Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.daher: ob die provenzalischen Dichter ihre Kunst von den Morgenländern entlehnt haben? so kann dieß weiter nichts heißen, als: ob sie den höhern Grad an Ausbildung, den wir in ihren Gedichten bemerken, der Bekanntschaft mit der arabischen und persischen Poesie verdanken? Die Bejahung dieser Frage hat viele anscheinende Gründe für sich. Ich selbst habe lange in dieser Meinung gestanden. Allein bey der genauern Prüfung scheint wenigstens ein so vertrauter Umgang der Troubadours mit den morgenländischen Musen nicht Statt gefunden zu haben, daß ihre Werke ihnen zu Vorbildern hätten dienen können. Gesetzt, daß die Erlernung fremder Sprachen auch nicht mit den Schwierigkeiten verknüpft gewesen wäre, die man damahls, besonders bey Völkern von ganz verschiedenen Stämmen, annehmen muß; so zeigt dennoch die grobe Unwissenheit der Abendländer in allem, was die Sitten und die Religion der Muhammedaner anbetrifft, wie wenig sie sich mit diesen bekannt gemacht haben müssen. Ueberall, und selbst bey den Troubadours, werden die Saracenen mit den Heiden verwechselt, und der Glaube an Muhammed als Gott, ja! an mehrere Götter, von denen einige sogar aus der alten Mythologie der Griechen und Römer entlehnt sind, wird ihnen an mehreren Stellen beygelegt. 16) Viel wichtiger aber ist der Grund, daß der Geist, der in den Gedichten der Perser und Araber herrscht, so ganz von demjenigen abweicht, den wir in den 16) Hist. des troubadours, article Guillaume de Bergedan. Dieser Troubadour, der die Muhammedaner der Vielgötterey beschuldigt, war noch dazu aus Catalonien.
daher: ob die provenzalischen Dichter ihre Kunst von den Morgenländern entlehnt haben? so kann dieß weiter nichts heißen, als: ob sie den höhern Grad an Ausbildung, den wir in ihren Gedichten bemerken, der Bekanntschaft mit der arabischen und persischen Poesie verdanken? Die Bejahung dieser Frage hat viele anscheinende Gründe für sich. Ich selbst habe lange in dieser Meinung gestanden. Allein bey der genauern Prüfung scheint wenigstens ein so vertrauter Umgang der Troubadours mit den morgenländischen Musen nicht Statt gefunden zu haben, daß ihre Werke ihnen zu Vorbildern hätten dienen können. Gesetzt, daß die Erlernung fremder Sprachen auch nicht mit den Schwierigkeiten verknüpft gewesen wäre, die man damahls, besonders bey Völkern von ganz verschiedenen Stämmen, annehmen muß; so zeigt dennoch die grobe Unwissenheit der Abendländer in allem, was die Sitten und die Religion der Muhammedaner anbetrifft, wie wenig sie sich mit diesen bekannt gemacht haben müssen. Ueberall, und selbst bey den Troubadours, werden die Saracenen mit den Heiden verwechselt, und der Glaube an Muhammed als Gott, ja! an mehrere Götter, von denen einige sogar aus der alten Mythologie der Griechen und Römer entlehnt sind, wird ihnen an mehreren Stellen beygelegt. 16) Viel wichtiger aber ist der Grund, daß der Geist, der in den Gedichten der Perser und Araber herrscht, so ganz von demjenigen abweicht, den wir in den 16) Hist. des troubadours, article Guillaume de Bergedan. Dieser Troubadour, der die Muhammedaner der Vielgötterey beschuldigt, war noch dazu aus Catalonien.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0076" n="76"/> daher: ob die provenzalischen Dichter ihre Kunst von den Morgenländern entlehnt haben? so kann dieß weiter nichts heißen, als: ob sie den höhern Grad an Ausbildung, den wir in ihren Gedichten bemerken, der Bekanntschaft mit der arabischen und persischen Poesie verdanken? Die Bejahung dieser Frage hat viele anscheinende Gründe für sich. Ich selbst habe lange in dieser Meinung gestanden. Allein bey der genauern Prüfung scheint wenigstens ein so vertrauter Umgang der Troubadours mit den morgenländischen Musen nicht Statt gefunden zu haben, daß ihre Werke ihnen zu Vorbildern hätten dienen können.</p> <p>Gesetzt, daß die Erlernung fremder Sprachen auch nicht mit den Schwierigkeiten verknüpft gewesen wäre, die man damahls, besonders bey Völkern von ganz verschiedenen Stämmen, annehmen muß; so zeigt dennoch die grobe Unwissenheit der Abendländer in allem, was die Sitten und die Religion der Muhammedaner anbetrifft, wie wenig sie sich mit diesen bekannt gemacht haben müssen. Ueberall, und selbst bey den Troubadours, werden die Saracenen mit den Heiden verwechselt, und der Glaube an Muhammed als Gott, ja! an mehrere Götter, von denen einige sogar aus der alten Mythologie der Griechen und Römer entlehnt sind, wird ihnen an mehreren Stellen beygelegt. <note place="foot" n="16)"><hi rendition="#aq">Hist. des troubadours, article Guillaume de Bergedan.</hi> Dieser Troubadour, der die Muhammedaner der Vielgötterey beschuldigt, war noch dazu aus Catalonien.</note></p> <p>Viel wichtiger aber ist der Grund, daß der Geist, der in den Gedichten der Perser und Araber herrscht, so ganz von demjenigen abweicht, den wir in den </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [76/0076]
daher: ob die provenzalischen Dichter ihre Kunst von den Morgenländern entlehnt haben? so kann dieß weiter nichts heißen, als: ob sie den höhern Grad an Ausbildung, den wir in ihren Gedichten bemerken, der Bekanntschaft mit der arabischen und persischen Poesie verdanken? Die Bejahung dieser Frage hat viele anscheinende Gründe für sich. Ich selbst habe lange in dieser Meinung gestanden. Allein bey der genauern Prüfung scheint wenigstens ein so vertrauter Umgang der Troubadours mit den morgenländischen Musen nicht Statt gefunden zu haben, daß ihre Werke ihnen zu Vorbildern hätten dienen können.
Gesetzt, daß die Erlernung fremder Sprachen auch nicht mit den Schwierigkeiten verknüpft gewesen wäre, die man damahls, besonders bey Völkern von ganz verschiedenen Stämmen, annehmen muß; so zeigt dennoch die grobe Unwissenheit der Abendländer in allem, was die Sitten und die Religion der Muhammedaner anbetrifft, wie wenig sie sich mit diesen bekannt gemacht haben müssen. Ueberall, und selbst bey den Troubadours, werden die Saracenen mit den Heiden verwechselt, und der Glaube an Muhammed als Gott, ja! an mehrere Götter, von denen einige sogar aus der alten Mythologie der Griechen und Römer entlehnt sind, wird ihnen an mehreren Stellen beygelegt. 16)
Viel wichtiger aber ist der Grund, daß der Geist, der in den Gedichten der Perser und Araber herrscht, so ganz von demjenigen abweicht, den wir in den
16) Hist. des troubadours, article Guillaume de Bergedan. Dieser Troubadour, der die Muhammedaner der Vielgötterey beschuldigt, war noch dazu aus Catalonien.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |