Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.der eingeschlossenen Geliebten seine Gesinnungen zu erkennen zu geben, macht ihn sinnreich: flößt ihm neue Talente ein, und bildet ihn zum Dichter und zum höflichen Manne: die Bilder, die er sich in der Abwesenheit von seiner Dame entwirft, füllen seine Phantasie: das Interesse, welches seine Leiden bey andern erwecken, erhöht ihn vor seinen eigenen Augen: Der Geist, damahls so arm an Stoff zum Nachdenken, gewöhnt sich an die unterhaltende Beschäftigung der Intrigue, das Herz an die Spannung einer hinschmelzenden Begeisterung! Die vollkommene Liebe zu Gott, so lehrte es der religiöse Mysticismus, bestand in Niederwürfigkeit, Zerknirschung, Entäußerung aller Freuden des Lebens! Sollte der Dame, diesem vergötterten Wesen, nicht ein gleicher Dienst gefallen? Sollte die Vollkommenheit der Liebe zu ihr nicht nach gleichen Aeußerungen abgemessen werden? Wie nah dieß Alles! Wie natürlich die Idee, daß selbst in Qualen unerhörter Liebe Wollust liege, und daß derjenige Mann der edelste und der vollkommenste Liebhaber sey, der nicht bloß im Kriege sein Leben, sondern auch im Zustande der Muße und des Friedens jeden Anspruch auf Genuß des Lebens für ein angebetetes Wesen hinopfern könne! Tapfer und empfindsam zugleich genannt zu werden, die doppelte Seelenerhöhung zu erreichen, welche die Erhebung über unsere niedrige Sinnlichkeit, und die Unterwerfung unserer ganzen Selbstheit unter ein anderes verehrtes Wesen gewährt; das mußte nothwendig das Ideal eines Mannes werden, an dem das Zeitalter, das zwischen Kultur und Barbarey schwankte, den größten Antheil nahm. der eingeschlossenen Geliebten seine Gesinnungen zu erkennen zu geben, macht ihn sinnreich: flößt ihm neue Talente ein, und bildet ihn zum Dichter und zum höflichen Manne: die Bilder, die er sich in der Abwesenheit von seiner Dame entwirft, füllen seine Phantasie: das Interesse, welches seine Leiden bey andern erwecken, erhöht ihn vor seinen eigenen Augen: Der Geist, damahls so arm an Stoff zum Nachdenken, gewöhnt sich an die unterhaltende Beschäftigung der Intrigue, das Herz an die Spannung einer hinschmelzenden Begeisterung! Die vollkommene Liebe zu Gott, so lehrte es der religiöse Mysticismus, bestand in Niederwürfigkeit, Zerknirschung, Entäußerung aller Freuden des Lebens! Sollte der Dame, diesem vergötterten Wesen, nicht ein gleicher Dienst gefallen? Sollte die Vollkommenheit der Liebe zu ihr nicht nach gleichen Aeußerungen abgemessen werden? Wie nah dieß Alles! Wie natürlich die Idee, daß selbst in Qualen unerhörter Liebe Wollust liege, und daß derjenige Mann der edelste und der vollkommenste Liebhaber sey, der nicht bloß im Kriege sein Leben, sondern auch im Zustande der Muße und des Friedens jeden Anspruch auf Genuß des Lebens für ein angebetetes Wesen hinopfern könne! Tapfer und empfindsam zugleich genannt zu werden, die doppelte Seelenerhöhung zu erreichen, welche die Erhebung über unsere niedrige Sinnlichkeit, und die Unterwerfung unserer ganzen Selbstheit unter ein anderes verehrtes Wesen gewährt; das mußte nothwendig das Ideal eines Mannes werden, an dem das Zeitalter, das zwischen Kultur und Barbarey schwankte, den größten Antheil nahm. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0068" n="68"/> der eingeschlossenen Geliebten seine Gesinnungen zu erkennen zu geben, macht ihn sinnreich: flößt ihm neue Talente ein, und bildet ihn zum Dichter und zum höflichen Manne: die Bilder, die er sich in der Abwesenheit von seiner Dame entwirft, füllen seine Phantasie: das Interesse, welches seine Leiden bey andern erwecken, erhöht ihn vor seinen eigenen Augen: Der Geist, damahls so arm an Stoff zum Nachdenken, gewöhnt sich an die unterhaltende Beschäftigung der Intrigue, das Herz an die Spannung einer hinschmelzenden Begeisterung! Die vollkommene Liebe zu Gott, so lehrte es der religiöse Mysticismus, bestand in Niederwürfigkeit, Zerknirschung, Entäußerung aller Freuden des Lebens! Sollte der Dame, diesem vergötterten Wesen, nicht ein gleicher Dienst gefallen? Sollte die Vollkommenheit der Liebe zu ihr nicht nach gleichen Aeußerungen abgemessen werden?</p> <p>Wie nah dieß Alles! Wie natürlich die Idee, daß selbst in Qualen unerhörter Liebe Wollust liege, und daß derjenige Mann der edelste und der vollkommenste Liebhaber sey, der nicht bloß im Kriege sein Leben, sondern auch im Zustande der Muße und des Friedens jeden Anspruch auf Genuß des Lebens für ein angebetetes Wesen hinopfern könne!</p> <p>Tapfer und empfindsam zugleich genannt zu werden, die doppelte Seelenerhöhung zu erreichen, welche die Erhebung über unsere niedrige Sinnlichkeit, und die Unterwerfung unserer ganzen Selbstheit unter ein anderes verehrtes Wesen gewährt; das mußte nothwendig das Ideal eines Mannes werden, an dem das Zeitalter, das zwischen Kultur und Barbarey schwankte, den größten Antheil nahm.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0068]
der eingeschlossenen Geliebten seine Gesinnungen zu erkennen zu geben, macht ihn sinnreich: flößt ihm neue Talente ein, und bildet ihn zum Dichter und zum höflichen Manne: die Bilder, die er sich in der Abwesenheit von seiner Dame entwirft, füllen seine Phantasie: das Interesse, welches seine Leiden bey andern erwecken, erhöht ihn vor seinen eigenen Augen: Der Geist, damahls so arm an Stoff zum Nachdenken, gewöhnt sich an die unterhaltende Beschäftigung der Intrigue, das Herz an die Spannung einer hinschmelzenden Begeisterung! Die vollkommene Liebe zu Gott, so lehrte es der religiöse Mysticismus, bestand in Niederwürfigkeit, Zerknirschung, Entäußerung aller Freuden des Lebens! Sollte der Dame, diesem vergötterten Wesen, nicht ein gleicher Dienst gefallen? Sollte die Vollkommenheit der Liebe zu ihr nicht nach gleichen Aeußerungen abgemessen werden?
Wie nah dieß Alles! Wie natürlich die Idee, daß selbst in Qualen unerhörter Liebe Wollust liege, und daß derjenige Mann der edelste und der vollkommenste Liebhaber sey, der nicht bloß im Kriege sein Leben, sondern auch im Zustande der Muße und des Friedens jeden Anspruch auf Genuß des Lebens für ein angebetetes Wesen hinopfern könne!
Tapfer und empfindsam zugleich genannt zu werden, die doppelte Seelenerhöhung zu erreichen, welche die Erhebung über unsere niedrige Sinnlichkeit, und die Unterwerfung unserer ganzen Selbstheit unter ein anderes verehrtes Wesen gewährt; das mußte nothwendig das Ideal eines Mannes werden, an dem das Zeitalter, das zwischen Kultur und Barbarey schwankte, den größten Antheil nahm.
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