Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Kap. III. Politisch-kirchliche Verwickelungen.
laufe, indem er Deutschland zu behaupten suche, Italien
zu verlieren 1).

Genug bei jedem Schritte sah er sich von tausend
Schwierigkeiten umgeben.

Dazu kam, daß er sich zu Rom in einem fremden
Element befand, das er schon darum nicht beherrschen
konnte, weil er es nicht kannte, seine innern Lebenstriebe
nicht verstand. Man hatte ihn mit Freuden empfangen:
man erzählte sich, er habe bei 5000 erledigte Beneficien
zu vergeben, und Jedermann machte sich Hoffnung. Nie-
mals aber zeigte sich ein Papst hierin zurückhaltender.
Adrian wollte wissen, wen er versorge, wem er die Stel-
len anvertraue: mit scrupulöser Gewissenhaftigkeit ging er
hierin zu Werke 2); er täuschte unzählige Erwartungen.
Der erste Beschluß seines Pontificates war gewesen, die
Anwartschaften abzustellen, die man bisher auf geistliche
Würden ertheilt hatte: selbst die, welche schon verliehen
worden, hatte er zurückgenommen. Es konnte nicht fehlen:
als er diesen Beschluß in Rom publicirte, mußte er sich
damit bittere Feindschaften in Menge zuziehen. Man
hatte bisher an dem Hofe eine gewisse Freiheit des Re-
dens, des Schreibens genossen: er wollte sie nicht fer-

ner
1) In dem ersten Buche der historia del concilio Triden-
tino
von P. Sarpi Ausg. v. 1629 p. 23 findet man eine gute
Auseinandersetzung dieser Lage der Dinge, entnommen aus einem
Diario des Chieregato.
2) Ortiz Itinerarium c. 28. c. 39, vorzüglich glaubwürdig
wie er sagt, cum provisiones et alia hujusmodi testis oculatus
inspexerim.

Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen.
laufe, indem er Deutſchland zu behaupten ſuche, Italien
zu verlieren 1).

Genug bei jedem Schritte ſah er ſich von tauſend
Schwierigkeiten umgeben.

Dazu kam, daß er ſich zu Rom in einem fremden
Element befand, das er ſchon darum nicht beherrſchen
konnte, weil er es nicht kannte, ſeine innern Lebenstriebe
nicht verſtand. Man hatte ihn mit Freuden empfangen:
man erzaͤhlte ſich, er habe bei 5000 erledigte Beneficien
zu vergeben, und Jedermann machte ſich Hoffnung. Nie-
mals aber zeigte ſich ein Papſt hierin zuruͤckhaltender.
Adrian wollte wiſſen, wen er verſorge, wem er die Stel-
len anvertraue: mit ſcrupuloͤſer Gewiſſenhaftigkeit ging er
hierin zu Werke 2); er taͤuſchte unzaͤhlige Erwartungen.
Der erſte Beſchluß ſeines Pontificates war geweſen, die
Anwartſchaften abzuſtellen, die man bisher auf geiſtliche
Wuͤrden ertheilt hatte: ſelbſt die, welche ſchon verliehen
worden, hatte er zuruͤckgenommen. Es konnte nicht fehlen:
als er dieſen Beſchluß in Rom publicirte, mußte er ſich
damit bittere Feindſchaften in Menge zuziehen. Man
hatte bisher an dem Hofe eine gewiſſe Freiheit des Re-
dens, des Schreibens genoſſen: er wollte ſie nicht fer-

ner
1) In dem erſten Buche der historia del concilio Triden-
tino
von P. Sarpi Ausg. v. 1629 p. 23 findet man eine gute
Auseinanderſetzung dieſer Lage der Dinge, entnommen aus einem
Diario des Chieregato.
2) Ortiz Itinerarium c. 28. c. 39, vorzuͤglich glaubwuͤrdig
wie er ſagt, cum provisiones et alia hujusmodi testis oculatus
inspexerim.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0122" n="96"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Kap</hi>. <hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Politi&#x017F;ch-kirchliche Verwickelungen</hi>.</fw><lb/>
laufe, indem er Deut&#x017F;chland zu behaupten &#x017F;uche, Italien<lb/>
zu verlieren <note place="foot" n="1)">In dem er&#x017F;ten Buche der <hi rendition="#aq">historia del concilio Triden-<lb/>
tino</hi> von P. Sarpi Ausg. v. 1629 <hi rendition="#aq">p.</hi> 23 findet man eine gute<lb/>
Auseinander&#x017F;etzung die&#x017F;er Lage der Dinge, entnommen aus einem<lb/>
Diario des Chieregato.</note>.</p><lb/>
          <p>Genug bei jedem Schritte &#x017F;ah er &#x017F;ich von tau&#x017F;end<lb/>
Schwierigkeiten umgeben.</p><lb/>
          <p>Dazu kam, daß er &#x017F;ich zu Rom in einem fremden<lb/>
Element befand, das er &#x017F;chon darum nicht beherr&#x017F;chen<lb/>
konnte, weil er es nicht kannte, &#x017F;eine innern Lebenstriebe<lb/>
nicht ver&#x017F;tand. Man hatte ihn mit Freuden empfangen:<lb/>
man erza&#x0364;hlte &#x017F;ich, er habe bei 5000 erledigte Beneficien<lb/>
zu vergeben, und Jedermann machte &#x017F;ich Hoffnung. Nie-<lb/>
mals aber zeigte &#x017F;ich ein Pap&#x017F;t hierin zuru&#x0364;ckhaltender.<lb/>
Adrian wollte wi&#x017F;&#x017F;en, wen er ver&#x017F;orge, wem er die Stel-<lb/>
len anvertraue: mit &#x017F;crupulo&#x0364;&#x017F;er Gewi&#x017F;&#x017F;enhaftigkeit ging er<lb/>
hierin zu Werke <note place="foot" n="2)">Ortiz <hi rendition="#aq">Itinerarium c. 28. c. 39,</hi> vorzu&#x0364;glich glaubwu&#x0364;rdig<lb/>
wie er &#x017F;agt, <hi rendition="#aq">cum provisiones et alia hujusmodi testis oculatus<lb/>
inspexerim.</hi></note>; er ta&#x0364;u&#x017F;chte unza&#x0364;hlige Erwartungen.<lb/>
Der er&#x017F;te Be&#x017F;chluß &#x017F;eines Pontificates war gewe&#x017F;en, die<lb/>
Anwart&#x017F;chaften abzu&#x017F;tellen, die man bisher auf gei&#x017F;tliche<lb/>
Wu&#x0364;rden ertheilt hatte: &#x017F;elb&#x017F;t die, welche &#x017F;chon verliehen<lb/>
worden, hatte er zuru&#x0364;ckgenommen. Es konnte nicht fehlen:<lb/>
als er die&#x017F;en Be&#x017F;chluß in Rom publicirte, mußte er &#x017F;ich<lb/>
damit bittere Feind&#x017F;chaften in Menge zuziehen. Man<lb/>
hatte bisher an dem Hofe eine gewi&#x017F;&#x017F;e Freiheit des Re-<lb/>
dens, des Schreibens geno&#x017F;&#x017F;en: er wollte &#x017F;ie nicht fer-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ner</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0122] Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen. laufe, indem er Deutſchland zu behaupten ſuche, Italien zu verlieren 1). Genug bei jedem Schritte ſah er ſich von tauſend Schwierigkeiten umgeben. Dazu kam, daß er ſich zu Rom in einem fremden Element befand, das er ſchon darum nicht beherrſchen konnte, weil er es nicht kannte, ſeine innern Lebenstriebe nicht verſtand. Man hatte ihn mit Freuden empfangen: man erzaͤhlte ſich, er habe bei 5000 erledigte Beneficien zu vergeben, und Jedermann machte ſich Hoffnung. Nie- mals aber zeigte ſich ein Papſt hierin zuruͤckhaltender. Adrian wollte wiſſen, wen er verſorge, wem er die Stel- len anvertraue: mit ſcrupuloͤſer Gewiſſenhaftigkeit ging er hierin zu Werke 2); er taͤuſchte unzaͤhlige Erwartungen. Der erſte Beſchluß ſeines Pontificates war geweſen, die Anwartſchaften abzuſtellen, die man bisher auf geiſtliche Wuͤrden ertheilt hatte: ſelbſt die, welche ſchon verliehen worden, hatte er zuruͤckgenommen. Es konnte nicht fehlen: als er dieſen Beſchluß in Rom publicirte, mußte er ſich damit bittere Feindſchaften in Menge zuziehen. Man hatte bisher an dem Hofe eine gewiſſe Freiheit des Re- dens, des Schreibens genoſſen: er wollte ſie nicht fer- ner 1) In dem erſten Buche der historia del concilio Triden- tino von P. Sarpi Ausg. v. 1629 p. 23 findet man eine gute Auseinanderſetzung dieſer Lage der Dinge, entnommen aus einem Diario des Chieregato. 2) Ortiz Itinerarium c. 28. c. 39, vorzuͤglich glaubwuͤrdig wie er ſagt, cum provisiones et alia hujusmodi testis oculatus inspexerim.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/122
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/122>, abgerufen am 04.12.2024.