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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Unter Leo X.

Das römische Volk konnte ihm nicht vergeben, daß
er ohne die Sacramente verschieden war, daß er so viel
Geld ausgegeben hatte und doch Schulden genug zurück-
ließ. Es begleitete seine Leiche mit Schmähungen. "Wie
ein Fuchs," sagten sie, "hast du dich eingeschlichen, wie
ein Löwe hast du regiert, wie ein Hund bist du dahinge-
fahren." Die Nachwelt dagegen hat ein Jahrhundert und
eine große Entwickelung der Menschheit mit seinem Na-
men bezeichnet 1).

Glücklich haben wir ihn genannt. Nachdem er den
ersten Unfall, der nicht sowohl ihn, als andre Mitglieder
seines Hauses traf, überstanden, trug ihn sein Geschick von
Genuß zu Genuß, von Erfolg zu Erfolg. Grade die Wi-
derwärtigkeiten mußten dienen, ihn emporzubringen. In
einer Art von geistiger Trunkenheit und immerwährender
Erfüllung seiner Wünsche verfloß ihm sein Leben. Es ge-
hörte dazu, daß er so gutmüthig und freigebig, so bildungs-
fähig und voll Anerkennung war. Eben diese Eigenschaf-
ten sind die schönsten Gaben der Natur, Glücksgüter, die
man sich selten erwirbt, und die doch allen Genuß des Le-
bens bedingen. Die Geschäfte störten ihn darin wenig.
Da er sich nicht um das Detail bekümmerte, da er sie
nur im Großen ansah, so wurden sie ihm nicht drückend
und beschäftigten ihm nur die edelsten Fähigkeiten des Gei-

nione Mastro Severino che lo vide aprire, dice che non e ve-
nenato.
1) Capitoli di una lettera scritta a Roma 21 Dcbr. 1521
"concludo, che non e morto mai papa cum peggior fama dapoi
e la chiesa di Dio."
Unter Leo X.

Das roͤmiſche Volk konnte ihm nicht vergeben, daß
er ohne die Sacramente verſchieden war, daß er ſo viel
Geld ausgegeben hatte und doch Schulden genug zuruͤck-
ließ. Es begleitete ſeine Leiche mit Schmaͤhungen. „Wie
ein Fuchs,“ ſagten ſie, „haſt du dich eingeſchlichen, wie
ein Loͤwe haſt du regiert, wie ein Hund biſt du dahinge-
fahren.“ Die Nachwelt dagegen hat ein Jahrhundert und
eine große Entwickelung der Menſchheit mit ſeinem Na-
men bezeichnet 1).

Gluͤcklich haben wir ihn genannt. Nachdem er den
erſten Unfall, der nicht ſowohl ihn, als andre Mitglieder
ſeines Hauſes traf, uͤberſtanden, trug ihn ſein Geſchick von
Genuß zu Genuß, von Erfolg zu Erfolg. Grade die Wi-
derwaͤrtigkeiten mußten dienen, ihn emporzubringen. In
einer Art von geiſtiger Trunkenheit und immerwaͤhrender
Erfuͤllung ſeiner Wuͤnſche verfloß ihm ſein Leben. Es ge-
hoͤrte dazu, daß er ſo gutmuͤthig und freigebig, ſo bildungs-
faͤhig und voll Anerkennung war. Eben dieſe Eigenſchaf-
ten ſind die ſchoͤnſten Gaben der Natur, Gluͤcksguͤter, die
man ſich ſelten erwirbt, und die doch allen Genuß des Le-
bens bedingen. Die Geſchaͤfte ſtoͤrten ihn darin wenig.
Da er ſich nicht um das Detail bekuͤmmerte, da er ſie
nur im Großen anſah, ſo wurden ſie ihm nicht druͤckend
und beſchaͤftigten ihm nur die edelſten Faͤhigkeiten des Gei-

nione Mastro Severino che lo vide aprire, dice che non è ve-
nenato.
1) Capitoli di una lettera scritta a Roma 21 Dcbr. 1521
„concludo, che non è morto mai papa cum peggior fama dapoi
è la chiesa di Dio.“
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[89/0115] Unter Leo X. Das roͤmiſche Volk konnte ihm nicht vergeben, daß er ohne die Sacramente verſchieden war, daß er ſo viel Geld ausgegeben hatte und doch Schulden genug zuruͤck- ließ. Es begleitete ſeine Leiche mit Schmaͤhungen. „Wie ein Fuchs,“ ſagten ſie, „haſt du dich eingeſchlichen, wie ein Loͤwe haſt du regiert, wie ein Hund biſt du dahinge- fahren.“ Die Nachwelt dagegen hat ein Jahrhundert und eine große Entwickelung der Menſchheit mit ſeinem Na- men bezeichnet 1). Gluͤcklich haben wir ihn genannt. Nachdem er den erſten Unfall, der nicht ſowohl ihn, als andre Mitglieder ſeines Hauſes traf, uͤberſtanden, trug ihn ſein Geſchick von Genuß zu Genuß, von Erfolg zu Erfolg. Grade die Wi- derwaͤrtigkeiten mußten dienen, ihn emporzubringen. In einer Art von geiſtiger Trunkenheit und immerwaͤhrender Erfuͤllung ſeiner Wuͤnſche verfloß ihm ſein Leben. Es ge- hoͤrte dazu, daß er ſo gutmuͤthig und freigebig, ſo bildungs- faͤhig und voll Anerkennung war. Eben dieſe Eigenſchaf- ten ſind die ſchoͤnſten Gaben der Natur, Gluͤcksguͤter, die man ſich ſelten erwirbt, und die doch allen Genuß des Le- bens bedingen. Die Geſchaͤfte ſtoͤrten ihn darin wenig. Da er ſich nicht um das Detail bekuͤmmerte, da er ſie nur im Großen anſah, ſo wurden ſie ihm nicht druͤckend und beſchaͤftigten ihm nur die edelſten Faͤhigkeiten des Gei- 2) 1) Capitoli di una lettera scritta a Roma 21 Dcbr. 1521 „concludo, che non è morto mai papa cum peggior fama dapoi è la chiesa di Dio.“ 2) nione Mastro Severino che lo vide aprire, dice che non è ve- nenato.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/115>, abgerufen am 04.12.2024.