Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.den engeren Verhältnissen zwischen zwey Liebenden vorkommen kann, einen bestimmten Gang, eine gewisse Form erhalten, und bald mit dem Ernst einer wahren Beschäftigung, bald mit der spielenden Leichtigkeit eines bloßen Zeitvertreibes betrieben werden mögen. So läßt sich der Gang der Denkungsart des Mittelalters über die edlere Liebe bis zu der höchsten Stufe der Ausbildung verfolgen, die wir ihr zutrauen mögen. Ihr Wesen würde in Ruhmsucht und Befriedigung des Triebes nach Spannung und Unterhaltung bestanden haben: ihre Form eine ceremoniöse und abentheuerliche Huldigung des zärteren Geschlechts gewesen seyn. In so fern erschiene die Verbindung, welche sie empfiehlt, als geistig, und mit den Vorschriften einer strengeren Sittlichkeit bestehend. - Laßt uns diese Vorstellungs- und Behandlungsart die ruhmsüchtig geistige Galanterie nennen! Aber neben dieser höheren Art über die Liebe zu denken darf man eine etwas niedrigere, wiewohl von zügelloser Ausgelassenheit und verworfenem Leichtsinn noch sehr entfernte annehmen, welche zwar die körperliche Vereinigung nicht ausschließt, aber sich dieser durch lange Aufwartung, Treue, und Verschwiegenheit würdig macht. Man wird diese mit gutem Fuge als die gewöhnlichere annehmen und sie unter dem Nahmen der anständig sinnlichen Galanterie, von der ersten unterscheiden dürfen. Eine völlige Enthaltsamkeit von körperlichen Freuden, eine Beschränkung auf bloße Gewährungen der Ruhmsucht und des Triebes nach geselliger Unterhaltung läßt sich nur von wenigen Menschen erwarten, und kaum scheint sie bey einer längeren Dauer der Verbindung den engeren Verhältnissen zwischen zwey Liebenden vorkommen kann, einen bestimmten Gang, eine gewisse Form erhalten, und bald mit dem Ernst einer wahren Beschäftigung, bald mit der spielenden Leichtigkeit eines bloßen Zeitvertreibes betrieben werden mögen. So läßt sich der Gang der Denkungsart des Mittelalters über die edlere Liebe bis zu der höchsten Stufe der Ausbildung verfolgen, die wir ihr zutrauen mögen. Ihr Wesen würde in Ruhmsucht und Befriedigung des Triebes nach Spannung und Unterhaltung bestanden haben: ihre Form eine ceremoniöse und abentheuerliche Huldigung des zärteren Geschlechts gewesen seyn. In so fern erschiene die Verbindung, welche sie empfiehlt, als geistig, und mit den Vorschriften einer strengeren Sittlichkeit bestehend. – Laßt uns diese Vorstellungs- und Behandlungsart die ruhmsüchtig geistige Galanterie nennen! Aber neben dieser höheren Art über die Liebe zu denken darf man eine etwas niedrigere, wiewohl von zügelloser Ausgelassenheit und verworfenem Leichtsinn noch sehr entfernte annehmen, welche zwar die körperliche Vereinigung nicht ausschließt, aber sich dieser durch lange Aufwartung, Treue, und Verschwiegenheit würdig macht. Man wird diese mit gutem Fuge als die gewöhnlichere annehmen und sie unter dem Nahmen der anständig sinnlichen Galanterie, von der ersten unterscheiden dürfen. 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den engeren Verhältnissen zwischen zwey Liebenden vorkommen kann, einen bestimmten Gang, eine gewisse Form erhalten, und bald mit dem Ernst einer wahren Beschäftigung, bald mit der spielenden Leichtigkeit eines bloßen Zeitvertreibes betrieben werden mögen.
So läßt sich der Gang der Denkungsart des Mittelalters über die edlere Liebe bis zu der höchsten Stufe der Ausbildung verfolgen, die wir ihr zutrauen mögen. Ihr Wesen würde in Ruhmsucht und Befriedigung des Triebes nach Spannung und Unterhaltung bestanden haben: ihre Form eine ceremoniöse und abentheuerliche Huldigung des zärteren Geschlechts gewesen seyn. In so fern erschiene die Verbindung, welche sie empfiehlt, als geistig, und mit den Vorschriften einer strengeren Sittlichkeit bestehend. – Laßt uns diese Vorstellungs- und Behandlungsart die ruhmsüchtig geistige Galanterie nennen!
Aber neben dieser höheren Art über die Liebe zu denken darf man eine etwas niedrigere, wiewohl von zügelloser Ausgelassenheit und verworfenem Leichtsinn noch sehr entfernte annehmen, welche zwar die körperliche Vereinigung nicht ausschließt, aber sich dieser durch lange Aufwartung, Treue, und Verschwiegenheit würdig macht. Man wird diese mit gutem Fuge als die gewöhnlichere annehmen und sie unter dem Nahmen der anständig sinnlichen Galanterie, von der ersten unterscheiden dürfen.
Eine völlige Enthaltsamkeit von körperlichen Freuden, eine Beschränkung auf bloße Gewährungen der Ruhmsucht und des Triebes nach geselliger Unterhaltung läßt sich nur von wenigen Menschen erwarten, und kaum scheint sie bey einer längeren Dauer der Verbindung
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