Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Irre ich nicht, so darf ich etwas von dieser Denkungsart eines Philosophen, der lange Jahre am macedonischen Hofe gelebt hatte, dort mit der Hochachtung, welche den Königinnen und wahrscheinlich auch den Gattinnen ihrer Unterthanen bezeugt wurde, so wie mit dem größern Ansehn, das die Weiber in monarchischen Staaten überhaupt genießen, vertraut geworden war, seiner besondern Lage zuschreiben.

Aristoteles handelt an zweyen Stellen seiner moralischen Schriften ziemlich ausführlich von der Freundschaft. (Philia)12) Er begreift darunter sowohl die anschauenden und selbstischen Verbindungen, die auf Bewunderung, Werthschätzung, und im Werthhalten beruhen: Achtung für Tugend, Gefühl des Nutzens und des Vergnügens zum Grunde haben; als auch diejenigen, die wirklich liebend sind: in denen sich entweder die Person an die Person nur liebend anschließt, oder worin sich beyde Verbündete durch Zärtlichkeit zu einer Person vereinigen.

"Wir hängen uns, sagt Aristoteles, entweder an das Gute an sich, (an die Tugend,) oder an das Nützliche, oder an dasjenige an, was uns Vergnügen macht. Nur die Verbindung mit dem Tugendhaften verdient Freundschaft im eigentlichen Sinne genannt zu werden."

"Die Tugend, oder das Gute an sich, erweckt zugleich das Gefühl des Vortheilhaften, und Vergnügen. Der Verbündete wird dadurch angereitzt, selbst gut an sich zu seyn, und dem Geliebten Nutzen und Vergnügen zuzuführen. Der Trieb ächter Freundschaft beruht

12) De moribus libr. VIII. et IX. und Eudemiorum libr. VII.

Irre ich nicht, so darf ich etwas von dieser Denkungsart eines Philosophen, der lange Jahre am macedonischen Hofe gelebt hatte, dort mit der Hochachtung, welche den Königinnen und wahrscheinlich auch den Gattinnen ihrer Unterthanen bezeugt wurde, so wie mit dem größern Ansehn, das die Weiber in monarchischen Staaten überhaupt genießen, vertraut geworden war, seiner besondern Lage zuschreiben.

Aristoteles handelt an zweyen Stellen seiner moralischen Schriften ziemlich ausführlich von der Freundschaft. (Φιλία)12) Er begreift darunter sowohl die anschauenden und selbstischen Verbindungen, die auf Bewunderung, Werthschätzung, und im Werthhalten beruhen: Achtung für Tugend, Gefühl des Nutzens und des Vergnügens zum Grunde haben; als auch diejenigen, die wirklich liebend sind: in denen sich entweder die Person an die Person nur liebend anschließt, oder worin sich beyde Verbündete durch Zärtlichkeit zu einer Person vereinigen.

„Wir hängen uns, sagt Aristoteles, entweder an das Gute an sich, (an die Tugend,) oder an das Nützliche, oder an dasjenige an, was uns Vergnügen macht. Nur die Verbindung mit dem Tugendhaften verdient Freundschaft im eigentlichen Sinne genannt zu werden.“

„Die Tugend, oder das Gute an sich, erweckt zugleich das Gefühl des Vortheilhaften, und Vergnügen. Der Verbündete wird dadurch angereitzt, selbst gut an sich zu seyn, und dem Geliebten Nutzen und Vergnügen zuzuführen. Der Trieb ächter Freundschaft beruht

12) De moribus libr. VIII. et IX. und Eudemiorum libr. VII.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0255" n="255"/>
          <p>Irre ich nicht, so darf ich etwas von dieser Denkungsart eines Philosophen, der lange Jahre am macedonischen Hofe gelebt hatte, dort mit der Hochachtung, welche den Königinnen und wahrscheinlich auch den Gattinnen ihrer Unterthanen bezeugt wurde, so wie mit dem größern Ansehn, das die Weiber in monarchischen Staaten überhaupt genießen, vertraut geworden war, seiner besondern Lage zuschreiben.</p>
          <p>Aristoteles handelt an zweyen Stellen seiner moralischen Schriften ziemlich ausführlich von der Freundschaft. (<foreign xml:lang="grc">&#x03A6;&#x03B9;&#x03BB;&#x03AF;&#x03B1;</foreign>)<note place="foot" n="12)"><hi rendition="#aq">De moribus libr. VIII. et IX.</hi> und <hi rendition="#aq">Eudemiorum libr. VII.</hi></note> Er begreift darunter sowohl die anschauenden und selbstischen Verbindungen, die auf Bewunderung, Werthschätzung, und im Werthhalten beruhen: Achtung für Tugend, Gefühl des Nutzens und des Vergnügens zum Grunde haben; als auch diejenigen, die wirklich liebend sind: in denen sich entweder die Person an die Person nur liebend anschließt, oder worin sich beyde Verbündete durch Zärtlichkeit zu einer Person vereinigen.</p>
          <p>&#x201E;Wir hängen uns, sagt Aristoteles, entweder an das Gute an sich, (an die Tugend,) oder an das Nützliche, oder an dasjenige an, was uns Vergnügen macht. Nur die Verbindung mit dem Tugendhaften verdient Freundschaft im eigentlichen Sinne genannt zu werden.&#x201C;</p>
          <p>&#x201E;Die Tugend, oder das Gute an sich, erweckt zugleich das Gefühl des Vortheilhaften, und Vergnügen. Der Verbündete wird dadurch angereitzt, selbst gut an sich zu seyn, und dem Geliebten Nutzen und Vergnügen zuzuführen. Der Trieb ächter Freundschaft beruht
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0255] Irre ich nicht, so darf ich etwas von dieser Denkungsart eines Philosophen, der lange Jahre am macedonischen Hofe gelebt hatte, dort mit der Hochachtung, welche den Königinnen und wahrscheinlich auch den Gattinnen ihrer Unterthanen bezeugt wurde, so wie mit dem größern Ansehn, das die Weiber in monarchischen Staaten überhaupt genießen, vertraut geworden war, seiner besondern Lage zuschreiben. Aristoteles handelt an zweyen Stellen seiner moralischen Schriften ziemlich ausführlich von der Freundschaft. (Φιλία) 12) Er begreift darunter sowohl die anschauenden und selbstischen Verbindungen, die auf Bewunderung, Werthschätzung, und im Werthhalten beruhen: Achtung für Tugend, Gefühl des Nutzens und des Vergnügens zum Grunde haben; als auch diejenigen, die wirklich liebend sind: in denen sich entweder die Person an die Person nur liebend anschließt, oder worin sich beyde Verbündete durch Zärtlichkeit zu einer Person vereinigen. „Wir hängen uns, sagt Aristoteles, entweder an das Gute an sich, (an die Tugend,) oder an das Nützliche, oder an dasjenige an, was uns Vergnügen macht. Nur die Verbindung mit dem Tugendhaften verdient Freundschaft im eigentlichen Sinne genannt zu werden.“ „Die Tugend, oder das Gute an sich, erweckt zugleich das Gefühl des Vortheilhaften, und Vergnügen. Der Verbündete wird dadurch angereitzt, selbst gut an sich zu seyn, und dem Geliebten Nutzen und Vergnügen zuzuführen. Der Trieb ächter Freundschaft beruht 12) De moribus libr. VIII. et IX. und Eudemiorum libr. VII.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/255
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/255>, abgerufen am 25.11.2024.