Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.und einzeln sogar vorgezogen. Mehrere Gründe haben dazu mitgewirkt, und diese Denkungsart fort erhalten, bis sich mit dem Untergange des Reichs sowohl im Abend- als Morgenlande die Spur des Volkscharakters der Römer und Griechen verliert. Nach dem Verluste des Nationalstolzes vermehrte sich bey dem Römer die Abneigung gegen das öffentliche Leben, und bey der Unsicherheit des Eigenthums, bey der Abnahme der Künste einer verfeinerten Sinnlichkeit konnte er selbst aus dem Privatleben keinen befriedigenden Genuß ziehen. Er wandte sich also zu einem Daseyn in einem übersinnlichen Reiche, und legte besonders Werth auf diejenigen Tugenden, die ihm seine Existenz erträglicher machten und ihm in einem künftigen Leben Belohnung versprachen. Die Neuplatonische Philosophie und die Lehren der christlichen Religion boten ihm dazu die Hände. Sie befahlen ihm Erhebung über die Sinnlichkeit, stete Rücksicht auf ein unsichtbares Reich, geduldige Stärke und Demuth bey allen noch so widrigen Schicksalen in dieser Welt. Gerade dieß aber waren Vorzüge, worin das Weib dem Manne nicht nur gleich kam, sondern ihn auch übertraf. Die christliche Religion hob besonders das Ansehn des Weibes aus Gründen die in ihren Dogmen selbst, und in der Geschichte ihrer Ausbreitung liegen. Mehrere ausgezeichnete Fürstinnen, der Einfluß, den das zärtere und zu Intriguen besonders aufgelegte Geschlecht an den Höfen bekam, die immer mehr nach asiatischer Weise von der übrigen Gesellschaft abgesondert wurden; der pomphafte Ausdruck des morgenländischen Ceremoniels: die von den und einzeln sogar vorgezogen. Mehrere Gründe haben dazu mitgewirkt, und diese Denkungsart fort erhalten, bis sich mit dem Untergange des Reichs sowohl im Abend- als Morgenlande die Spur des Volkscharakters der Römer und Griechen verliert. Nach dem Verluste des Nationalstolzes vermehrte sich bey dem Römer die Abneigung gegen das öffentliche Leben, und bey der Unsicherheit des Eigenthums, bey der Abnahme der Künste einer verfeinerten Sinnlichkeit konnte er selbst aus dem Privatleben keinen befriedigenden Genuß ziehen. Er wandte sich also zu einem Daseyn in einem übersinnlichen Reiche, und legte besonders Werth auf diejenigen Tugenden, die ihm seine Existenz erträglicher machten und ihm in einem künftigen Leben Belohnung versprachen. Die Neuplatonische Philosophie und die Lehren der christlichen Religion boten ihm dazu die Hände. Sie befahlen ihm Erhebung über die Sinnlichkeit, stete Rücksicht auf ein unsichtbares Reich, geduldige Stärke und Demuth bey allen noch so widrigen Schicksalen in dieser Welt. Gerade dieß aber waren Vorzüge, worin das Weib dem Manne nicht nur gleich kam, sondern ihn auch übertraf. Die christliche Religion hob besonders das Ansehn des Weibes aus Gründen die in ihren Dogmen selbst, und in der Geschichte ihrer Ausbreitung liegen. Mehrere ausgezeichnete Fürstinnen, der Einfluß, den das zärtere und zu Intriguen besonders aufgelegte Geschlecht an den Höfen bekam, die immer mehr nach asiatischer Weise von der übrigen Gesellschaft abgesondert wurden; der pomphafte Ausdruck des morgenländischen Ceremoniels: die von den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0436" n="436"/> und einzeln sogar vorgezogen.</hi> Mehrere Gründe haben dazu mitgewirkt, und diese Denkungsart fort erhalten, bis sich mit dem Untergange des Reichs sowohl im Abend- als Morgenlande die Spur des Volkscharakters der Römer und Griechen verliert.</p> <p><hi rendition="#g">Nach dem Verluste des Nationalstolzes</hi> vermehrte sich bey dem Römer die Abneigung gegen das öffentliche Leben, und <hi rendition="#g">bey der Unsicherheit des Eigenthums, bey der Abnahme der Künste einer verfeinerten Sinnlichkeit</hi> konnte er selbst aus dem Privatleben keinen befriedigenden Genuß ziehen. Er <hi rendition="#g">wandte</hi> sich also zu <hi rendition="#g">einem Daseyn in einem übersinnlichen Reiche,</hi> und legte besonders Werth auf diejenigen <hi rendition="#g">Tugenden, die ihm seine Existenz erträglicher machten und ihm in einem künftigen Leben Belohnung versprachen.</hi> Die <hi rendition="#g">Neuplatonische Philosophie</hi> und die Lehren der <hi rendition="#g">christlichen Religion</hi> boten ihm dazu die Hände. Sie befahlen ihm <hi rendition="#g">Erhebung über die Sinnlichkeit, stete Rücksicht auf ein unsichtbares Reich, geduldige Stärke</hi> und <hi rendition="#g">Demuth</hi> bey allen noch so widrigen Schicksalen in dieser Welt.</p> <p>Gerade dieß aber waren <hi rendition="#g">Vorzüge, worin das Weib dem Manne nicht nur gleich kam, sondern ihn auch übertraf. Die christliche Religion hob besonders das Ansehn des Weibes</hi> aus Gründen die in ihren Dogmen selbst, und in der Geschichte ihrer Ausbreitung liegen. Mehrere <hi rendition="#g">ausgezeichnete Fürstinnen,</hi> der <hi rendition="#g">Einfluß, den das zärtere</hi> und zu Intriguen besonders aufgelegte <hi rendition="#g">Geschlecht an den Höfen bekam,</hi> die immer mehr nach asiatischer Weise von der übrigen Gesellschaft abgesondert wurden; <hi rendition="#g">der pomphafte Ausdruck des morgenländischen Ceremoniels: die von den </hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [436/0436]
und einzeln sogar vorgezogen. Mehrere Gründe haben dazu mitgewirkt, und diese Denkungsart fort erhalten, bis sich mit dem Untergange des Reichs sowohl im Abend- als Morgenlande die Spur des Volkscharakters der Römer und Griechen verliert.
Nach dem Verluste des Nationalstolzes vermehrte sich bey dem Römer die Abneigung gegen das öffentliche Leben, und bey der Unsicherheit des Eigenthums, bey der Abnahme der Künste einer verfeinerten Sinnlichkeit konnte er selbst aus dem Privatleben keinen befriedigenden Genuß ziehen. Er wandte sich also zu einem Daseyn in einem übersinnlichen Reiche, und legte besonders Werth auf diejenigen Tugenden, die ihm seine Existenz erträglicher machten und ihm in einem künftigen Leben Belohnung versprachen. Die Neuplatonische Philosophie und die Lehren der christlichen Religion boten ihm dazu die Hände. Sie befahlen ihm Erhebung über die Sinnlichkeit, stete Rücksicht auf ein unsichtbares Reich, geduldige Stärke und Demuth bey allen noch so widrigen Schicksalen in dieser Welt.
Gerade dieß aber waren Vorzüge, worin das Weib dem Manne nicht nur gleich kam, sondern ihn auch übertraf. Die christliche Religion hob besonders das Ansehn des Weibes aus Gründen die in ihren Dogmen selbst, und in der Geschichte ihrer Ausbreitung liegen. Mehrere ausgezeichnete Fürstinnen, der Einfluß, den das zärtere und zu Intriguen besonders aufgelegte Geschlecht an den Höfen bekam, die immer mehr nach asiatischer Weise von der übrigen Gesellschaft abgesondert wurden; der pomphafte Ausdruck des morgenländischen Ceremoniels: die von den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |