Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich habe schon die Stelle angeführt, worin er sich wünscht, mit Delia zu leben, und bey ihr zu sterben. Herr Manso hat diesen letzten Wunsch sehr glücklich übersetzt:

Dich sucht der irre Blick, wenn furchtbar meine Stunde
Mir tönet; dich allein die halb schon kalte Hand.
Laut weinst du dann um mich, und reichst dem welken Munde
Noch einmahl einen Kuß, der Liebe letztes Pfand.

Aber gleich darauf macht diese eigennützige Empfindung einer liebenden Platz. "Doch, ruft er aus, überlaß dich nicht der Verzweiflung! Schone der Ruhe meines Schattens, indem du deines Lebens schonest!" 18) Wenn ihn sein Unmuth hinreißt, Strafen von den Göttern über die Ungetreue herabzurufen; wie bald lenkt er ein, und bittet, daß diese Strafen leicht seyn mögen! 19)

Eben diese Denkungsart und Stimmung des Gemüths leuchten aus seinen Verhältnissen mit der Nemesis hervor. Ueberall finden wir jene Veredlung der Geschlechtssympathie wieder, die im häuslichen und traulichen Zusammenleben, abgesondert von dem Gewühle der Stadt, die höchsten Freuden der Vereinigung sucht, 20) und eine solche Verbindung nicht bloß auf eine Zeitlang, sondern aufs Leben einzugehen Muth hat. 21) Ueberall finden wir Spuren

18) Elegie 1. v. 55. dess. B.
19) Elegie 6. v. 56. dess. B.
20) Elegie 3. v. 5. im zweyten Buche.
21) Elegie 2. v. 18. ebendaselbst.

Ich habe schon die Stelle angeführt, worin er sich wünscht, mit Delia zu leben, und bey ihr zu sterben. Herr Manso hat diesen letzten Wunsch sehr glücklich übersetzt:

Dich sucht der irre Blick, wenn furchtbar meine Stunde
Mir tönet; dich allein die halb schon kalte Hand.
Laut weinst du dann um mich, und reichst dem welken Munde
Noch einmahl einen Kuß, der Liebe letztes Pfand.

Aber gleich darauf macht diese eigennützige Empfindung einer liebenden Platz. „Doch, ruft er aus, überlaß dich nicht der Verzweiflung! Schone der Ruhe meines Schattens, indem du deines Lebens schonest!“ 18) Wenn ihn sein Unmuth hinreißt, Strafen von den Göttern über die Ungetreue herabzurufen; wie bald lenkt er ein, und bittet, daß diese Strafen leicht seyn mögen! 19)

Eben diese Denkungsart und Stimmung des Gemüths leuchten aus seinen Verhältnissen mit der Nemesis hervor. Ueberall finden wir jene Veredlung der Geschlechtssympathie wieder, die im häuslichen und traulichen Zusammenleben, abgesondert von dem Gewühle der Stadt, die höchsten Freuden der Vereinigung sucht, 20) und eine solche Verbindung nicht bloß auf eine Zeitlang, sondern aufs Leben einzugehen Muth hat. 21) Ueberall finden wir Spuren

18) Elegie 1. v. 55. dess. B.
19) Elegie 6. v. 56. dess. B.
20) Elegie 3. v. 5. im zweyten Buche.
21) Elegie 2. v. 18. ebendaselbst.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0323" n="323"/>
Ich habe schon die Stelle angeführt, worin er sich wünscht, mit Delia zu leben, und bey ihr zu sterben. Herr Manso hat diesen letzten Wunsch sehr glücklich übersetzt:</p>
          <lg type="poem">
            <l>Dich sucht der irre Blick, wenn furchtbar meine Stunde<lb/></l>
            <l>Mir tönet; dich allein die halb schon kalte Hand.<lb/></l>
            <l>Laut weinst du dann um mich, und reichst dem welken Munde<lb/></l>
            <l>Noch einmahl einen Kuß, der Liebe letztes Pfand.<lb/></l>
          </lg>
          <p>Aber gleich darauf macht diese eigennützige Empfindung einer liebenden Platz. &#x201E;Doch, ruft er aus, überlaß dich nicht der Verzweiflung! Schone der Ruhe meines Schattens, indem du deines Lebens schonest!&#x201C; <note place="foot" n="18)">Elegie 1. <hi rendition="#aq">v. 55.</hi> dess. B.</note> Wenn ihn sein Unmuth hinreißt, Strafen von den Göttern über die Ungetreue herabzurufen; wie bald lenkt er ein, und bittet, daß diese Strafen leicht seyn mögen! <note place="foot" n="19)">Elegie 6. <hi rendition="#aq">v. 56.</hi> dess. B.</note></p>
          <p>Eben diese Denkungsart und Stimmung des Gemüths leuchten aus seinen Verhältnissen mit der Nemesis hervor. Ueberall finden wir jene Veredlung der Geschlechtssympathie wieder, die im häuslichen und traulichen Zusammenleben, abgesondert von dem Gewühle der Stadt, die höchsten Freuden der Vereinigung sucht, <note place="foot" n="20)">Elegie 3. <hi rendition="#aq">v. 5.</hi> im zweyten Buche.</note> und eine solche Verbindung nicht bloß auf eine Zeitlang, sondern aufs Leben einzugehen Muth hat. <note place="foot" n="21)">Elegie 2. <hi rendition="#aq">v. 18.</hi> ebendaselbst.</note> Ueberall finden wir Spuren
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[323/0323] Ich habe schon die Stelle angeführt, worin er sich wünscht, mit Delia zu leben, und bey ihr zu sterben. Herr Manso hat diesen letzten Wunsch sehr glücklich übersetzt: Dich sucht der irre Blick, wenn furchtbar meine Stunde Mir tönet; dich allein die halb schon kalte Hand. Laut weinst du dann um mich, und reichst dem welken Munde Noch einmahl einen Kuß, der Liebe letztes Pfand. Aber gleich darauf macht diese eigennützige Empfindung einer liebenden Platz. „Doch, ruft er aus, überlaß dich nicht der Verzweiflung! Schone der Ruhe meines Schattens, indem du deines Lebens schonest!“ 18) Wenn ihn sein Unmuth hinreißt, Strafen von den Göttern über die Ungetreue herabzurufen; wie bald lenkt er ein, und bittet, daß diese Strafen leicht seyn mögen! 19) Eben diese Denkungsart und Stimmung des Gemüths leuchten aus seinen Verhältnissen mit der Nemesis hervor. Ueberall finden wir jene Veredlung der Geschlechtssympathie wieder, die im häuslichen und traulichen Zusammenleben, abgesondert von dem Gewühle der Stadt, die höchsten Freuden der Vereinigung sucht, 20) und eine solche Verbindung nicht bloß auf eine Zeitlang, sondern aufs Leben einzugehen Muth hat. 21) Ueberall finden wir Spuren 18) Elegie 1. v. 55. dess. B. 19) Elegie 6. v. 56. dess. B. 20) Elegie 3. v. 5. im zweyten Buche. 21) Elegie 2. v. 18. ebendaselbst.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/323
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/323>, abgerufen am 22.11.2024.