Drittes Kapitel. Politische Verwickelungen. Zusammenhang der Reformation mit denselben.
Mit den weltlichen Bestrebungen des Papstthums hatte sich dergestalt eine doppelte Bewegung gebildet. Die eine: religiös; schon begann ein Abfall, dem man es ansah, daß er eine unermeßliche Zukunft in sich schloß. Die an- dere: politisch; die in Kampf gesetzten Elemente waren noch in der lebhaftesten Gährung begriffen und mußten zu neuen Entwickelungen gedeihen. Diese beiden Bewegungen, ihre Einwirkung auf einander, die Gegensätze, die sie hervor- riefen, haben dann die Geschichte des Papstthums Jahrhun- derte lang beherrscht.
Wollte sich doch nie ein Fürst, ein Staat einbilden, daß ihm etwas zu Gute kommen könne, was er sich nicht selbst verdankt, was er nicht mit eigenen Kräften erwor- ben hat!
Indem die italienischen Mächte mit Hülfe fremder Nationen eine die andre zu überwinden suchten, hatten sie die Unabhängigkeit, die sie während des funfzehnten Jahr- hunderts besessen, selber zerstört, und ihr Land den Uebrigen als einen allgemeinen Kampfpreis dargestellt. Den Päpsten muß ein großer Antheil hieran zugeschrieben werden. Sie
Drittes Kapitel. Politiſche Verwickelungen. Zuſammenhang der Reformation mit denſelben.
Mit den weltlichen Beſtrebungen des Papſtthums hatte ſich dergeſtalt eine doppelte Bewegung gebildet. Die eine: religioͤs; ſchon begann ein Abfall, dem man es anſah, daß er eine unermeßliche Zukunft in ſich ſchloß. Die an- dere: politiſch; die in Kampf geſetzten Elemente waren noch in der lebhafteſten Gaͤhrung begriffen und mußten zu neuen Entwickelungen gedeihen. Dieſe beiden Bewegungen, ihre Einwirkung auf einander, die Gegenſaͤtze, die ſie hervor- riefen, haben dann die Geſchichte des Papſtthums Jahrhun- derte lang beherrſcht.
Wollte ſich doch nie ein Fuͤrſt, ein Staat einbilden, daß ihm etwas zu Gute kommen koͤnne, was er ſich nicht ſelbſt verdankt, was er nicht mit eigenen Kraͤften erwor- ben hat!
Indem die italieniſchen Maͤchte mit Huͤlfe fremder Nationen eine die andre zu uͤberwinden ſuchten, hatten ſie die Unabhaͤngigkeit, die ſie waͤhrend des funfzehnten Jahr- hunderts beſeſſen, ſelber zerſtoͤrt, und ihr Land den Uebrigen als einen allgemeinen Kampfpreis dargeſtellt. Den Paͤpſten muß ein großer Antheil hieran zugeſchrieben werden. Sie
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Drittes Kapitel.
Politiſche Verwickelungen. Zuſammenhang
der Reformation mit denſelben.
Mit den weltlichen Beſtrebungen des Papſtthums hatte
ſich dergeſtalt eine doppelte Bewegung gebildet. Die eine:
religioͤs; ſchon begann ein Abfall, dem man es anſah,
daß er eine unermeßliche Zukunft in ſich ſchloß. Die an-
dere: politiſch; die in Kampf geſetzten Elemente waren noch
in der lebhafteſten Gaͤhrung begriffen und mußten zu neuen
Entwickelungen gedeihen. Dieſe beiden Bewegungen, ihre
Einwirkung auf einander, die Gegenſaͤtze, die ſie hervor-
riefen, haben dann die Geſchichte des Papſtthums Jahrhun-
derte lang beherrſcht.
Wollte ſich doch nie ein Fuͤrſt, ein Staat einbilden,
daß ihm etwas zu Gute kommen koͤnne, was er ſich nicht
ſelbſt verdankt, was er nicht mit eigenen Kraͤften erwor-
ben hat!
Indem die italieniſchen Maͤchte mit Huͤlfe fremder
Nationen eine die andre zu uͤberwinden ſuchten, hatten ſie
die Unabhaͤngigkeit, die ſie waͤhrend des funfzehnten Jahr-
hunderts beſeſſen, ſelber zerſtoͤrt, und ihr Land den Uebrigen
als einen allgemeinen Kampfpreis dargeſtellt. Den Paͤpſten
muß ein großer Antheil hieran zugeſchrieben werden. Sie
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/105>, abgerufen am 13.11.2024.
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