Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.förmlichen Kaufkontrakt zugeschlagen: er erwarb sie durch Verjährung. Alles, was sie ihm zubrachte, alles, was sie gewann, war sein: er hielt Familiengericht über ihre Vergehungen, und den Begriffen des Verhältnisses nach, worin sie zu ihm stand, konnte er sie sogar am Leben strafen. Allein Elternfürsorge, Schätzung des Mannes für den Werth der Vorsteherin seines Hauses, natürliche Gefühle der Sympathie mit der Gefährtin seines Lebens, mit der Mutter seiner Kinder, besonders aber die Achtung für die Abkunft der Tochter eines Staatsbürgers; - alles dieß gab doch dem Begriffe der vollkommenen Angehörung eine besondere Modifikation, und der Person der Gattin einen Rang über dem Sklaven und über dem Kebsweibe. Sie blieb freygebornes Familienmitglied, und erbte nach dem kinderlosen Tode des Mannes Alles, oder wenn sie Kinder hatte, mit diesen Kindestheil. Inzwischen kann auf Anerkennung der Selbständigkeit des Weibes, auf Achtung und wahre Zärtlichkeit für das Geschlecht in einer solchen Lage nicht gerechnet werden. Zwar finden wir einige Beyspiele, daß die Römer weibliche Verdienste geehrt haben. So errichteten sie der Clölia eine Ritterstatue, (Statua equestris) und zu Ehren der Mutter und der Gemahlin des Coriolan der weiblichen Glücksgöttin einen Tempel. Aber dergleichen Zeichen öffentlicher Dankbarkeit für Dienste, die dem Staate geleistet waren, beweisen um so weniger etwas für die Achtung für das weibliche Geschlecht, weil auch Sklaven, ja, sogar Thiere unter ähnlichen Umständen daran Theil nahmen. förmlichen Kaufkontrakt zugeschlagen: er erwarb sie durch Verjährung. Alles, was sie ihm zubrachte, alles, was sie gewann, war sein: er hielt Familiengericht über ihre Vergehungen, und den Begriffen des Verhältnisses nach, worin sie zu ihm stand, konnte er sie sogar am Leben strafen. Allein Elternfürsorge, Schätzung des Mannes für den Werth der Vorsteherin seines Hauses, natürliche Gefühle der Sympathie mit der Gefährtin seines Lebens, mit der Mutter seiner Kinder, besonders aber die Achtung für die Abkunft der Tochter eines Staatsbürgers; – alles dieß gab doch dem Begriffe der vollkommenen Angehörung eine besondere Modifikation, und der Person der Gattin einen Rang über dem Sklaven und über dem Kebsweibe. Sie blieb freygebornes Familienmitglied, und erbte nach dem kinderlosen Tode des Mannes Alles, oder wenn sie Kinder hatte, mit diesen Kindestheil. Inzwischen kann auf Anerkennung der Selbständigkeit des Weibes, auf Achtung und wahre Zärtlichkeit für das Geschlecht in einer solchen Lage nicht gerechnet werden. Zwar finden wir einige Beyspiele, daß die Römer weibliche Verdienste geehrt haben. So errichteten sie der Clölia eine Ritterstatue, (Statua equestris) und zu Ehren der Mutter und der Gemahlin des Coriolan der weiblichen Glücksgöttin einen Tempel. Aber dergleichen Zeichen öffentlicher Dankbarkeit für Dienste, die dem Staate geleistet waren, beweisen um so weniger etwas für die Achtung für das weibliche Geschlecht, weil auch Sklaven, ja, sogar Thiere unter ähnlichen Umständen daran Theil nahmen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0289" n="289"/> förmlichen Kaufkontrakt zugeschlagen: er erwarb sie durch Verjährung. Alles, was sie ihm zubrachte, alles, was sie gewann, war sein: er hielt Familiengericht über ihre Vergehungen, und den Begriffen des Verhältnisses nach, worin sie zu ihm stand, konnte er sie sogar am Leben strafen. Allein Elternfürsorge, Schätzung des Mannes für den Werth der Vorsteherin seines Hauses, natürliche Gefühle der Sympathie mit der Gefährtin seines Lebens, mit der Mutter seiner Kinder, besonders aber die Achtung für die Abkunft der Tochter eines Staatsbürgers; – alles dieß gab doch dem Begriffe der vollkommenen Angehörung eine besondere Modifikation, und der Person der Gattin einen Rang über dem Sklaven und über dem Kebsweibe. Sie blieb freygebornes Familienmitglied, und erbte nach dem kinderlosen Tode des Mannes Alles, oder wenn sie Kinder <choice><sic>hatte</sic><corr>hatte,</corr></choice> mit diesen Kindestheil.</p> <p>Inzwischen kann auf Anerkennung der Selbständigkeit des Weibes, auf Achtung und wahre Zärtlichkeit für das Geschlecht in einer solchen Lage nicht gerechnet werden. Zwar finden wir einige Beyspiele, daß die Römer weibliche Verdienste geehrt haben. So errichteten sie der Clölia eine Ritterstatue, <hi rendition="#aq">(Statua equestris)</hi> und zu Ehren der Mutter und der Gemahlin des Coriolan der weiblichen Glücksgöttin einen Tempel. Aber dergleichen Zeichen öffentlicher Dankbarkeit für Dienste, die dem Staate geleistet waren, beweisen um so weniger etwas für die Achtung für das weibliche Geschlecht, weil auch Sklaven, ja, sogar Thiere unter ähnlichen Umständen daran Theil nahmen.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [289/0289]
förmlichen Kaufkontrakt zugeschlagen: er erwarb sie durch Verjährung. Alles, was sie ihm zubrachte, alles, was sie gewann, war sein: er hielt Familiengericht über ihre Vergehungen, und den Begriffen des Verhältnisses nach, worin sie zu ihm stand, konnte er sie sogar am Leben strafen. Allein Elternfürsorge, Schätzung des Mannes für den Werth der Vorsteherin seines Hauses, natürliche Gefühle der Sympathie mit der Gefährtin seines Lebens, mit der Mutter seiner Kinder, besonders aber die Achtung für die Abkunft der Tochter eines Staatsbürgers; – alles dieß gab doch dem Begriffe der vollkommenen Angehörung eine besondere Modifikation, und der Person der Gattin einen Rang über dem Sklaven und über dem Kebsweibe. Sie blieb freygebornes Familienmitglied, und erbte nach dem kinderlosen Tode des Mannes Alles, oder wenn sie Kinder hatte, mit diesen Kindestheil.
Inzwischen kann auf Anerkennung der Selbständigkeit des Weibes, auf Achtung und wahre Zärtlichkeit für das Geschlecht in einer solchen Lage nicht gerechnet werden. Zwar finden wir einige Beyspiele, daß die Römer weibliche Verdienste geehrt haben. So errichteten sie der Clölia eine Ritterstatue, (Statua equestris) und zu Ehren der Mutter und der Gemahlin des Coriolan der weiblichen Glücksgöttin einen Tempel. Aber dergleichen Zeichen öffentlicher Dankbarkeit für Dienste, die dem Staate geleistet waren, beweisen um so weniger etwas für die Achtung für das weibliche Geschlecht, weil auch Sklaven, ja, sogar Thiere unter ähnlichen Umständen daran Theil nahmen.
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Zitationshilfe: | Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/289>, abgerufen am 16.02.2025. |