Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.der Trieb nach Freyheit und nach kriegerischem Ruhme in der Brust seiner Einwohner nicht ganz erstarb, so sank doch die Energie des Charakters und der Muth, welche nöthig sind, ihn zu befriedigen. Dagegen wuchs bey diesem Volke der Geschmack an der Ruhe, am süßen Nichtsthun, an einer Muße, die durch die Reitze der Phantasie, der Sympathie, und einer zwanglosen angenehmen Beschäftigung erheitert wird. Zu dieser feinen Sinnlichkeit gesellte sich eine gewisse Melancholie über ihren bürgerlichen Zustand, und Beydes brachte einen Geist der Behutsamkeit, der Eingezogenheit, der Intrigue hervor, wodurch sich ein Jeder für sein Individuum die möglichst glückliche Lage in der allgemeinen Bedrückung ohne vordringende Aktivität zu verschaffen suchte. Die Galanterie der Italiäner hatte allerdings einen gewissen Prunk, aber es war nicht der Prunk eines rüstigen, muthigen Egoismus, und er diente nur zum Schutzmantel eines weiter liegenden heimlichen Genusses. Der Italiäner verdeckte mehr als er zeigte. Er gab sich freylich das Ansehn einer hinschmelzenden Empfindsamkeit, welche selbst aus der Spannung des Leidens Genuß zieht, viel wünscht, wenig hofft, und nichts verlangt, sich mit der bloßen geselligen Unterhaltung, mit dem bloßen Anschauen begnügen läßt; er verbreitete den Ruhm seiner Dame durch Deklamationen und geschmackvolle Verse; aber sein Hauptgenuß bestand in der Besorgung einer geheimen Intrigue, die ihn angenehm beschäftigte, und zur engeren Vereinigung führte; und blutige Auftritte, welche Eifersucht und Ueberdruß hervorbrachten, offenbarten oft den wahren Gehalt jener anscheinend geistigen Verständnisse. der Trieb nach Freyheit und nach kriegerischem Ruhme in der Brust seiner Einwohner nicht ganz erstarb, so sank doch die Energie des Charakters und der Muth, welche nöthig sind, ihn zu befriedigen. Dagegen wuchs bey diesem Volke der Geschmack an der Ruhe, am süßen Nichtsthun, an einer Muße, die durch die Reitze der Phantasie, der Sympathie, und einer zwanglosen angenehmen Beschäftigung erheitert wird. Zu dieser feinen Sinnlichkeit gesellte sich eine gewisse Melancholie über ihren bürgerlichen Zustand, und Beydes brachte einen Geist der Behutsamkeit, der Eingezogenheit, der Intrigue hervor, wodurch sich ein Jeder für sein Individuum die möglichst glückliche Lage in der allgemeinen Bedrückung ohne vordringende Aktivität zu verschaffen suchte. Die Galanterie der Italiäner hatte allerdings einen gewissen Prunk, aber es war nicht der Prunk eines rüstigen, muthigen Egoismus, und er diente nur zum Schutzmantel eines weiter liegenden heimlichen Genusses. Der Italiäner verdeckte mehr als er zeigte. Er gab sich freylich das Ansehn einer hinschmelzenden Empfindsamkeit, welche selbst aus der Spannung des Leidens Genuß zieht, viel wünscht, wenig hofft, und nichts verlangt, sich mit der bloßen geselligen Unterhaltung, mit dem bloßen Anschauen begnügen läßt; er verbreitete den Ruhm seiner Dame durch Deklamationen und geschmackvolle Verse; aber sein Hauptgenuß bestand in der Besorgung einer geheimen Intrigue, die ihn angenehm beschäftigte, und zur engeren Vereinigung führte; und blutige Auftritte, welche Eifersucht und Ueberdruß hervorbrachten, offenbarten oft den wahren Gehalt jener anscheinend geistigen Verständnisse. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0262" n="262"/> der Trieb nach Freyheit und nach kriegerischem Ruhme in der Brust seiner Einwohner nicht ganz erstarb, so sank doch die Energie des Charakters und der Muth, welche nöthig sind, ihn zu befriedigen.</p> <p>Dagegen wuchs bey diesem Volke der Geschmack an der Ruhe, am süßen Nichtsthun, an einer Muße, die durch die Reitze der Phantasie, der Sympathie, und einer zwanglosen angenehmen Beschäftigung erheitert wird. Zu dieser feinen Sinnlichkeit gesellte sich eine gewisse Melancholie über ihren bürgerlichen Zustand, und Beydes brachte einen Geist der Behutsamkeit, der Eingezogenheit, der Intrigue hervor, wodurch sich ein Jeder für sein Individuum die möglichst glückliche Lage in der allgemeinen Bedrückung ohne vordringende Aktivität zu verschaffen suchte.</p> <p>Die Galanterie der Italiäner hatte allerdings einen gewissen Prunk, aber es war nicht der Prunk eines rüstigen, muthigen Egoismus, und er diente nur zum Schutzmantel eines weiter liegenden heimlichen Genusses. Der Italiäner verdeckte mehr als er zeigte. Er gab sich freylich das Ansehn einer hinschmelzenden Empfindsamkeit, welche selbst aus der Spannung des Leidens Genuß zieht, viel wünscht, wenig hofft, und nichts verlangt, sich mit der bloßen geselligen Unterhaltung, mit dem bloßen Anschauen begnügen läßt; er verbreitete den Ruhm seiner Dame durch Deklamationen und geschmackvolle Verse; aber sein Hauptgenuß bestand in der Besorgung einer geheimen Intrigue, die ihn angenehm beschäftigte, und zur engeren Vereinigung führte; und blutige Auftritte, welche Eifersucht und Ueberdruß hervorbrachten, offenbarten oft den wahren Gehalt jener anscheinend geistigen Verständnisse.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [262/0262]
der Trieb nach Freyheit und nach kriegerischem Ruhme in der Brust seiner Einwohner nicht ganz erstarb, so sank doch die Energie des Charakters und der Muth, welche nöthig sind, ihn zu befriedigen.
Dagegen wuchs bey diesem Volke der Geschmack an der Ruhe, am süßen Nichtsthun, an einer Muße, die durch die Reitze der Phantasie, der Sympathie, und einer zwanglosen angenehmen Beschäftigung erheitert wird. Zu dieser feinen Sinnlichkeit gesellte sich eine gewisse Melancholie über ihren bürgerlichen Zustand, und Beydes brachte einen Geist der Behutsamkeit, der Eingezogenheit, der Intrigue hervor, wodurch sich ein Jeder für sein Individuum die möglichst glückliche Lage in der allgemeinen Bedrückung ohne vordringende Aktivität zu verschaffen suchte.
Die Galanterie der Italiäner hatte allerdings einen gewissen Prunk, aber es war nicht der Prunk eines rüstigen, muthigen Egoismus, und er diente nur zum Schutzmantel eines weiter liegenden heimlichen Genusses. Der Italiäner verdeckte mehr als er zeigte. Er gab sich freylich das Ansehn einer hinschmelzenden Empfindsamkeit, welche selbst aus der Spannung des Leidens Genuß zieht, viel wünscht, wenig hofft, und nichts verlangt, sich mit der bloßen geselligen Unterhaltung, mit dem bloßen Anschauen begnügen läßt; er verbreitete den Ruhm seiner Dame durch Deklamationen und geschmackvolle Verse; aber sein Hauptgenuß bestand in der Besorgung einer geheimen Intrigue, die ihn angenehm beschäftigte, und zur engeren Vereinigung führte; und blutige Auftritte, welche Eifersucht und Ueberdruß hervorbrachten, offenbarten oft den wahren Gehalt jener anscheinend geistigen Verständnisse.
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