Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Gefühlen geleitet, der Barbarey vieler Räuber und Unholden Einhalt that. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß ihre Denkungs- und Handlungsart bereits an eine gewisse charakteristische Form gebunden gewesen sey, die sie von den Halbgöttern des alten Griechenlands und ihrem Betragen gegen die Dejaniren, Ariadnen, u. s. w. deutlich unterschieden haben. Der Halbgott tritt unter einer ganz rohen Nation auf, bestimmt selbst die Form und den Zweck seiner Denkungs- und Handlungsart; sein Betragen ist also der Natur angemessen, und hat keinen andern Charakter als denjenigen, der in der Sache selbst liegt. Nicht so der Edle, der unter Nationen hervorgeht, die ehemahls kultiviert gewesen sind, und in deren Barbarey sich allemahl noch Spuren einer ehmahligen Kultur zeigen. Solche Völker sind nicht sowohl roh, als entartet. Bey ihnen finden sich bereits religiöse Gebräuche, eine bürgerliche Organisation, Konventionen über Angelegenheiten des geselligen Lebens, gewisse Methoden in der Erlernung, gewisse Manieren in der Behandlung der Wissenschaften und Künste: alles dieß freylich einzeln, und von dem großen Haufen wenig ausgeübt, und schlecht beobachtet. Aber der Edle, der sich auszeichnet, tritt doch nicht so unbefangen auf, als bey einer ganz rohen Nation: er erkennt einige wenige andere Edle als Richter seiner Handlungen und sogar ihrer Formen an: seine Ueberzeugung von dem Zweckmäßigen und Schmückenden ist nicht seine einzige Führerin; Nein! er schmiegt sich in die herrschenden Ideen seiner Zeit hinein, denkt und handelt edel und schön, in Gemäßheit der Begriffe seines Zeitalters über Adel und Schönheit. Gefühlen geleitet, der Barbarey vieler Räuber und Unholden Einhalt that. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß ihre Denkungs- und Handlungsart bereits an eine gewisse charakteristische Form gebunden gewesen sey, die sie von den Halbgöttern des alten Griechenlands und ihrem Betragen gegen die Dejaniren, Ariadnen, u. s. w. deutlich unterschieden haben. Der Halbgott tritt unter einer ganz rohen Nation auf, bestimmt selbst die Form und den Zweck seiner Denkungs- und Handlungsart; sein Betragen ist also der Natur angemessen, und hat keinen andern Charakter als denjenigen, der in der Sache selbst liegt. Nicht so der Edle, der unter Nationen hervorgeht, die ehemahls kultiviert gewesen sind, und in deren Barbarey sich allemahl noch Spuren einer ehmahligen Kultur zeigen. Solche Völker sind nicht sowohl roh, als entartet. Bey ihnen finden sich bereits religiöse Gebräuche, eine bürgerliche Organisation, Konventionen über Angelegenheiten des geselligen Lebens, gewisse Methoden in der Erlernung, gewisse Manieren in der Behandlung der Wissenschaften und Künste: alles dieß freylich einzeln, und von dem großen Haufen wenig ausgeübt, und schlecht beobachtet. Aber der Edle, der sich auszeichnet, tritt doch nicht so unbefangen auf, als bey einer ganz rohen Nation: er erkennt einige wenige andere Edle als Richter seiner Handlungen und sogar ihrer Formen an: seine Ueberzeugung von dem Zweckmäßigen und Schmückenden ist nicht seine einzige Führerin; Nein! er schmiegt sich in die herrschenden Ideen seiner Zeit hinein, denkt und handelt edel und schön, in Gemäßheit der Begriffe seines Zeitalters über Adel und Schönheit. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0053" n="53"/> Gefühlen geleitet, der Barbarey vieler Räuber und Unholden Einhalt that. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß ihre Denkungs- und Handlungsart bereits an eine gewisse charakteristische Form gebunden gewesen sey, die sie von den Halbgöttern des alten Griechenlands und ihrem Betragen gegen die Dejaniren, Ariadnen, u. s. w. deutlich unterschieden haben.</p> <p>Der Halbgott tritt unter einer ganz rohen Nation auf, bestimmt selbst die Form und den Zweck seiner Denkungs- und Handlungsart; sein Betragen ist also der Natur angemessen, und hat keinen andern Charakter als denjenigen, der in der Sache selbst liegt. Nicht so der Edle, der unter Nationen hervorgeht, die ehemahls kultiviert gewesen sind, und in deren Barbarey sich allemahl noch Spuren einer ehmahligen Kultur zeigen. Solche Völker sind nicht sowohl roh, als entartet. Bey ihnen finden sich bereits religiöse Gebräuche, eine bürgerliche Organisation, Konventionen über Angelegenheiten des geselligen Lebens, gewisse Methoden in der Erlernung, gewisse Manieren in der Behandlung der Wissenschaften und Künste: alles dieß freylich einzeln, und von dem großen Haufen wenig ausgeübt, und schlecht beobachtet. Aber der Edle, der sich auszeichnet, tritt doch nicht so unbefangen auf, als bey einer ganz rohen Nation: er erkennt einige wenige andere Edle als Richter seiner Handlungen und sogar ihrer Formen an: seine Ueberzeugung von dem Zweckmäßigen und Schmückenden ist nicht seine einzige Führerin; Nein! er schmiegt sich in die herrschenden Ideen seiner Zeit hinein, denkt und handelt edel und schön, in Gemäßheit der Begriffe seines Zeitalters über Adel und Schönheit.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0053]
Gefühlen geleitet, der Barbarey vieler Räuber und Unholden Einhalt that. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß ihre Denkungs- und Handlungsart bereits an eine gewisse charakteristische Form gebunden gewesen sey, die sie von den Halbgöttern des alten Griechenlands und ihrem Betragen gegen die Dejaniren, Ariadnen, u. s. w. deutlich unterschieden haben.
Der Halbgott tritt unter einer ganz rohen Nation auf, bestimmt selbst die Form und den Zweck seiner Denkungs- und Handlungsart; sein Betragen ist also der Natur angemessen, und hat keinen andern Charakter als denjenigen, der in der Sache selbst liegt. Nicht so der Edle, der unter Nationen hervorgeht, die ehemahls kultiviert gewesen sind, und in deren Barbarey sich allemahl noch Spuren einer ehmahligen Kultur zeigen. Solche Völker sind nicht sowohl roh, als entartet. Bey ihnen finden sich bereits religiöse Gebräuche, eine bürgerliche Organisation, Konventionen über Angelegenheiten des geselligen Lebens, gewisse Methoden in der Erlernung, gewisse Manieren in der Behandlung der Wissenschaften und Künste: alles dieß freylich einzeln, und von dem großen Haufen wenig ausgeübt, und schlecht beobachtet. Aber der Edle, der sich auszeichnet, tritt doch nicht so unbefangen auf, als bey einer ganz rohen Nation: er erkennt einige wenige andere Edle als Richter seiner Handlungen und sogar ihrer Formen an: seine Ueberzeugung von dem Zweckmäßigen und Schmückenden ist nicht seine einzige Führerin; Nein! er schmiegt sich in die herrschenden Ideen seiner Zeit hinein, denkt und handelt edel und schön, in Gemäßheit der Begriffe seines Zeitalters über Adel und Schönheit.
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