Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Kreatur, und selbst nicht der Mensch, paart sich, der Regel nach, mit einem andern Wesen seiner Art, um zu zeugen, fortzupflanzen, und seine Gattung unsterblich zu machen. Was immer die Zwecke der Natur gewesen seyn mögen, als sie uns den unnennbaren Trieb einpflanzte; wir empfinden ihn als Begierde nach unmittelbarer Wollust, oder als Drang eines physischen Bedürfnisses. Er gehört ganz oder größtentheils dem Körper zu, dahingegen der Trieb, zu zeugen, offenbar nur der Seele allein angehören kann. Diese Rücksicht auf Zeugung tritt entweder zufällig, oder erst dann zu jenem Triebe hinzu, wenn besondere Verhältnisse, die keinesweges allgemein sind, uns dazu auffordern. Der Trieb, zu zeugen, als solcher, ist daher wahrscheinlich nicht in unserer ursprünglichen Natur gegründet, und wenn er es auch seyn sollte, gewiß nicht derjenige, der bey den Wirkungen des unnennbaren Triebes zunächst zum Grunde liegt. Alles dieses ist im dritten Buche dieses Werks weiter ausgeführt. Der Satz, daß das Schöne aufgesucht werde, um zu zeugen, ist eben so unerwiesen, als der, daß die Zeugung nur in der Verbindung mit dem Schönen gelinge. Der Zweck, etwas hervorzubringen, und besonders etwas darum hervorzubringen, damit wir in unsern Werken reproduciert würden, liegt gewiß höchst selten bey unserm Streben nach dem Besitze des Schönen und Guten unter. Plato hat daher dasjenige als Grund des Vereinigungstriebes angenommen, was nur Wirkung, und noch dazu zufällige Wirkung desselben ist. Auf jeden Fall würde ein solcher Zeugungstrieb in der Absicht, sich unsterblich zu machen, nicht Liebe, sondern ein feiner egoistischer Trieb seyn. Wer das Schöne aufsucht, weil Kreatur, und selbst nicht der Mensch, paart sich, der Regel nach, mit einem andern Wesen seiner Art, um zu zeugen, fortzupflanzen, und seine Gattung unsterblich zu machen. Was immer die Zwecke der Natur gewesen seyn mögen, als sie uns den unnennbaren Trieb einpflanzte; wir empfinden ihn als Begierde nach unmittelbarer Wollust, oder als Drang eines physischen Bedürfnisses. Er gehört ganz oder größtentheils dem Körper zu, dahingegen der Trieb, zu zeugen, offenbar nur der Seele allein angehören kann. Diese Rücksicht auf Zeugung tritt entweder zufällig, oder erst dann zu jenem Triebe hinzu, wenn besondere Verhältnisse, die keinesweges allgemein sind, uns dazu auffordern. Der Trieb, zu zeugen, als solcher, ist daher wahrscheinlich nicht in unserer ursprünglichen Natur gegründet, und wenn er es auch seyn sollte, gewiß nicht derjenige, der bey den Wirkungen des unnennbaren Triebes zunächst zum Grunde liegt. Alles dieses ist im dritten Buche dieses Werks weiter ausgeführt. Der Satz, daß das Schöne aufgesucht werde, um zu zeugen, ist eben so unerwiesen, als der, daß die Zeugung nur in der Verbindung mit dem Schönen gelinge. Der Zweck, etwas hervorzubringen, und besonders etwas darum hervorzubringen, damit wir in unsern Werken reproduciert würden, liegt gewiß höchst selten bey unserm Streben nach dem Besitze des Schönen und Guten unter. Plato hat daher dasjenige als Grund des Vereinigungstriebes angenommen, was nur Wirkung, und noch dazu zufällige Wirkung desselben ist. Auf jeden Fall würde ein solcher Zeugungstrieb in der Absicht, sich unsterblich zu machen, nicht Liebe, sondern ein feiner egoistischer Trieb seyn. Wer das Schöne aufsucht, weil <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0209" n="209"/> Kreatur, und selbst nicht der Mensch, paart sich, der Regel nach, mit einem andern Wesen seiner Art, um zu zeugen, fortzupflanzen, und seine Gattung unsterblich zu machen. Was immer die Zwecke der Natur gewesen seyn mögen, als sie uns den unnennbaren Trieb einpflanzte; wir empfinden ihn als Begierde nach unmittelbarer Wollust, oder als Drang eines physischen Bedürfnisses. Er gehört ganz oder größtentheils dem Körper zu, dahingegen der Trieb, zu zeugen, offenbar nur der Seele allein angehören kann. Diese Rücksicht auf Zeugung tritt entweder zufällig, oder erst dann zu jenem Triebe hinzu, wenn besondere Verhältnisse, die keinesweges allgemein sind, uns dazu auffordern. Der Trieb, zu zeugen, als solcher, ist daher wahrscheinlich nicht in unserer ursprünglichen Natur gegründet, und wenn er es auch seyn sollte, gewiß nicht derjenige, der bey den Wirkungen des unnennbaren Triebes zunächst zum Grunde liegt. Alles dieses ist im dritten Buche dieses Werks weiter ausgeführt. Der Satz, daß das Schöne aufgesucht werde, um zu zeugen, ist eben so unerwiesen, als der, daß die Zeugung nur in der Verbindung mit dem Schönen gelinge. Der Zweck, etwas hervorzubringen, und besonders etwas darum hervorzubringen, damit wir in unsern Werken reproduciert würden, liegt gewiß höchst selten bey unserm Streben nach dem Besitze des Schönen und Guten unter. Plato hat daher dasjenige als Grund des Vereinigungstriebes angenommen, was nur Wirkung, und noch dazu zufällige Wirkung desselben ist. Auf jeden Fall würde ein solcher Zeugungstrieb in der Absicht, sich unsterblich zu machen, nicht Liebe, sondern ein feiner egoistischer Trieb seyn. Wer das Schöne aufsucht, weil </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [209/0209]
Kreatur, und selbst nicht der Mensch, paart sich, der Regel nach, mit einem andern Wesen seiner Art, um zu zeugen, fortzupflanzen, und seine Gattung unsterblich zu machen. Was immer die Zwecke der Natur gewesen seyn mögen, als sie uns den unnennbaren Trieb einpflanzte; wir empfinden ihn als Begierde nach unmittelbarer Wollust, oder als Drang eines physischen Bedürfnisses. Er gehört ganz oder größtentheils dem Körper zu, dahingegen der Trieb, zu zeugen, offenbar nur der Seele allein angehören kann. Diese Rücksicht auf Zeugung tritt entweder zufällig, oder erst dann zu jenem Triebe hinzu, wenn besondere Verhältnisse, die keinesweges allgemein sind, uns dazu auffordern. Der Trieb, zu zeugen, als solcher, ist daher wahrscheinlich nicht in unserer ursprünglichen Natur gegründet, und wenn er es auch seyn sollte, gewiß nicht derjenige, der bey den Wirkungen des unnennbaren Triebes zunächst zum Grunde liegt. Alles dieses ist im dritten Buche dieses Werks weiter ausgeführt. Der Satz, daß das Schöne aufgesucht werde, um zu zeugen, ist eben so unerwiesen, als der, daß die Zeugung nur in der Verbindung mit dem Schönen gelinge. Der Zweck, etwas hervorzubringen, und besonders etwas darum hervorzubringen, damit wir in unsern Werken reproduciert würden, liegt gewiß höchst selten bey unserm Streben nach dem Besitze des Schönen und Guten unter. Plato hat daher dasjenige als Grund des Vereinigungstriebes angenommen, was nur Wirkung, und noch dazu zufällige Wirkung desselben ist. Auf jeden Fall würde ein solcher Zeugungstrieb in der Absicht, sich unsterblich zu machen, nicht Liebe, sondern ein feiner egoistischer Trieb seyn. Wer das Schöne aufsucht, weil
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |