Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.huldigte, hin und wieder Statt gefunden habe. Es ist begreiflich, daß der Regel nach der Gemahl so wenig wie das Publikum bey Verhältnissen dieser Art etwas zu erinnern haben konnte. Die Verschiedenheit des Standes flößte damahls eine natürliche Abneigung gegen eine zu enge Verbindung zwischen den Frauen der Großen mit dem Manne ein, der an Geburt oder Rang weit unter ihnen war. Die Gelegenheiten, sich ohne Zeugen zu sehen, waren selten. Die Anbetung, welche der Troubadour der Dame zollte, deren Reitze er besang, ward für eine Dichtung, für eine sinnreiche Erfindung gehalten, welche den Ruhm ihrer Schönheit bey allen kultivierten Nationen der damahligen Zeit verbreitete. Sie schmeichelte der Eitelkeit des Gatten, und trug zur allgemeinen Unterhaltung bey. Der Mann von Talent und exaltierter Phantasie hat ohnehin das Vorrecht, nach einem eigenen Maßstabe gemessen zu werden, und die Auszeichnungen, die ihm von Seiten der Damen wiederfahren, werden auf Rechnung eines bloßen Antheils an ihren Talenten gesetzt. Allein wir würden sehr irren, wenn wir in der damahligen Zeit schon eine völlig organisierte Galanterie, Cicisbeatur, oder eine Sitte annehmen wollten, nach der eine jede Dame unter den Augen des Mannes und mit seiner Einwilligung einen Liebhaber haben durfte. Gewiß gehören die mehrsten Gedichte der Troubadours, worin sie ihre Empfindungen für Damen schildern, zu denen sie ihre Wünsche nicht erheben dürfen, und noch mehr diejenigen, worin sie von dreisten Hoffnungen und beglückter Liebe reden, huldigte, hin und wieder Statt gefunden habe. Es ist begreiflich, daß der Regel nach der Gemahl so wenig wie das Publikum bey Verhältnissen dieser Art etwas zu erinnern haben konnte. Die Verschiedenheit des Standes flößte damahls eine natürliche Abneigung gegen eine zu enge Verbindung zwischen den Frauen der Großen mit dem Manne ein, der an Geburt oder Rang weit unter ihnen war. Die Gelegenheiten, sich ohne Zeugen zu sehen, waren selten. Die Anbetung, welche der Troubadour der Dame zollte, deren Reitze er besang, ward für eine Dichtung, für eine sinnreiche Erfindung gehalten, welche den Ruhm ihrer Schönheit bey allen kultivierten Nationen der damahligen Zeit verbreitete. Sie schmeichelte der Eitelkeit des Gatten, und trug zur allgemeinen Unterhaltung bey. Der Mann von Talent und exaltierter Phantasie hat ohnehin das Vorrecht, nach einem eigenen Maßstabe gemessen zu werden, und die Auszeichnungen, die ihm von Seiten der Damen wiederfahren, werden auf Rechnung eines bloßen Antheils an ihren Talenten gesetzt. Allein wir würden sehr irren, wenn wir in der damahligen Zeit schon eine völlig organisierte Galanterie, Cicisbeatur, oder eine Sitte annehmen wollten, nach der eine jede Dame unter den Augen des Mannes und mit seiner Einwilligung einen Liebhaber haben durfte. Gewiß gehören die mehrsten Gedichte der Troubadours, worin sie ihre Empfindungen für Damen schildern, zu denen sie ihre Wünsche nicht erheben dürfen, und noch mehr diejenigen, worin sie von dreisten Hoffnungen und beglückter Liebe reden, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0094" n="94"/> huldigte, hin und wieder Statt gefunden habe. Es ist begreiflich, daß der Regel nach der Gemahl so wenig wie das Publikum bey Verhältnissen dieser Art etwas zu erinnern haben konnte. Die Verschiedenheit des Standes flößte damahls eine natürliche Abneigung gegen eine zu enge Verbindung zwischen den Frauen der Großen mit dem Manne ein, der an Geburt oder Rang weit unter ihnen war. Die Gelegenheiten, sich ohne Zeugen zu sehen, waren selten. Die Anbetung, welche der Troubadour der Dame zollte, deren Reitze er besang, ward für eine Dichtung, für eine sinnreiche Erfindung gehalten, welche den Ruhm ihrer Schönheit bey allen kultivierten Nationen der damahligen Zeit verbreitete. Sie schmeichelte der Eitelkeit des Gatten, und trug zur allgemeinen Unterhaltung bey. Der Mann von Talent und exaltierter Phantasie hat ohnehin das Vorrecht, nach einem eigenen Maßstabe gemessen zu werden, und die Auszeichnungen, die ihm von Seiten der Damen wiederfahren, werden auf Rechnung eines bloßen Antheils an ihren Talenten gesetzt.</p> <p>Allein wir würden sehr irren, wenn wir in der damahligen Zeit schon eine völlig organisierte Galanterie, Cicisbeatur, oder eine Sitte annehmen wollten, nach der eine jede Dame unter den Augen des Mannes und mit seiner Einwilligung einen Liebhaber haben durfte. Gewiß gehören die mehrsten Gedichte der Troubadours, worin sie ihre Empfindungen für Damen schildern, zu denen sie ihre Wünsche nicht erheben dürfen, und noch mehr diejenigen, worin sie von dreisten Hoffnungen und beglückter Liebe reden, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0094]
huldigte, hin und wieder Statt gefunden habe. Es ist begreiflich, daß der Regel nach der Gemahl so wenig wie das Publikum bey Verhältnissen dieser Art etwas zu erinnern haben konnte. Die Verschiedenheit des Standes flößte damahls eine natürliche Abneigung gegen eine zu enge Verbindung zwischen den Frauen der Großen mit dem Manne ein, der an Geburt oder Rang weit unter ihnen war. Die Gelegenheiten, sich ohne Zeugen zu sehen, waren selten. Die Anbetung, welche der Troubadour der Dame zollte, deren Reitze er besang, ward für eine Dichtung, für eine sinnreiche Erfindung gehalten, welche den Ruhm ihrer Schönheit bey allen kultivierten Nationen der damahligen Zeit verbreitete. Sie schmeichelte der Eitelkeit des Gatten, und trug zur allgemeinen Unterhaltung bey. Der Mann von Talent und exaltierter Phantasie hat ohnehin das Vorrecht, nach einem eigenen Maßstabe gemessen zu werden, und die Auszeichnungen, die ihm von Seiten der Damen wiederfahren, werden auf Rechnung eines bloßen Antheils an ihren Talenten gesetzt.
Allein wir würden sehr irren, wenn wir in der damahligen Zeit schon eine völlig organisierte Galanterie, Cicisbeatur, oder eine Sitte annehmen wollten, nach der eine jede Dame unter den Augen des Mannes und mit seiner Einwilligung einen Liebhaber haben durfte. Gewiß gehören die mehrsten Gedichte der Troubadours, worin sie ihre Empfindungen für Damen schildern, zu denen sie ihre Wünsche nicht erheben dürfen, und noch mehr diejenigen, worin sie von dreisten Hoffnungen und beglückter Liebe reden,
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