Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Herbelot 13) sagt uns, daß die Araber fünf Stufen der göttlichen Liebe annehmen: die Freundschaft, (amitie) die Liebe, (amour) das Verlangen, (desir) die Begeisterung, (ardeur) und die Entzückung (extase.) Sie erklären, fährt er fort, die Liebe für die Zuneigung des einzigen und wahren Guts zu seiner höchsten Schönheit im Allgemeinen. Diese Liebe hat vier Arten:

1) des Allgemeinen zum Allgemeinen: so liebt Gott, wenn er sein eigenes Wesen in dem Spiegel seiner eigenen Essenz ohne Mittel einer andern Substanz betrachtet, und dann bringt er von Ewigkeit an die erste Liebe hervor.

2) Die zweyte Art ist die Liebe des Allgemeinen zum Einzelnen: nehmlich, wenn Gott eine Unendlichkeit von Blicken auf den Glanz seiner Schönheit wirft, die sich theils in der Vortrefflichkeit seiner Attribute, theils in der Vollkommenheit seiner Werke abspiegelt.

3) Die dritte Art der Liebe findet zwischen dem Einzelnen zum Einzelnen Statt. Die Menschen sind es, die auf diese Art lieben. Sie betrachten den Abglanz der höchsten Urschönheit an den vergänglichen Dingen, finden darin die Quelle ihrer liebsten Beschäftigungen und ihres Glücks, freuen sich, wenn sie diese besitzen, und trauern, wenn sie ihnen entrissen werden.

4) Endlich findet die vierte Liebe zwischen dem Einzelnen zum Allgemeinen Statt. Vermöge dieser entäußern sich die von Gott auserwählten Seelen aller Gedanken und Neigungen zu den irdischen Dingen, und bedienen sich nur der Betrachtung ihrer Eigenschaften,

13) Bibliotheque orientale par Herbelot. Paris 1697. Article Eschk Allah.

Herbelot 13) sagt uns, daß die Araber fünf Stufen der göttlichen Liebe annehmen: die Freundschaft, (amitié) die Liebe, (amour) das Verlangen, (desir) die Begeisterung, (ardeur) und die Entzückung (extase.) Sie erklären, fährt er fort, die Liebe für die Zuneigung des einzigen und wahren Guts zu seiner höchsten Schönheit im Allgemeinen. Diese Liebe hat vier Arten:

1) des Allgemeinen zum Allgemeinen: so liebt Gott, wenn er sein eigenes Wesen in dem Spiegel seiner eigenen Essenz ohne Mittel einer andern Substanz betrachtet, und dann bringt er von Ewigkeit an die erste Liebe hervor.

2) Die zweyte Art ist die Liebe des Allgemeinen zum Einzelnen: nehmlich, wenn Gott eine Unendlichkeit von Blicken auf den Glanz seiner Schönheit wirft, die sich theils in der Vortrefflichkeit seiner Attribute, theils in der Vollkommenheit seiner Werke abspiegelt.

3) Die dritte Art der Liebe findet zwischen dem Einzelnen zum Einzelnen Statt. Die Menschen sind es, die auf diese Art lieben. Sie betrachten den Abglanz der höchsten Urschönheit an den vergänglichen Dingen, finden darin die Quelle ihrer liebsten Beschäftigungen und ihres Glücks, freuen sich, wenn sie diese besitzen, und trauern, wenn sie ihnen entrissen werden.

4) Endlich findet die vierte Liebe zwischen dem Einzelnen zum Allgemeinen Statt. Vermöge dieser entäußern sich die von Gott auserwählten Seelen aller Gedanken und Neigungen zu den irdischen Dingen, und bedienen sich nur der Betrachtung ihrer Eigenschaften,

13) Bibliotheque orientale par Herbelot. Paris 1697. Article Eschk Allah.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0016" n="16"/>
          <p>Herbelot <note place="foot" n="13)"><hi rendition="#aq">Bibliotheque orientale par Herbelot. Paris 1697. Article Eschk Allah.</hi></note> sagt uns, daß die Araber fünf Stufen der göttlichen Liebe annehmen: die Freundschaft, <hi rendition="#aq">(amitié)</hi> die Liebe, <hi rendition="#aq">(amour)</hi> das Verlangen, <hi rendition="#aq">(desir)</hi> die Begeisterung, <hi rendition="#aq">(ardeur)</hi> und die Entzückung <hi rendition="#aq">(extase.)</hi> Sie erklären, fährt er fort, die Liebe für die Zuneigung des einzigen und wahren Guts zu seiner höchsten Schönheit im Allgemeinen. Diese Liebe hat vier Arten:</p>
          <p>1) des Allgemeinen zum Allgemeinen: so liebt Gott, wenn er sein eigenes Wesen in dem Spiegel seiner eigenen Essenz ohne Mittel einer andern Substanz betrachtet, und dann bringt er von Ewigkeit an die erste Liebe hervor.</p>
          <p>2) Die zweyte Art ist die Liebe des Allgemeinen zum Einzelnen: nehmlich, wenn Gott eine Unendlichkeit von Blicken auf den Glanz seiner Schönheit wirft, die sich theils in der Vortrefflichkeit seiner Attribute, theils in der Vollkommenheit seiner Werke abspiegelt.</p>
          <p>3) Die dritte Art der Liebe findet zwischen dem Einzelnen zum Einzelnen Statt. Die Menschen sind es, die auf diese Art lieben. Sie betrachten den Abglanz der höchsten Urschönheit an den vergänglichen Dingen, finden darin die Quelle ihrer liebsten Beschäftigungen und ihres Glücks, freuen sich, wenn sie diese besitzen, und trauern, wenn sie ihnen entrissen werden.</p>
          <p>4) Endlich findet die vierte Liebe zwischen dem Einzelnen zum Allgemeinen Statt. Vermöge dieser entäußern sich die von Gott auserwählten Seelen aller Gedanken und Neigungen zu den irdischen Dingen, und bedienen sich nur der Betrachtung ihrer Eigenschaften,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0016] Herbelot 13) sagt uns, daß die Araber fünf Stufen der göttlichen Liebe annehmen: die Freundschaft, (amitié) die Liebe, (amour) das Verlangen, (desir) die Begeisterung, (ardeur) und die Entzückung (extase.) Sie erklären, fährt er fort, die Liebe für die Zuneigung des einzigen und wahren Guts zu seiner höchsten Schönheit im Allgemeinen. Diese Liebe hat vier Arten: 1) des Allgemeinen zum Allgemeinen: so liebt Gott, wenn er sein eigenes Wesen in dem Spiegel seiner eigenen Essenz ohne Mittel einer andern Substanz betrachtet, und dann bringt er von Ewigkeit an die erste Liebe hervor. 2) Die zweyte Art ist die Liebe des Allgemeinen zum Einzelnen: nehmlich, wenn Gott eine Unendlichkeit von Blicken auf den Glanz seiner Schönheit wirft, die sich theils in der Vortrefflichkeit seiner Attribute, theils in der Vollkommenheit seiner Werke abspiegelt. 3) Die dritte Art der Liebe findet zwischen dem Einzelnen zum Einzelnen Statt. Die Menschen sind es, die auf diese Art lieben. Sie betrachten den Abglanz der höchsten Urschönheit an den vergänglichen Dingen, finden darin die Quelle ihrer liebsten Beschäftigungen und ihres Glücks, freuen sich, wenn sie diese besitzen, und trauern, wenn sie ihnen entrissen werden. 4) Endlich findet die vierte Liebe zwischen dem Einzelnen zum Allgemeinen Statt. Vermöge dieser entäußern sich die von Gott auserwählten Seelen aller Gedanken und Neigungen zu den irdischen Dingen, und bedienen sich nur der Betrachtung ihrer Eigenschaften, 13) Bibliotheque orientale par Herbelot. Paris 1697. Article Eschk Allah.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/16
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/16>, abgerufen am 23.11.2024.