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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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immer eine Schwäche, ein Fallen. Aber er übte eine Nachsicht dagegen aus, die nicht in unser Klima, zu unserer Organisation, nicht in unsere Religionsbegriffe, Erziehung und politische Verfassung paßt. Eben diese Nachsicht hatte nun den größten Einfluß auf das Urtheil der Athenienser über die dauernderen Verbindungen zwischen Männern, die einen zärtlichen und leidenschaftlichen Charakter annahmen. Glaubten sie wirklich, daß diese Verbindungen rein vom Einfluß des Körpers, über die Gefahren, ja über den wirklichen Fall der Sinnlichkeit hinausgesetzt wären? Gewiß nicht! Aber wie konnten sie denn Verbindungen dieser Art gestatten? Ein Beyspiel wird die Sache erklären.

Die Cicisbeatura in Spanien und Italien ist gewiß der Treue, die Gatten sich unter einander schuldig sind, äußerst gefährlich. Die Sitten dieser Länder authorisieren gewiß den Ehebruch eben so wenig, als die Sitten in Athen das Laster der ausgelassenen Männerliebe. Dennoch lassen jene eine engere Verbindung und eine Vertraulichkeit zwischen dem Cicisbeo und der Dame zu, welche die menschliche Schwäche auf mannigfaltige Proben setzt, und denen sie, ihrer Ueberzeugung nach, nicht gewachsen ist. Aber sie verblenden sich willkührlich über die Mißbräuche, welche diese Verhältnisse nach sich ziehen, sie machen es entweder zur Pflicht, sie für unschuldig zu halten, oder sehen dem wirklich eingetretenen und nicht zu verkennenden Falle nach, wenn nur dieser den Anstand nicht frech unter die Füße tritt, und das Ansehn und der Werth der verbündeten Personen eine Entschuldigung für ihre Schwäche mit sich führt. Warum? Diese Cicisbeaturen haben die Autorität der Rittergalanterie, der Petrarcalischen Liebe, und selbst das Beyspiel einiger wirklich

immer eine Schwäche, ein Fallen. Aber er übte eine Nachsicht dagegen aus, die nicht in unser Klima, zu unserer Organisation, nicht in unsere Religionsbegriffe, Erziehung und politische Verfassung paßt. Eben diese Nachsicht hatte nun den größten Einfluß auf das Urtheil der Athenienser über die dauernderen Verbindungen zwischen Männern, die einen zärtlichen und leidenschaftlichen Charakter annahmen. Glaubten sie wirklich, daß diese Verbindungen rein vom Einfluß des Körpers, über die Gefahren, ja über den wirklichen Fall der Sinnlichkeit hinausgesetzt wären? Gewiß nicht! Aber wie konnten sie denn Verbindungen dieser Art gestatten? Ein Beyspiel wird die Sache erklären.

Die Cicisbeatura in Spanien und Italien ist gewiß der Treue, die Gatten sich unter einander schuldig sind, äußerst gefährlich. Die Sitten dieser Länder authorisieren gewiß den Ehebruch eben so wenig, als die Sitten in Athen das Laster der ausgelassenen Männerliebe. Dennoch lassen jene eine engere Verbindung und eine Vertraulichkeit zwischen dem Cicisbeo und der Dame zu, welche die menschliche Schwäche auf mannigfaltige Proben setzt, und denen sie, ihrer Ueberzeugung nach, nicht gewachsen ist. Aber sie verblenden sich willkührlich über die Mißbräuche, welche diese Verhältnisse nach sich ziehen, sie machen es entweder zur Pflicht, sie für unschuldig zu halten, oder sehen dem wirklich eingetretenen und nicht zu verkennenden Falle nach, wenn nur dieser den Anstand nicht frech unter die Füße tritt, und das Ansehn und der Werth der verbündeten Personen eine Entschuldigung für ihre Schwäche mit sich führt. Warum? Diese Cicisbeaturen haben die Autorität der Rittergalanterie, der Petrarcalischen Liebe, und selbst das Beyspiel einiger wirklich

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[143/0143] immer eine Schwäche, ein Fallen. Aber er übte eine Nachsicht dagegen aus, die nicht in unser Klima, zu unserer Organisation, nicht in unsere Religionsbegriffe, Erziehung und politische Verfassung paßt. Eben diese Nachsicht hatte nun den größten Einfluß auf das Urtheil der Athenienser über die dauernderen Verbindungen zwischen Männern, die einen zärtlichen und leidenschaftlichen Charakter annahmen. Glaubten sie wirklich, daß diese Verbindungen rein vom Einfluß des Körpers, über die Gefahren, ja über den wirklichen Fall der Sinnlichkeit hinausgesetzt wären? Gewiß nicht! Aber wie konnten sie denn Verbindungen dieser Art gestatten? Ein Beyspiel wird die Sache erklären. Die Cicisbeatura in Spanien und Italien ist gewiß der Treue, die Gatten sich unter einander schuldig sind, äußerst gefährlich. Die Sitten dieser Länder authorisieren gewiß den Ehebruch eben so wenig, als die Sitten in Athen das Laster der ausgelassenen Männerliebe. Dennoch lassen jene eine engere Verbindung und eine Vertraulichkeit zwischen dem Cicisbeo und der Dame zu, welche die menschliche Schwäche auf mannigfaltige Proben setzt, und denen sie, ihrer Ueberzeugung nach, nicht gewachsen ist. Aber sie verblenden sich willkührlich über die Mißbräuche, welche diese Verhältnisse nach sich ziehen, sie machen es entweder zur Pflicht, sie für unschuldig zu halten, oder sehen dem wirklich eingetretenen und nicht zu verkennenden Falle nach, wenn nur dieser den Anstand nicht frech unter die Füße tritt, und das Ansehn und der Werth der verbündeten Personen eine Entschuldigung für ihre Schwäche mit sich führt. Warum? Diese Cicisbeaturen haben die Autorität der Rittergalanterie, der Petrarcalischen Liebe, und selbst das Beyspiel einiger wirklich

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/143>, abgerufen am 21.11.2024.