Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Properz trotzt auf sein Verdienst, auf den Ruhm, den seine Gedichte der Geliebten bringen: Tibull erwähnt dieser nur mit Bescheidenheit, glaubt immer mehr zu empfangen, als zu geben. Properz erhebt die Talente seiner Cynthia, und legt diesen beynahe einen noch höhern Werth bey, als ihrer Gestalt. Aber seine Lobeserhebungen sind so übertrieben, und mit so weit hergehohlten Vergleichungen überladen, daß sie mehr der Sprache der Galanterie als des Herzens ähneln. 61) Auch scheint ein großer Theil des Werthes, den er auf die Ausbildung ihres Geistes setzt, dem Umstande zugeschrieben werden zu müssen, daß sie so viel Geschmack an seinen Versen findet 62) Properz kann bey einem Schmause vergessen, daß sein Mädchen seiner wartet, und wenn er es nun schlafend findet, aus bloßer Besorgniß, von ihm mißhandelt zu werden, es nicht wecken. 63) Er kann seine Geliebte bitten, bey seinem Leichenbegängnisse ihre Traurigkeit zugleich mit seinen Werken zur Schau auszustellen; 64) und überhaupt in den Qualen der Geliebten, die er verursacht, in den Thränen, die sie um ihn vergießt, den größten Beweis ihrer Liebe, und den süßesten Genuß der Verbindung setzen. 65) Diese Proben, die noch sehr gehäuft werden könnten, zeigen deutlich, daß Properz Stolz auf den 61) Elegie 2. im zweyten B. 62) Elegie 13. dess. B. 63) Elegie 13. dess. B. 64) Elegie 13. im zweyten B. 65) Elegie 6. und 8. im dritten B.
Properz trotzt auf sein Verdienst, auf den Ruhm, den seine Gedichte der Geliebten bringen: Tibull erwähnt dieser nur mit Bescheidenheit, glaubt immer mehr zu empfangen, als zu geben. Properz erhebt die Talente seiner Cynthia, und legt diesen beynahe einen noch höhern Werth bey, als ihrer Gestalt. Aber seine Lobeserhebungen sind so übertrieben, und mit so weit hergehohlten Vergleichungen überladen, daß sie mehr der Sprache der Galanterie als des Herzens ähneln. 61) Auch scheint ein großer Theil des Werthes, den er auf die Ausbildung ihres Geistes setzt, dem Umstande zugeschrieben werden zu müssen, daß sie so viel Geschmack an seinen Versen findet 62) Properz kann bey einem Schmause vergessen, daß sein Mädchen seiner wartet, und wenn er es nun schlafend findet, aus bloßer Besorgniß, von ihm mißhandelt zu werden, es nicht wecken. 63) Er kann seine Geliebte bitten, bey seinem Leichenbegängnisse ihre Traurigkeit zugleich mit seinen Werken zur Schau auszustellen; 64) und überhaupt in den Qualen der Geliebten, die er verursacht, in den Thränen, die sie um ihn vergießt, den größten Beweis ihrer Liebe, und den süßesten Genuß der Verbindung setzen. 65) Diese Proben, die noch sehr gehäuft werden könnten, zeigen deutlich, daß Properz Stolz auf den 61) Elegie 2. im zweyten B. 62) Elegie 13. dess. B. 63) Elegie 13. dess. B. 64) Elegie 13. im zweyten B. 65) Elegie 6. und 8. im dritten B.
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Properz trotzt auf sein Verdienst, auf den Ruhm, den seine Gedichte der Geliebten bringen: Tibull erwähnt dieser nur mit Bescheidenheit, glaubt immer mehr zu empfangen, als zu geben. Properz erhebt die Talente seiner Cynthia, und legt diesen beynahe einen noch höhern Werth bey, als ihrer Gestalt. Aber seine Lobeserhebungen sind so übertrieben, und mit so weit hergehohlten Vergleichungen überladen, daß sie mehr der Sprache der Galanterie als des Herzens ähneln. 61) Auch scheint ein großer Theil des Werthes, den er auf die Ausbildung ihres Geistes setzt, dem Umstande zugeschrieben werden zu müssen, daß sie so viel Geschmack an seinen Versen findet 62) Properz kann bey einem Schmause vergessen, daß sein Mädchen seiner wartet, und wenn er es nun schlafend findet, aus bloßer Besorgniß, von ihm mißhandelt zu werden, es nicht wecken. 63) Er kann seine Geliebte bitten, bey seinem Leichenbegängnisse ihre Traurigkeit zugleich mit seinen Werken zur Schau auszustellen; 64) und überhaupt in den Qualen der Geliebten, die er verursacht, in den Thränen, die sie um ihn vergießt, den größten Beweis ihrer Liebe, und den süßesten Genuß der Verbindung setzen. 65)
Diese Proben, die noch sehr gehäuft werden könnten, zeigen deutlich, daß Properz Stolz auf den
61) Elegie 2. im zweyten B.
62) Elegie 13. dess. B.
63) Elegie 13. dess. B.
64) Elegie 13. im zweyten B.
65) Elegie 6. und 8. im dritten B.
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Zitationshilfe: | Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/334>, abgerufen am 16.02.2025. |