Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.hat in seiner Astree die spanische Diane di Montemajor zum Vorbilde gehabt. Allein er hat es weit hinter sich gelassen. Dieser Roman ist 1610 zuerst erschienen. Ich glaube, die Denkungsart des Verfassers über die Liebe nicht besser schildern zu können, als wenn ich die zwölf Gesetze über diesen Gegenstand, welche darin aufgestellt werden, hieher setze. 1) Der vollkommene Liebhaber muß ohne Maß und Ziel lieben: wer anders liebt, macht sich der Untreue schuldig. 2) Er muß nur einen und den nehmlichen Gegenstand lieben, und in ihm sein einziges Glück finden. 3) Er höre auf sich selbst zu lieben, oder er liebe sich nur in Beziehung auf den geliebten Gegenstand. 4) Wenn er nach höherem Glück strebt, so sey es bloß in der Hoffnung, daß die Geliebte dadurch an Ehre gewinne. 5) Nie verlange er den Besitz der Geliebten auf Kosten ihrer Ehre und der seinigen. 6) Eher sterbe er, als daß er den geliebten Gegenstand in seiner Gegenwart ungestraft lästern höre. 7) Er finde Alles vollkommen in derjenigen, die ihm Liebe eingeflößt hat, und derjenige, der dieß bezweifelt, erscheine als Verbrecher vor seinen Augen. 8) Unter Seufzern möge er zwischen Leben und Tod hinschmachten, ehe er sagt, was er will, oder was er nicht will. hat in seiner Astreé die spanische Diane di Montemajor zum Vorbilde gehabt. Allein er hat es weit hinter sich gelassen. Dieser Roman ist 1610 zuerst erschienen. Ich glaube, die Denkungsart des Verfassers über die Liebe nicht besser schildern zu können, als wenn ich die zwölf Gesetze über diesen Gegenstand, welche darin aufgestellt werden, hieher setze. 1) Der vollkommene Liebhaber muß ohne Maß und Ziel lieben: wer anders liebt, macht sich der Untreue schuldig. 2) Er muß nur einen und den nehmlichen Gegenstand lieben, und in ihm sein einziges Glück finden. 3) Er höre auf sich selbst zu lieben, oder er liebe sich nur in Beziehung auf den geliebten Gegenstand. 4) Wenn er nach höherem Glück strebt, so sey es bloß in der Hoffnung, daß die Geliebte dadurch an Ehre gewinne. 5) Nie verlange er den Besitz der Geliebten auf Kosten ihrer Ehre und der seinigen. 6) Eher sterbe er, als daß er den geliebten Gegenstand in seiner Gegenwart ungestraft lästern höre. 7) Er finde Alles vollkommen in derjenigen, die ihm Liebe eingeflößt hat, und derjenige, der dieß bezweifelt, erscheine als Verbrecher vor seinen Augen. 8) Unter Seufzern möge er zwischen Leben und Tod hinschmachten, ehe er sagt, was er will, oder was er nicht will. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0197" n="197"/> hat in seiner <hi rendition="#aq">Astreé</hi> die spanische <hi rendition="#aq">Diane di Montemajor</hi> zum Vorbilde gehabt. Allein er hat es weit hinter sich gelassen.</p> <p>Dieser Roman ist 1610 zuerst erschienen. Ich glaube, die Denkungsart des Verfassers über die Liebe nicht besser schildern zu können, als wenn ich die zwölf Gesetze über diesen Gegenstand, welche darin aufgestellt werden, hieher setze.</p> <p>1) Der vollkommene Liebhaber muß ohne Maß und Ziel lieben: wer anders liebt, macht sich der Untreue schuldig.</p> <p>2) Er muß nur einen und den nehmlichen Gegenstand lieben, und in ihm sein einziges Glück finden.</p> <p>3) Er höre auf sich selbst zu lieben, oder er liebe sich nur in Beziehung auf den geliebten Gegenstand.</p> <p>4) Wenn er nach höherem Glück strebt, so sey es bloß in der Hoffnung, daß die Geliebte dadurch an Ehre gewinne.</p> <p>5) Nie verlange er den Besitz der Geliebten auf Kosten ihrer Ehre und der seinigen.</p> <p>6) Eher sterbe er, als daß er den geliebten Gegenstand in seiner Gegenwart ungestraft lästern höre.</p> <p>7) Er finde Alles vollkommen in derjenigen, die ihm Liebe eingeflößt hat, und derjenige, der dieß bezweifelt, erscheine als Verbrecher vor seinen Augen.</p> <p>8) Unter Seufzern möge er zwischen Leben und Tod hinschmachten, ehe er sagt, was er will, oder was er nicht will.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0197]
hat in seiner Astreé die spanische Diane di Montemajor zum Vorbilde gehabt. Allein er hat es weit hinter sich gelassen.
Dieser Roman ist 1610 zuerst erschienen. Ich glaube, die Denkungsart des Verfassers über die Liebe nicht besser schildern zu können, als wenn ich die zwölf Gesetze über diesen Gegenstand, welche darin aufgestellt werden, hieher setze.
1) Der vollkommene Liebhaber muß ohne Maß und Ziel lieben: wer anders liebt, macht sich der Untreue schuldig.
2) Er muß nur einen und den nehmlichen Gegenstand lieben, und in ihm sein einziges Glück finden.
3) Er höre auf sich selbst zu lieben, oder er liebe sich nur in Beziehung auf den geliebten Gegenstand.
4) Wenn er nach höherem Glück strebt, so sey es bloß in der Hoffnung, daß die Geliebte dadurch an Ehre gewinne.
5) Nie verlange er den Besitz der Geliebten auf Kosten ihrer Ehre und der seinigen.
6) Eher sterbe er, als daß er den geliebten Gegenstand in seiner Gegenwart ungestraft lästern höre.
7) Er finde Alles vollkommen in derjenigen, die ihm Liebe eingeflößt hat, und derjenige, der dieß bezweifelt, erscheine als Verbrecher vor seinen Augen.
8) Unter Seufzern möge er zwischen Leben und Tod hinschmachten, ehe er sagt, was er will, oder was er nicht will.
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