Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.zeigen, welche diesen Gedichten oft den Anstrich der platonischen Liebe gab. Unverheirathete Damen wurden selten zu den Festen zugelassen, bey denen die Dichter erschienen. Es waren gemeiniglich gebundene Frauen, nicht selten die Gemahlinnen ihrer Wohlthäter und Beschützer, an welche sie ihre Verse richteten. Man fühlt sehr leicht den Einfluß, den die Absonderung des Standes, und das Verhältniß zu der gebundenen Lage der Dame auf den Ausdruck und die Behandlungsart der Liebe haben mußte. Hatte man vielleicht im gemeinen Leben der Liebe darum eine abentheuerliche Gestalt gegeben, weil es im Geschmack des Zeitalters lag, sie allem zu geben, was man veredeln und verschönern wollte, so mußte der Dichter es darum thun, weil die Dame, die er sich als den Gegenstand seines Gedichts dachte, nicht auf die gewöhnliche Art verehrt werden durfte. Liebe und Eitelkeit wurden erfinderisch in den Mitteln, eine geheime Leidenschaft oder ihren Schein zu äußern, und sich einen nicht gefährlichen Genuß zu sichern. Worte, die nichts zu sagen schienen, weil sie zu viel sagten, wurden von denen, die sie brauchten, und die sie anhörten, nach Gefallen ausgelegt; der Ernst erschien als Spielerey, die Spielerey als Ernst; Allegorien und Symbole verdeckten oft geheime Wünsche, waren oft Zeichen ihrer Erhörung, und konnten doch für die Sache selbst ohne weitere versteckte Bedeutung angenommen werden. Daher muß man es sich erklären, daß Folquet und der Mönch von Fossan von der heiligen Jungfrau als von einer Geliebten sprechen, zeigen, welche diesen Gedichten oft den Anstrich der platonischen Liebe gab. Unverheirathete Damen wurden selten zu den Festen zugelassen, bey denen die Dichter erschienen. Es waren gemeiniglich gebundene Frauen, nicht selten die Gemahlinnen ihrer Wohlthäter und Beschützer, an welche sie ihre Verse richteten. Man fühlt sehr leicht den Einfluß, den die Absonderung des Standes, und das Verhältniß zu der gebundenen Lage der Dame auf den Ausdruck und die Behandlungsart der Liebe haben mußte. Hatte man vielleicht im gemeinen Leben der Liebe darum eine abentheuerliche Gestalt gegeben, weil es im Geschmack des Zeitalters lag, sie allem zu geben, was man veredeln und verschönern wollte, so mußte der Dichter es darum thun, weil die Dame, die er sich als den Gegenstand seines Gedichts dachte, nicht auf die gewöhnliche Art verehrt werden durfte. Liebe und Eitelkeit wurden erfinderisch in den Mitteln, eine geheime Leidenschaft oder ihren Schein zu äußern, und sich einen nicht gefährlichen Genuß zu sichern. Worte, die nichts zu sagen schienen, weil sie zu viel sagten, wurden von denen, die sie brauchten, und die sie anhörten, nach Gefallen ausgelegt; der Ernst erschien als Spielerey, die Spielerey als Ernst; Allegorien und Symbole verdeckten oft geheime Wünsche, waren oft Zeichen ihrer Erhörung, und konnten doch für die Sache selbst ohne weitere versteckte Bedeutung angenommen werden. Daher muß man es sich erklären, daß Folquet und der Mönch von Fossan von der heiligen Jungfrau als von einer Geliebten sprechen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0088" n="88"/> zeigen, welche diesen Gedichten oft den Anstrich der platonischen Liebe gab. Unverheirathete Damen wurden selten zu den Festen zugelassen, bey denen die Dichter erschienen. Es waren gemeiniglich gebundene Frauen, nicht selten die Gemahlinnen ihrer Wohlthäter und Beschützer, an welche sie ihre Verse richteten.</p> <p>Man fühlt sehr leicht den Einfluß, den die Absonderung des Standes, und das Verhältniß zu der gebundenen Lage der Dame auf den Ausdruck und die Behandlungsart der Liebe haben mußte. Hatte man vielleicht im gemeinen Leben der Liebe darum eine abentheuerliche Gestalt gegeben, weil es im Geschmack des Zeitalters lag, sie allem zu geben, was man veredeln und verschönern wollte, so mußte der Dichter es darum thun, weil die Dame, die er sich als den Gegenstand seines Gedichts dachte, nicht auf die gewöhnliche Art verehrt werden durfte. Liebe und Eitelkeit wurden erfinderisch in den Mitteln, eine geheime Leidenschaft oder ihren Schein zu äußern, und sich einen nicht gefährlichen Genuß zu sichern. Worte, die nichts zu sagen schienen, weil sie zu viel sagten, wurden von denen, die sie brauchten, und die sie anhörten, nach Gefallen ausgelegt; der Ernst erschien als Spielerey, die Spielerey als Ernst; Allegorien und Symbole verdeckten oft geheime Wünsche, waren oft Zeichen ihrer Erhörung, und konnten doch für die Sache selbst ohne weitere versteckte Bedeutung angenommen werden. Daher muß man es sich erklären, daß Folquet und der Mönch von Fossan von der heiligen Jungfrau als von einer Geliebten sprechen, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0088]
zeigen, welche diesen Gedichten oft den Anstrich der platonischen Liebe gab. Unverheirathete Damen wurden selten zu den Festen zugelassen, bey denen die Dichter erschienen. Es waren gemeiniglich gebundene Frauen, nicht selten die Gemahlinnen ihrer Wohlthäter und Beschützer, an welche sie ihre Verse richteten.
Man fühlt sehr leicht den Einfluß, den die Absonderung des Standes, und das Verhältniß zu der gebundenen Lage der Dame auf den Ausdruck und die Behandlungsart der Liebe haben mußte. Hatte man vielleicht im gemeinen Leben der Liebe darum eine abentheuerliche Gestalt gegeben, weil es im Geschmack des Zeitalters lag, sie allem zu geben, was man veredeln und verschönern wollte, so mußte der Dichter es darum thun, weil die Dame, die er sich als den Gegenstand seines Gedichts dachte, nicht auf die gewöhnliche Art verehrt werden durfte. Liebe und Eitelkeit wurden erfinderisch in den Mitteln, eine geheime Leidenschaft oder ihren Schein zu äußern, und sich einen nicht gefährlichen Genuß zu sichern. Worte, die nichts zu sagen schienen, weil sie zu viel sagten, wurden von denen, die sie brauchten, und die sie anhörten, nach Gefallen ausgelegt; der Ernst erschien als Spielerey, die Spielerey als Ernst; Allegorien und Symbole verdeckten oft geheime Wünsche, waren oft Zeichen ihrer Erhörung, und konnten doch für die Sache selbst ohne weitere versteckte Bedeutung angenommen werden. Daher muß man es sich erklären, daß Folquet und der Mönch von Fossan von der heiligen Jungfrau als von einer Geliebten sprechen,
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