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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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über den Zusammenhang des Menschen mit der menschlichen Gesellschaft überhaupt, kein Wort aber von den Pflichten vorkommt, welche engere Verbindungen auflegen.

Fünftes Kapitel.

Ideen der Epikureer über Geschlechtsverbindung und Liebe.

Die Moral des Epikur unterscheidet sich von der Stoischen durch eine Selbstheit, die mit der Sinnlichkeit in engerer Verbindung steht.

Der Stoiker setzt den Zweck des Lebens und den Wohlstand seines vernünftigen Wesens in das anhaltende Bewußtseyn der Oberherrschaft über sich selbst und alle Verhältnisse, worin er zur Sinnenwelt steht. Der Epikureer schließt diese Oberherrschaft keinesweges aus: aber er betrachtet sie nicht als Zweck, sondern als Mittel und Bedingung, um das gegenwärtige Leben besser zu genießen. Sein Zweck ist ununterbrochenes Gefühl einer so angenehmen Existenz, als die Rücksicht auf die Zukunft und die gegenwärtigen Umstände es zulassen. Zu dem Ende sucht er alle natürlichen Neigungen auszubilden, zu reinigen, zu leiten, und mit Vorsicht und Klugheit zu befriedigen. Er ist mäßig, um dem Schmerz auszuweichen und jedes Vermögen zum Genuß in seiner Stärke zu erhalten: er hütet sich vor ungeselligen und heftigen Leidenschaften, die dem Herzen Qualen bereiten, und die Vernunft verdunkeln: er überläßt sich gern sanften, zärtlichen Empfindungen, thut gern wohl,

über den Zusammenhang des Menschen mit der menschlichen Gesellschaft überhaupt, kein Wort aber von den Pflichten vorkommt, welche engere Verbindungen auflegen.

Fünftes Kapitel.

Ideen der Epikureer über Geschlechtsverbindung und Liebe.

Die Moral des Epikur unterscheidet sich von der Stoischen durch eine Selbstheit, die mit der Sinnlichkeit in engerer Verbindung steht.

Der Stoiker setzt den Zweck des Lebens und den Wohlstand seines vernünftigen Wesens in das anhaltende Bewußtseyn der Oberherrschaft über sich selbst und alle Verhältnisse, worin er zur Sinnenwelt steht. Der Epikureer schließt diese Oberherrschaft keinesweges aus: aber er betrachtet sie nicht als Zweck, sondern als Mittel und Bedingung, um das gegenwärtige Leben besser zu genießen. Sein Zweck ist ununterbrochenes Gefühl einer so angenehmen Existenz, als die Rücksicht auf die Zukunft und die gegenwärtigen Umstände es zulassen. Zu dem Ende sucht er alle natürlichen Neigungen auszubilden, zu reinigen, zu leiten, und mit Vorsicht und Klugheit zu befriedigen. Er ist mäßig, um dem Schmerz auszuweichen und jedes Vermögen zum Genuß in seiner Stärke zu erhalten: er hütet sich vor ungeselligen und heftigen Leidenschaften, die dem Herzen Qualen bereiten, und die Vernunft verdunkeln: er überläßt sich gern sanften, zärtlichen Empfindungen, thut gern wohl,

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[245/0245] über den Zusammenhang des Menschen mit der menschlichen Gesellschaft überhaupt, kein Wort aber von den Pflichten vorkommt, welche engere Verbindungen auflegen. Fünftes Kapitel. Ideen der Epikureer über Geschlechtsverbindung und Liebe. Die Moral des Epikur unterscheidet sich von der Stoischen durch eine Selbstheit, die mit der Sinnlichkeit in engerer Verbindung steht. Der Stoiker setzt den Zweck des Lebens und den Wohlstand seines vernünftigen Wesens in das anhaltende Bewußtseyn der Oberherrschaft über sich selbst und alle Verhältnisse, worin er zur Sinnenwelt steht. Der Epikureer schließt diese Oberherrschaft keinesweges aus: aber er betrachtet sie nicht als Zweck, sondern als Mittel und Bedingung, um das gegenwärtige Leben besser zu genießen. Sein Zweck ist ununterbrochenes Gefühl einer so angenehmen Existenz, als die Rücksicht auf die Zukunft und die gegenwärtigen Umstände es zulassen. Zu dem Ende sucht er alle natürlichen Neigungen auszubilden, zu reinigen, zu leiten, und mit Vorsicht und Klugheit zu befriedigen. Er ist mäßig, um dem Schmerz auszuweichen und jedes Vermögen zum Genuß in seiner Stärke zu erhalten: er hütet sich vor ungeselligen und heftigen Leidenschaften, die dem Herzen Qualen bereiten, und die Vernunft verdunkeln: er überläßt sich gern sanften, zärtlichen Empfindungen, thut gern wohl,

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/245>, abgerufen am 23.11.2024.