Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.letzten Wünsche, die äußersten Hoffnungen des Liebhabers! Niedrige, sinnliche Begierden schwiegen, und wenn sie sich meldeten, wurden sie edel bekämpft, und glücklich überwunden. Darum zogen auch diese Verbindungen den Antheil, die Billigung, die Bewunderung aller wohlerzogenen Menschen an sich. Man gab sich Beweise ausgezeichneter Achtung und Zärtlichkeit unter den Augen des Gatten, in Gegenwart der versammelten Menge, unter dem Schutze des Anstandes, und der Gesetze! Kurz! die Liebe war damahls, wie Montaigne sagt, die Unternehmerin großer Thaten, und ihr Ausdruck trug den Charakter des Erhabenen, der Unbefangenheit, und der Feinheit der Gesinnungen an sich, die dem ganzen Institute der Ritterschaft eigen waren!" Während daß einige Enthusiasten die Phantasie des Unerfahrnen durch solche Darstellungen von der Galanterie entflammen, suchen andere bald aus Mangel eines Herzens und einer Einbildungskraft, die sich in fremde Zeiten und Sitten hinein zu versetzen weiß, bald aus Unmuth über betrogene Erwartungen, bald endlich in der Schwäche träger Sinnlichkeit, den Glauben an das Gute in dieser Sitte des Mittelalters möglichst zu untergraben, oder gar ihr Daseyn selbst abzuläugnen. "Nein! sagen diese letztern, jene Anbetung des weiblichen Geschlechts war weiter nichts, als der Ausdruck einer steifen und ungebildeten Höflichkeit: ein nichts bedeutendes Ceremoniel, eine nichts sagende Etiquette, die für die innere Achtung des Mittelalters für die schwächere Hälfte unserer Gattung eben so wenig zeugen mögen, als die Formulare des sogenannten letzten Wünsche, die äußersten Hoffnungen des Liebhabers! Niedrige, sinnliche Begierden schwiegen, und wenn sie sich meldeten, wurden sie edel bekämpft, und glücklich überwunden. Darum zogen auch diese Verbindungen den Antheil, die Billigung, die Bewunderung aller wohlerzogenen Menschen an sich. Man gab sich Beweise ausgezeichneter Achtung und Zärtlichkeit unter den Augen des Gatten, in Gegenwart der versammelten Menge, unter dem Schutze des Anstandes, und der Gesetze! Kurz! die Liebe war damahls, wie Montaigne sagt, die Unternehmerin großer Thaten, und ihr Ausdruck trug den Charakter des Erhabenen, der Unbefangenheit, und der Feinheit der Gesinnungen an sich, die dem ganzen Institute der Ritterschaft eigen waren!“ Während daß einige Enthusiasten die Phantasie des Unerfahrnen durch solche Darstellungen von der Galanterie entflammen, suchen andere bald aus Mangel eines Herzens und einer Einbildungskraft, die sich in fremde Zeiten und Sitten hinein zu versetzen weiß, bald aus Unmuth über betrogene Erwartungen, bald endlich in der Schwäche träger Sinnlichkeit, den Glauben an das Gute in dieser Sitte des Mittelalters möglichst zu untergraben, oder gar ihr Daseyn selbst abzuläugnen. „Nein! sagen diese letztern, jene Anbetung des weiblichen Geschlechts war weiter nichts, als der Ausdruck einer steifen und ungebildeten Höflichkeit: ein nichts bedeutendes Ceremoniel, eine nichts sagende Etiquette, die für die innere Achtung des Mittelalters für die schwächere Hälfte unserer Gattung eben so wenig zeugen mögen, als die Formulare des sogenannten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0046" n="46"/> letzten Wünsche, die äußersten Hoffnungen des Liebhabers! Niedrige, sinnliche Begierden schwiegen, und wenn sie sich meldeten, wurden sie edel bekämpft, und glücklich überwunden. Darum zogen auch diese Verbindungen den Antheil, die Billigung, die Bewunderung aller wohlerzogenen Menschen an sich. Man gab sich Beweise ausgezeichneter Achtung und Zärtlichkeit unter den Augen des Gatten, in Gegenwart der versammelten Menge, unter dem Schutze des Anstandes, und der Gesetze! Kurz! die Liebe war damahls, wie Montaigne sagt, die Unternehmerin großer Thaten, und ihr Ausdruck trug den Charakter des Erhabenen, der Unbefangenheit, und der Feinheit der Gesinnungen an sich, die dem ganzen Institute der Ritterschaft eigen waren!“</p> <p>Während daß einige Enthusiasten die Phantasie des Unerfahrnen durch solche Darstellungen von der Galanterie entflammen, suchen andere bald aus Mangel eines Herzens und einer Einbildungskraft, die sich in fremde Zeiten und Sitten hinein zu versetzen weiß, bald aus Unmuth über betrogene Erwartungen, bald endlich in der Schwäche träger Sinnlichkeit, den Glauben an das Gute in dieser Sitte des Mittelalters möglichst zu untergraben, oder gar ihr Daseyn selbst abzuläugnen.</p> <p>„Nein! sagen diese letztern, jene Anbetung des weiblichen Geschlechts war weiter nichts, als der Ausdruck einer steifen und ungebildeten Höflichkeit: ein nichts bedeutendes Ceremoniel, eine nichts sagende Etiquette, die für die innere Achtung des Mittelalters für die schwächere Hälfte unserer Gattung eben so wenig zeugen mögen, als die Formulare des sogenannten </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0046]
letzten Wünsche, die äußersten Hoffnungen des Liebhabers! Niedrige, sinnliche Begierden schwiegen, und wenn sie sich meldeten, wurden sie edel bekämpft, und glücklich überwunden. Darum zogen auch diese Verbindungen den Antheil, die Billigung, die Bewunderung aller wohlerzogenen Menschen an sich. Man gab sich Beweise ausgezeichneter Achtung und Zärtlichkeit unter den Augen des Gatten, in Gegenwart der versammelten Menge, unter dem Schutze des Anstandes, und der Gesetze! Kurz! die Liebe war damahls, wie Montaigne sagt, die Unternehmerin großer Thaten, und ihr Ausdruck trug den Charakter des Erhabenen, der Unbefangenheit, und der Feinheit der Gesinnungen an sich, die dem ganzen Institute der Ritterschaft eigen waren!“
Während daß einige Enthusiasten die Phantasie des Unerfahrnen durch solche Darstellungen von der Galanterie entflammen, suchen andere bald aus Mangel eines Herzens und einer Einbildungskraft, die sich in fremde Zeiten und Sitten hinein zu versetzen weiß, bald aus Unmuth über betrogene Erwartungen, bald endlich in der Schwäche träger Sinnlichkeit, den Glauben an das Gute in dieser Sitte des Mittelalters möglichst zu untergraben, oder gar ihr Daseyn selbst abzuläugnen.
„Nein! sagen diese letztern, jene Anbetung des weiblichen Geschlechts war weiter nichts, als der Ausdruck einer steifen und ungebildeten Höflichkeit: ein nichts bedeutendes Ceremoniel, eine nichts sagende Etiquette, die für die innere Achtung des Mittelalters für die schwächere Hälfte unserer Gattung eben so wenig zeugen mögen, als die Formulare des sogenannten
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