Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Aehnlichkeit haben? In so fern beyde zur Erhebung über die Selbstheit, zur Abhängigkeit von andern Wesen, und zur Aufopferung für diese einladen, und den Zustand der Entzückung befördern. Der leidenschaftliche Liebhaber menschlicher Schönheit ist eben so wohl bereit, sein ganzes Leben hindurch in Qualen und Kummer hinzuschmachten, als der Derwisch, Fakir, oder Sofi: beyde werden durch die Wonne einer hinschmelzenden Begeisterung, durch den Stolz auf ihre Niedergeworfenheit schadlos gehalten: beyde entäußern sich Alles dessen, was das Leben angenehm macht, und sind fähig, dieß Leben auf den Wink eines äußern Wesens hinzugeben: beyde empfinden den höchsten Reitz in der Spannung ihrer Phantasie mit Bildern des Abwesenden, noch nicht Erreichten, aber Gehofften: beyde fühlen dadurch eine Erhebung über sich selbst, und über das Gegenwärtige: beyde werden an ihren Zusammenhang mit Wesen erinnert, die durch äußere und innere Schönheit selbständigen Werth haben: beyde leiden endlich einen innern Brand in ihrer Seele, der ein unauslöschbares Mahl darin zurückläßt! Der Zustand von Besessenheit, der dem leidenschaftlichen Liebhaber menschlicher Schönheit so gut eigen ist, als dem entzückten Liebhaber Gottes, dieser war es, den die Orientaler so äußerst schätzten. Schon der Nahme Megnun, der einen Besessenen, einen Wahnsinnigen bedeutet, und dem Modell der Liebhaber beygelegt wird, muß darauf zurückführen. "Der erste Schritt auf dem gefährlichen und mühsamen Wege, der zum Hause der Leileh führt, sagt Giami, besteht darin, Megnun zu werden;" das Aehnlichkeit haben? In so fern beyde zur Erhebung über die Selbstheit, zur Abhängigkeit von andern Wesen, und zur Aufopferung für diese einladen, und den Zustand der Entzückung befördern. Der leidenschaftliche Liebhaber menschlicher Schönheit ist eben so wohl bereit, sein ganzes Leben hindurch in Qualen und Kummer hinzuschmachten, als der Derwisch, Fakir, oder Sofi: beyde werden durch die Wonne einer hinschmelzenden Begeisterung, durch den Stolz auf ihre Niedergeworfenheit schadlos gehalten: beyde entäußern sich Alles dessen, was das Leben angenehm macht, und sind fähig, dieß Leben auf den Wink eines äußern Wesens hinzugeben: beyde empfinden den höchsten Reitz in der Spannung ihrer Phantasie mit Bildern des Abwesenden, noch nicht Erreichten, aber Gehofften: beyde fühlen dadurch eine Erhebung über sich selbst, und über das Gegenwärtige: beyde werden an ihren Zusammenhang mit Wesen erinnert, die durch äußere und innere Schönheit selbständigen Werth haben: beyde leiden endlich einen innern Brand in ihrer Seele, der ein unauslöschbares Mahl darin zurückläßt! Der Zustand von Besessenheit, der dem leidenschaftlichen Liebhaber menschlicher Schönheit so gut eigen ist, als dem entzückten Liebhaber Gottes, dieser war es, den die Orientaler so äußerst schätzten. Schon der Nahme Megnun, der einen Besessenen, einen Wahnsinnigen bedeutet, und dem Modell der Liebhaber beygelegt wird, muß darauf zurückführen. „Der erste Schritt auf dem gefährlichen und mühsamen Wege, der zum Hause der Leileh führt, sagt Giami, besteht darin, Megnun zu werden;“ das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0035" n="35"/> Aehnlichkeit haben? In so fern beyde zur Erhebung über die Selbstheit, zur Abhängigkeit von andern Wesen, und zur Aufopferung für diese einladen, und den Zustand der Entzückung befördern. Der leidenschaftliche Liebhaber menschlicher Schönheit ist eben so wohl bereit, sein ganzes Leben hindurch in Qualen und Kummer hinzuschmachten, als der Derwisch, Fakir, oder Sofi: beyde werden durch die Wonne einer hinschmelzenden Begeisterung, durch den Stolz auf ihre Niedergeworfenheit schadlos gehalten: beyde entäußern sich Alles dessen, was das Leben angenehm macht, und sind fähig, dieß Leben auf den Wink eines äußern Wesens hinzugeben: beyde empfinden den höchsten Reitz in der Spannung ihrer Phantasie mit Bildern des Abwesenden, noch nicht Erreichten, aber Gehofften: beyde fühlen dadurch eine Erhebung über sich selbst, und über das Gegenwärtige: beyde werden an ihren Zusammenhang mit Wesen erinnert, die durch äußere und innere Schönheit selbständigen Werth haben: beyde leiden endlich einen innern Brand in ihrer Seele, der ein unauslöschbares Mahl darin zurückläßt!</p> <p>Der Zustand von Besessenheit, der dem leidenschaftlichen Liebhaber menschlicher Schönheit so gut eigen ist, als dem entzückten Liebhaber Gottes, dieser war es, den die Orientaler so äußerst schätzten. Schon der Nahme Megnun, der einen Besessenen, einen Wahnsinnigen bedeutet, und dem Modell der Liebhaber beygelegt wird, muß darauf zurückführen. „Der erste Schritt auf dem gefährlichen und mühsamen Wege, der zum Hause der Leileh führt, sagt Giami, besteht darin, Megnun zu werden;“ das </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0035]
Aehnlichkeit haben? In so fern beyde zur Erhebung über die Selbstheit, zur Abhängigkeit von andern Wesen, und zur Aufopferung für diese einladen, und den Zustand der Entzückung befördern. Der leidenschaftliche Liebhaber menschlicher Schönheit ist eben so wohl bereit, sein ganzes Leben hindurch in Qualen und Kummer hinzuschmachten, als der Derwisch, Fakir, oder Sofi: beyde werden durch die Wonne einer hinschmelzenden Begeisterung, durch den Stolz auf ihre Niedergeworfenheit schadlos gehalten: beyde entäußern sich Alles dessen, was das Leben angenehm macht, und sind fähig, dieß Leben auf den Wink eines äußern Wesens hinzugeben: beyde empfinden den höchsten Reitz in der Spannung ihrer Phantasie mit Bildern des Abwesenden, noch nicht Erreichten, aber Gehofften: beyde fühlen dadurch eine Erhebung über sich selbst, und über das Gegenwärtige: beyde werden an ihren Zusammenhang mit Wesen erinnert, die durch äußere und innere Schönheit selbständigen Werth haben: beyde leiden endlich einen innern Brand in ihrer Seele, der ein unauslöschbares Mahl darin zurückläßt!
Der Zustand von Besessenheit, der dem leidenschaftlichen Liebhaber menschlicher Schönheit so gut eigen ist, als dem entzückten Liebhaber Gottes, dieser war es, den die Orientaler so äußerst schätzten. Schon der Nahme Megnun, der einen Besessenen, einen Wahnsinnigen bedeutet, und dem Modell der Liebhaber beygelegt wird, muß darauf zurückführen. „Der erste Schritt auf dem gefährlichen und mühsamen Wege, der zum Hause der Leileh führt, sagt Giami, besteht darin, Megnun zu werden;“ das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |