abgeschlossen, so müsse man darum nicht ablassen, mit der andern zu unterhandeln 1). Eine so zweizüngige Politik entsprang ihm aus der Stellung in der er sich befand.
Im Ernste konnte jedoch selbst Leo schwerlich zweifel- haft seyn, zu welcher Partei er sich zu schlagen habe. Hätte ihm auch nicht unendlich viel daran liegen müssen, Parma und Piacenza wiederzuerlangen: hätte ihn auch nicht das Versprechen Carls V., einen Italiener in Mai- land einzusetzen, das so ganz zu seinen Gunsten war, zu bestimmen vermocht, so gab es noch einen andern, wie mich dünkt, völlig entscheidenden Grund. Er lag in dem Verhältniß der Religion.
In der ganzen Periode, die wir betrachten, war den Fürsten in ihren Verwickelungen mit dem römischen Stuhle nichts so erwünscht gewesen, als demselben eine geistliche Opposition hervorzurufen. Wider Alexander VI. hatte Carl VIII. von Frankreich keinen zuverläßigeren Beistand, als den Dominikaner Hieronymus Savonarola in Florenz. Als Ludwig XII. jede Hoffnung zur Versöhnung mit Ju- lius II. aufgegeben, berief er ein Concilium zu Pisa: so wenig Succeß dasselbe hatte, so schien es doch zu Rom eine höchst gefährliche Sache. Wann aber stand dem Papst ein kühnerer glücklicherer Feind auf, als Luther? Seine Erschei- nung allein, seine Existenz gab ihm eine wichtige politische Bedeutung. Von dieser Seite faßte Maximilian die Sache; er hätte nicht gelitten, daß dem Mönch Gewalt geschähe;
1)Suriano Relatione di 1533: dicesi del Pp. Leone, che quando 'l aveva fatto lega con alcuno, prima soleva dir che pero non si dovea restar de tratar cum lo altro principe opposto.
Unter LeoX.
abgeſchloſſen, ſo muͤſſe man darum nicht ablaſſen, mit der andern zu unterhandeln 1). Eine ſo zweizuͤngige Politik entſprang ihm aus der Stellung in der er ſich befand.
Im Ernſte konnte jedoch ſelbſt Leo ſchwerlich zweifel- haft ſeyn, zu welcher Partei er ſich zu ſchlagen habe. Haͤtte ihm auch nicht unendlich viel daran liegen muͤſſen, Parma und Piacenza wiederzuerlangen: haͤtte ihn auch nicht das Verſprechen Carls V., einen Italiener in Mai- land einzuſetzen, das ſo ganz zu ſeinen Gunſten war, zu beſtimmen vermocht, ſo gab es noch einen andern, wie mich duͤnkt, voͤllig entſcheidenden Grund. Er lag in dem Verhaͤltniß der Religion.
In der ganzen Periode, die wir betrachten, war den Fuͤrſten in ihren Verwickelungen mit dem roͤmiſchen Stuhle nichts ſo erwuͤnſcht geweſen, als demſelben eine geiſtliche Oppoſition hervorzurufen. Wider Alexander VI. hatte Carl VIII. von Frankreich keinen zuverlaͤßigeren Beiſtand, als den Dominikaner Hieronymus Savonarola in Florenz. Als Ludwig XII. jede Hoffnung zur Verſoͤhnung mit Ju- lius II. aufgegeben, berief er ein Concilium zu Piſa: ſo wenig Succeß daſſelbe hatte, ſo ſchien es doch zu Rom eine hoͤchſt gefaͤhrliche Sache. Wann aber ſtand dem Papſt ein kuͤhnerer gluͤcklicherer Feind auf, als Luther? Seine Erſchei- nung allein, ſeine Exiſtenz gab ihm eine wichtige politiſche Bedeutung. Von dieſer Seite faßte Maximilian die Sache; er haͤtte nicht gelitten, daß dem Moͤnch Gewalt geſchaͤhe;
1)Suriano Relatione di 1533: dicesi del Pp. Leone, che quando ’l aveva fatto lega con alcuno, prima soleva dir che pero non si dovea restar de tratar cum lo altro principe opposto.
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Unter Leo X.
abgeſchloſſen, ſo muͤſſe man darum nicht ablaſſen, mit der
andern zu unterhandeln 1). Eine ſo zweizuͤngige Politik
entſprang ihm aus der Stellung in der er ſich befand.
Im Ernſte konnte jedoch ſelbſt Leo ſchwerlich zweifel-
haft ſeyn, zu welcher Partei er ſich zu ſchlagen habe.
Haͤtte ihm auch nicht unendlich viel daran liegen muͤſſen,
Parma und Piacenza wiederzuerlangen: haͤtte ihn auch
nicht das Verſprechen Carls V., einen Italiener in Mai-
land einzuſetzen, das ſo ganz zu ſeinen Gunſten war, zu
beſtimmen vermocht, ſo gab es noch einen andern, wie
mich duͤnkt, voͤllig entſcheidenden Grund. Er lag in dem
Verhaͤltniß der Religion.
In der ganzen Periode, die wir betrachten, war den
Fuͤrſten in ihren Verwickelungen mit dem roͤmiſchen Stuhle
nichts ſo erwuͤnſcht geweſen, als demſelben eine geiſtliche
Oppoſition hervorzurufen. Wider Alexander VI. hatte
Carl VIII. von Frankreich keinen zuverlaͤßigeren Beiſtand, als
den Dominikaner Hieronymus Savonarola in Florenz.
Als Ludwig XII. jede Hoffnung zur Verſoͤhnung mit Ju-
lius II. aufgegeben, berief er ein Concilium zu Piſa: ſo
wenig Succeß daſſelbe hatte, ſo ſchien es doch zu Rom eine
hoͤchſt gefaͤhrliche Sache. Wann aber ſtand dem Papſt ein
kuͤhnerer gluͤcklicherer Feind auf, als Luther? Seine Erſchei-
nung allein, ſeine Exiſtenz gab ihm eine wichtige politiſche
Bedeutung. Von dieſer Seite faßte Maximilian die Sache;
er haͤtte nicht gelitten, daß dem Moͤnch Gewalt geſchaͤhe;
1) Suriano Relatione di 1533: dicesi del Pp. Leone, che
quando ’l aveva fatto lega con alcuno, prima soleva dir che pero
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/111>, abgerufen am 12.12.2024.
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