Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.frey von aller Ausgelassenheit ist. Wen dieser Amor begeistert, der liebt nur das männliche Geschlecht als dasjenige, das von Natur mehr Kraft und Geist besitzt. Aber nicht alle Liebe zu diesem Geschlechte ist dieses Gottes Werk. Wer kleine Knaben liebt, ist nicht von ihm begeistert. Wen er beseelt, der wird nur Jünglinge lieben, bey denen sich Spuren der Mannheit und des sich entfaltenden Geistes zeigen. Eine feste dauernde Verbindung läßt sich nur bey einem Geliebten von solchem Alter erwarten. Verbindungen mit einem Geliebten von früheren Jahren können kaum einen andern Zweck haben, als den Geliebten zu hintergehen, in unreiferen Alter ihn anzulocken, um ihn als Jüngling zu verlassen, und einem andern nachzulaufen. Wer kann wissen, wie die Anlagen eines noch unerwachsenen Knaben sich entwickeln werden? Ob nicht alle Mühe, die er an ihn wendet, umsonst sey? Billig sollte durch ein Gesetz verboten seyn, kleine Knaben zu lieben. Edle Liebende schreiben sich zwar selbst dieß Gesetz vor; aber jenen gemeinen Liebhabern einen solchen Zaum anzulegen, würde eben so wenig überflüssig seyn, als man es dafür gehalten hat, ihren Angriffen auf freygeborne Weiber solche heilsame Schranken zu setzen. Denn diese Nichtswürdigen haben die Liebe allein in einen so übeln Ruf gebracht. Ihr ausschweifendes und treuloses Betragen hat die Meinung erzeugt, daß es schändlich sey, dem Liebhaber zu willfahren. Aber kein Tadel müsse Handlungen treffen, die mit der Sittsamkeit und den Gesetzen bestehen. In allen Staaten ist in Rücksicht der Liebe etwas festgesetzt, was als Gesetz gilt. In allen andern Staaten, außer Sparta und Athen, ist dieß Gesetz sehr einfach, und leicht verständlich: Bey uns frey von aller Ausgelassenheit ist. Wen dieser Amor begeistert, der liebt nur das männliche Geschlecht als dasjenige, das von Natur mehr Kraft und Geist besitzt. Aber nicht alle Liebe zu diesem Geschlechte ist dieses Gottes Werk. Wer kleine Knaben liebt, ist nicht von ihm begeistert. Wen er beseelt, der wird nur Jünglinge lieben, bey denen sich Spuren der Mannheit und des sich entfaltenden Geistes zeigen. Eine feste dauernde Verbindung läßt sich nur bey einem Geliebten von solchem Alter erwarten. Verbindungen mit einem Geliebten von früheren Jahren können kaum einen andern Zweck haben, als den Geliebten zu hintergehen, in unreiferen Alter ihn anzulocken, um ihn als Jüngling zu verlassen, und einem andern nachzulaufen. Wer kann wissen, wie die Anlagen eines noch unerwachsenen Knaben sich entwickeln werden? Ob nicht alle Mühe, die er an ihn wendet, umsonst sey? Billig sollte durch ein Gesetz verboten seyn, kleine Knaben zu lieben. Edle Liebende schreiben sich zwar selbst dieß Gesetz vor; aber jenen gemeinen Liebhabern einen solchen Zaum anzulegen, würde eben so wenig überflüssig seyn, als man es dafür gehalten hat, ihren Angriffen auf freygeborne Weiber solche heilsame Schranken zu setzen. Denn diese Nichtswürdigen haben die Liebe allein in einen so übeln Ruf gebracht. Ihr ausschweifendes und treuloses Betragen hat die Meinung erzeugt, daß es schändlich sey, dem Liebhaber zu willfahren. Aber kein Tadel müsse Handlungen treffen, die mit der Sittsamkeit und den Gesetzen bestehen. In allen Staaten ist in Rücksicht der Liebe etwas festgesetzt, was als Gesetz gilt. In allen andern Staaten, außer Sparta und Athen, ist dieß Gesetz sehr einfach, und leicht verständlich: Bey uns <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0194" n="194"/> frey von aller Ausgelassenheit ist. Wen dieser Amor begeistert, der liebt nur das männliche Geschlecht als dasjenige, das von Natur mehr Kraft und Geist besitzt. Aber nicht alle Liebe zu diesem Geschlechte ist dieses Gottes Werk. Wer kleine Knaben liebt, ist nicht von ihm begeistert. Wen er beseelt, der wird nur Jünglinge lieben, bey denen sich Spuren der Mannheit und des sich entfaltenden Geistes zeigen. Eine feste dauernde Verbindung läßt sich nur bey einem Geliebten von solchem Alter erwarten. Verbindungen mit einem Geliebten von früheren Jahren können kaum einen andern Zweck haben, als den Geliebten zu hintergehen, in unreiferen Alter ihn anzulocken, um ihn als Jüngling zu verlassen, und einem andern nachzulaufen. Wer kann wissen, wie die Anlagen eines noch unerwachsenen Knaben sich entwickeln werden? Ob nicht alle Mühe, die er an ihn wendet, umsonst sey? Billig sollte durch ein Gesetz verboten seyn, kleine Knaben zu lieben. Edle Liebende schreiben sich zwar selbst dieß Gesetz vor; aber jenen gemeinen Liebhabern einen solchen Zaum anzulegen, würde eben so wenig überflüssig seyn, als man es dafür gehalten hat, ihren Angriffen auf freygeborne Weiber solche heilsame Schranken zu setzen. Denn diese Nichtswürdigen haben die Liebe allein in einen so übeln Ruf gebracht. Ihr ausschweifendes und treuloses Betragen hat die Meinung erzeugt, daß es schändlich sey, dem Liebhaber zu willfahren. Aber kein Tadel müsse Handlungen treffen, die mit der Sittsamkeit und den Gesetzen bestehen. In allen Staaten ist in Rücksicht der Liebe etwas festgesetzt, was als Gesetz gilt. In allen andern Staaten, außer Sparta und Athen, ist dieß Gesetz sehr einfach, und leicht verständlich: Bey uns </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [194/0194]
frey von aller Ausgelassenheit ist. Wen dieser Amor begeistert, der liebt nur das männliche Geschlecht als dasjenige, das von Natur mehr Kraft und Geist besitzt. Aber nicht alle Liebe zu diesem Geschlechte ist dieses Gottes Werk. Wer kleine Knaben liebt, ist nicht von ihm begeistert. Wen er beseelt, der wird nur Jünglinge lieben, bey denen sich Spuren der Mannheit und des sich entfaltenden Geistes zeigen. Eine feste dauernde Verbindung läßt sich nur bey einem Geliebten von solchem Alter erwarten. Verbindungen mit einem Geliebten von früheren Jahren können kaum einen andern Zweck haben, als den Geliebten zu hintergehen, in unreiferen Alter ihn anzulocken, um ihn als Jüngling zu verlassen, und einem andern nachzulaufen. Wer kann wissen, wie die Anlagen eines noch unerwachsenen Knaben sich entwickeln werden? Ob nicht alle Mühe, die er an ihn wendet, umsonst sey? Billig sollte durch ein Gesetz verboten seyn, kleine Knaben zu lieben. Edle Liebende schreiben sich zwar selbst dieß Gesetz vor; aber jenen gemeinen Liebhabern einen solchen Zaum anzulegen, würde eben so wenig überflüssig seyn, als man es dafür gehalten hat, ihren Angriffen auf freygeborne Weiber solche heilsame Schranken zu setzen. Denn diese Nichtswürdigen haben die Liebe allein in einen so übeln Ruf gebracht. Ihr ausschweifendes und treuloses Betragen hat die Meinung erzeugt, daß es schändlich sey, dem Liebhaber zu willfahren. Aber kein Tadel müsse Handlungen treffen, die mit der Sittsamkeit und den Gesetzen bestehen. In allen Staaten ist in Rücksicht der Liebe etwas festgesetzt, was als Gesetz gilt. In allen andern Staaten, außer Sparta und Athen, ist dieß Gesetz sehr einfach, und leicht verständlich: Bey uns
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