Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.haben die Troubadours häufig in wirklichen Liebesverständnissen mit den Frauenzimmern gestanden, an welche ihre Gedichte gerichtet waren. Neben einer edleren Behandlung der Liebe, zeigen sie den schamlosesten Leichtsinn. Bey den nördlichen Franzosen ist die anständig sinnliche Galanterie mehr ausgebildet worden, als die ruhmsüchtig geistige. Bey den deutschen Minnesängern findet man mehrere Spuren der letzten, aber nirgends Beweise einer fanatischen Enthaltsamkeit. Die Romanenschreiber aus dieser Zeit kennen eben so wenig den Nahmen der Galanterie als die Dichter, und ihre Werke athmen weit weniger von ihrem Wesen. Das Alter, worin die Romane verfertigt sind, läßt sich nicht bestimmen. Diese sind aus den Legenden der Heiligen herzuleiten, und haben ursprünglich eine ascetische Tendenz gehabt. Nach Gründen zu urtheilen, die aus dem Innern dieser Produkte hergenommen sind, ist Turpins Geschichte Carls des Großen eines der ersten. Der Stoff zu den Rittern und Riesen, die in diesem Romane vorkommen, ist aus der Bibel genommen, doch ist dem Verfasser auch die profane Geschichte nicht unbekannt gewesen. Die Liebe spielt hier gar keine Rolle, und in den übrigen Romanen vom Hofe Carl des Großen nur eine sehr untergeordnete und niedrige. Der Geist der irrenden Ritterschaft, die Gefechte zu Ehren der Damen, die Tourniere, wobey sie den Preis ausgetheilt haben sollten, u. s. w. werden hier vergebens gesucht. Mehr von diesem Geiste der irrenden Ritterschaft und der Galanterie zeigen die Romane von der Tafelrunde. Sie stellen beynahe lauter Intriguen zwischen Rittern und verheiratheten Königinnen dar; diese Verhältnisse haben die Troubadours häufig in wirklichen Liebesverständnissen mit den Frauenzimmern gestanden, an welche ihre Gedichte gerichtet waren. Neben einer edleren Behandlung der Liebe, zeigen sie den schamlosesten Leichtsinn. Bey den nördlichen Franzosen ist die anständig sinnliche Galanterie mehr ausgebildet worden, als die ruhmsüchtig geistige. Bey den deutschen Minnesängern findet man mehrere Spuren der letzten, aber nirgends Beweise einer fanatischen Enthaltsamkeit. Die Romanenschreiber aus dieser Zeit kennen eben so wenig den Nahmen der Galanterie als die Dichter, und ihre Werke athmen weit weniger von ihrem Wesen. Das Alter, worin die Romane verfertigt sind, läßt sich nicht bestimmen. Diese sind aus den Legenden der Heiligen herzuleiten, und haben ursprünglich eine ascetische Tendenz gehabt. Nach Gründen zu urtheilen, die aus dem Innern dieser Produkte hergenommen sind, ist Turpins Geschichte Carls des Großen eines der ersten. Der Stoff zu den Rittern und Riesen, die in diesem Romane vorkommen, ist aus der Bibel genommen, doch ist dem Verfasser auch die profane Geschichte nicht unbekannt gewesen. Die Liebe spielt hier gar keine Rolle, und in den übrigen Romanen vom Hofe Carl des Großen nur eine sehr untergeordnete und niedrige. Der Geist der irrenden Ritterschaft, die Gefechte zu Ehren der Damen, die Tourniere, wobey sie den Preis ausgetheilt haben sollten, u. s. w. werden hier vergebens gesucht. Mehr von diesem Geiste der irrenden Ritterschaft und der Galanterie zeigen die Romane von der Tafelrunde. 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haben die Troubadours häufig in wirklichen Liebesverständnissen mit den Frauenzimmern gestanden, an welche ihre Gedichte gerichtet waren. Neben einer edleren Behandlung der Liebe, zeigen sie den schamlosesten Leichtsinn.
Bey den nördlichen Franzosen ist die anständig sinnliche Galanterie mehr ausgebildet worden, als die ruhmsüchtig geistige. Bey den deutschen Minnesängern findet man mehrere Spuren der letzten, aber nirgends Beweise einer fanatischen Enthaltsamkeit.
Die Romanenschreiber aus dieser Zeit kennen eben so wenig den Nahmen der Galanterie als die Dichter, und ihre Werke athmen weit weniger von ihrem Wesen. Das Alter, worin die Romane verfertigt sind, läßt sich nicht bestimmen. Diese sind aus den Legenden der Heiligen herzuleiten, und haben ursprünglich eine ascetische Tendenz gehabt.
Nach Gründen zu urtheilen, die aus dem Innern dieser Produkte hergenommen sind, ist Turpins Geschichte Carls des Großen eines der ersten. Der Stoff zu den Rittern und Riesen, die in diesem Romane vorkommen, ist aus der Bibel genommen, doch ist dem Verfasser auch die profane Geschichte nicht unbekannt gewesen.
Die Liebe spielt hier gar keine Rolle, und in den übrigen Romanen vom Hofe Carl des Großen nur eine sehr untergeordnete und niedrige. Der Geist der irrenden Ritterschaft, die Gefechte zu Ehren der Damen, die Tourniere, wobey sie den Preis ausgetheilt haben sollten, u. s. w. werden hier vergebens gesucht.
Mehr von diesem Geiste der irrenden Ritterschaft und der Galanterie zeigen die Romane von der Tafelrunde. Sie stellen beynahe lauter Intriguen zwischen Rittern und verheiratheten Königinnen dar; diese Verhältnisse
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