogen, die Audienzen unermüdlich von früh bis

1) Relatione di Marco Foscari 1526 sagt von ihm in Bezug
auf jene Zeiten: Stava con grandissima reputation e governava
il papato et havia piu zente a la sua audientia cha il papa.
2) Vettori sagt, seit 100 Jahren sey kein so guter Mensch Papst
Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen.

Wenigſtens iſt es nicht allein der Perſoͤnlichkeit Adrians
zuzuſchreiben, wenn ſeine Zeiten unfruchtbar an Erfolgen
blieben. Das Papſtthum war von großen weltbeherrſchen-
den Nothwendigkeiten umgeben, die auch einem, in den
Geſchaͤften deſſelben gewandteren, der Perſonen und der Mit-
tel kundigeren Manne unendlich viel zu ſchaffen machen
konnten.

Unter allen Cardinaͤlen gab es Keinen, der fuͤr die
Verwaltung des Papſtthums geeigneter, dieſer Laſt mehr
gewachſen zu ſeyn geſchienen haͤtte, als Julius Medici.
Unter Leo hatte er ſchon den groͤßten Theil der Geſchaͤfte,
das ganze Detail in Haͤnden gehabt. Selbſt unter Adrian
hatte er einen gewiſſen Einfluß behauptet 1). Dießmal
ließ er ſich die hoͤchſte Wuͤrde nicht wieder entgehen. Er
nannte ſich Clemens VII.

Mit vieler Sorgfalt vermied der neue Papſt die Ue-
belſtaͤnde, die unter ſeinen beiden Vorgaͤngern hervorgetre-
ten waren: die Unzuverlaͤſſigkeiten, Vergeudungen und an-
ſtoͤßigen Gewohnheiten Leo’s, ſo wie den Widerſtreit in
den ſich Adrian mit den Richtungen ſeines Hofes einge-
laſſen hatte; es ging alles vernuͤnftig her; wenigſtens an
ihm ſelber nahm man nichts als Unbeſcholtenheit und Maͤ-
ßigung wahr 2); die pontificalen Ceremonien wurden ſorg-
faͤltig vollzogen, die Audienzen unermuͤdlich von fruͤh bis

1) Relatione di Marco Foscari 1526 ſagt von ihm in Bezug
auf jene Zeiten: Stava con grandissima reputation e governava
il papato et havia piu zente a la sua audientia cha il papa.
2) Vettori ſagt, ſeit 100 Jahren ſey kein ſo guter Menſch Papſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0124" n="98"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Kap</hi>. <hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Politi&#x017F;ch-kirchliche Verwickelungen</hi>.</fw><lb/>
          <p>Wenig&#x017F;tens i&#x017F;t es nicht allein der Per&#x017F;o&#x0364;nlichkeit Adrians<lb/>
zuzu&#x017F;chreiben, wenn &#x017F;eine Zeiten unfruchtbar an Erfolgen<lb/>
blieben. Das Pap&#x017F;tthum war von großen weltbeherr&#x017F;chen-<lb/>
den Nothwendigkeiten umgeben, die auch einem, in den<lb/>
Ge&#x017F;cha&#x0364;ften de&#x017F;&#x017F;elben gewandteren, der Per&#x017F;onen und der Mit-<lb/>
tel kundigeren Manne unendlich viel zu &#x017F;chaffen machen<lb/>
konnten.</p><lb/>
          <p>Unter allen Cardina&#x0364;len gab es Keinen, der fu&#x0364;r die<lb/>
Verwaltung des Pap&#x017F;tthums geeigneter, die&#x017F;er La&#x017F;t mehr<lb/>
gewach&#x017F;en zu &#x017F;eyn ge&#x017F;chienen ha&#x0364;tte, als Julius Medici.<lb/>
Unter Leo hatte er &#x017F;chon den gro&#x0364;ßten Theil der Ge&#x017F;cha&#x0364;fte,<lb/>
das ganze Detail in Ha&#x0364;nden gehabt. Selb&#x017F;t unter Adrian<lb/>
hatte er einen gewi&#x017F;&#x017F;en Einfluß behauptet <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Relatione di Marco Foscari</hi> 1526 &#x017F;agt von ihm in Bezug<lb/>
auf jene Zeiten: <hi rendition="#aq">Stava con grandissima reputation e governava<lb/>
il papato et havia piu zente a la sua audientia cha il papa.</hi></note>. Dießmal<lb/>
ließ er &#x017F;ich die ho&#x0364;ch&#x017F;te Wu&#x0364;rde nicht wieder entgehen. Er<lb/>
nannte &#x017F;ich Clemens <hi rendition="#aq">VII.</hi></p><lb/>
          <p>Mit vieler Sorgfalt vermied der neue Pap&#x017F;t die Ue-<lb/>
bel&#x017F;ta&#x0364;nde, die unter &#x017F;einen beiden Vorga&#x0364;ngern hervorgetre-<lb/>
ten waren: die Unzuverla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeiten, Vergeudungen und an-<lb/>
&#x017F;to&#x0364;ßigen Gewohnheiten Leo&#x2019;s, &#x017F;o wie den Wider&#x017F;treit in<lb/>
den &#x017F;ich Adrian mit den Richtungen &#x017F;eines Hofes einge-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en hatte; es ging alles vernu&#x0364;nftig her; wenig&#x017F;tens an<lb/>
ihm &#x017F;elber nahm man nichts als Unbe&#x017F;choltenheit und Ma&#x0364;-<lb/>
ßigung wahr <note xml:id="note-0124" next="#note-0125" place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Vettori</hi> &#x017F;agt, &#x017F;eit 100 Jahren &#x017F;ey kein &#x017F;o guter Men&#x017F;ch Pap&#x017F;t</note>; die pontificalen Ceremonien wurden &#x017F;org-<lb/>
fa&#x0364;ltig vollzogen, die Audienzen unermu&#x0364;dlich von fru&#x0364;h bis<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0124] Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen. Wenigſtens iſt es nicht allein der Perſoͤnlichkeit Adrians zuzuſchreiben, wenn ſeine Zeiten unfruchtbar an Erfolgen blieben. Das Papſtthum war von großen weltbeherrſchen- den Nothwendigkeiten umgeben, die auch einem, in den Geſchaͤften deſſelben gewandteren, der Perſonen und der Mit- tel kundigeren Manne unendlich viel zu ſchaffen machen konnten. Unter allen Cardinaͤlen gab es Keinen, der fuͤr die Verwaltung des Papſtthums geeigneter, dieſer Laſt mehr gewachſen zu ſeyn geſchienen haͤtte, als Julius Medici. Unter Leo hatte er ſchon den groͤßten Theil der Geſchaͤfte, das ganze Detail in Haͤnden gehabt. Selbſt unter Adrian hatte er einen gewiſſen Einfluß behauptet 1). Dießmal ließ er ſich die hoͤchſte Wuͤrde nicht wieder entgehen. Er nannte ſich Clemens VII. Mit vieler Sorgfalt vermied der neue Papſt die Ue- belſtaͤnde, die unter ſeinen beiden Vorgaͤngern hervorgetre- ten waren: die Unzuverlaͤſſigkeiten, Vergeudungen und an- ſtoͤßigen Gewohnheiten Leo’s, ſo wie den Widerſtreit in den ſich Adrian mit den Richtungen ſeines Hofes einge- laſſen hatte; es ging alles vernuͤnftig her; wenigſtens an ihm ſelber nahm man nichts als Unbeſcholtenheit und Maͤ- ßigung wahr 2); die pontificalen Ceremonien wurden ſorg- faͤltig vollzogen, die Audienzen unermuͤdlich von fruͤh bis 1) Relatione di Marco Foscari 1526 ſagt von ihm in Bezug auf jene Zeiten: Stava con grandissima reputation e governava il papato et havia piu zente a la sua audientia cha il papa. 2) Vettori ſagt, ſeit 100 Jahren ſey kein ſo guter Menſch Papſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/124
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/124>, abgerufen am 04.12.2024.